Dienstag, 31. Juli 2018

Vom Knivskjellodden bis nach Trollholmen

Kurz nach dem Blog von gestern Abend ereignete sich wieder einmal eine Geschichte, welche nur von Touristen geschrieben werden kann. Wir sassen gerade in unseren Liegestühlen und gönnten uns nach dem leckeren Nachtessen vom Grill, die zweite Ladung Prosecco. Da kam eine junge Frau zu uns zugerannt und fragte uns, ob wir Trinkwasser hätten. Sie sah verzweifelt aus und bot uns an die Flasche für Geld zu erwerben. Doch so knausrig sind wir dann doch nicht und wir gaben ihr eine Flasche Wasser, welche uns knapp einen Franken kostet im Spar. Sie trank gierig und verschwand mit dem restlichen Inhalt zum Ende des Wanderweges zum Knivskjellodden, welches gleich an unserem Parkplatz lag. Dort nahm sie ihre Familie in Empfang. Alle durchgeschwitzt und mit roten Köpfen. Alle mit Turnschuhen. Der Vater sogar noch im chicen Sonntagshemd. Rucksack oder so? Fehlanzeige. Die Wanderung zum Knivskjellodden ist 18 Kilometer lang. Mitten durchs Fjell über einen nicht einfach zu begehenden Wanderweg. Und diese Familie nahm diese Wanderung von ca. 6 Stunden in Angriff ohne einen Tropfen Wasser oder Nahrung mitzuführen. Bei über 30°C. Ein Wunder, dass sie den Rückweg überhaupt schafften. Solch verantwortungslose Touristen sahen wir hier in Norwegen leider immer wieder. Man überschätzt sich gerne und ist sich nicht bewusst, dass es hier einfach gar nichts gibt. Keine Berghäuser, keine Brunnen – nichts. Wir sahen noch mehr Wanderer, welche völlig fertig den Parkplatz erreichten, freuten uns schon auf unsere Wanderung morgen und machten uns um 22:00 Uhr auf den Weg ins Bett.

Das erste Mal erwachte ich um 01:00 Uhr in der Nacht als der Franzose (was denn sonst!) vom Nachbarwomo zum hundertsten Mal seine Drohne über dem Parkplatz schweben liess. Ein tolles Spielzeug hat der bekommen – nur das nervige Surren nachts um eins hatte beinahe zur Folge, dass ich das Womo kurzzeitig verliess um ihm die Meinung zu sagen. Ich freute mich aber insgeheim schon auf den Morgen, wenn ich laut unsere Türen zuwerfen und laut singend an seinem Womo vorbeimarschieren konnte. Um 05:00 Uhr klingelte dann der Wecker und ich war schon wieder wach. Das Wetter draussen war bewölkt, windig und frisch. Der Grund für das frühe Aufstehen war natürlich um noch vor der Hitze zum Knivskjellodden aufbrechen zu können. Dies sah nun nicht mehr so akut aus und wir dösten nochmals eine Stunde. Um 07:00 Uhr waren wir jedoch bereit. Ich schloss die Türe leise und spazierte auch ruhig über den Parkplatz. Die anderen mitleidenden Womo-Genossen sollten ja nach der Drohnen-Aktion nun nicht auch noch von mir geweckt werden, wären sie ja dann doppelt gemobbte Kameraden.

Es war erst sieben Uhr doch in Norwegen vergisst man das schnell. Die Helligkeit verhiess schon wieder etwas um Mittag. Die Wolken hatten sich verzogen doch der kühle Wind liess es eine gemütliche Wanderung werden. Über das Fjell zogen wir immer weiter gegen Norden, stiegen hinab in eine wundervolle Bucht um kurz darauf auf die letzte Erhebung zu steigen. Und dann waren wir da. Am Knivskjellodden hatten wir eine traumhafte Aussicht auf das Meer und das Nordkapp welches ein paar Kilometer südöstlich von uns lag. Moment – SÜDöstlich? Wie soll das gehen? Ja ganz einfach: beim Vermessen des Nordkapps ist den Geologen damals ein folgenschwerer Zahlendreher passiert und so steht das Nordkapp, welches seinen Namen gar nicht verdient, an der falschen Stelle. Die Weltkugel, das Besucherzentrum – alles falsch. Das wahre Nordkapp ist der Knivskjellodden, 1450,6 Meter nördlicher als das Nordkapp. Und dort standen wir nun am „nördlichsten Punkt Europas“, loggten zwei Caches und signierten das Gästebuch. Wir schossen noch einige Fotos ehe wir uns nach fast einer Stunde Aufenthalt (ohne einen anderen Menschen gesehen zu haben) wieder auf den Rückweg machten. Für den Anmarsch brauchten wir keine 2 Stunden. Doch auf dem Rückweg liess der Wind langsam nach, zudem führte der Weg nun meist bergauf. Wir hatten zum Glück viel Wasser dabei, welches wir auch brauchten. Wie die Familie das gestern überstanden hat – keine Ahnung. Kurz vor dem Ziel trafen wir dann noch auf zwei Bündner, mit welchen wir uns noch eine kleine Weile unterhielten. Immer wieder interessant hier oben Leute von Zuhause zu treffen und etwas über ihre Reise und ihr Reisefieber zu erfahren. 








So waren wir um 12 Uhr schon wieder am Wohnmobil. Viel früher als gedacht. Wir hatten noch kein Mittagessen, weswegen wir dies gleich als ersten Punkt nachholten. Schnell mussten wir danach aber weiterfahren. Die Hitze auf dem Parkplatz war zu gross um einfach so zu sitzen und wir verliessen das Nordkapp in Richtung Süden. Ein wenig wehmütig waren wir auf der kurzen Fahrt nach Skarsvag. Zum Einen lag das Nordkapp hinter uns – einen Ort auf welchen wir uns sehr lange gefreut hatten. Einfach wegen der Symbolik. Zum Anderen fuhren wir bisher seit dem 24. April immer in Richtung Nordkapp. Nun fuhren wir – nach Hause. Klar liegt noch viel, sehr viel, vor uns, doch die allgemeine Richtung ist nach Hause.

Zuerst besuchten wir mit Skarsvag das nördlichste Fischerdorf der Welt. Besonders interessiert waren wir dort aber an der Kirkeporten. Anders als der Name sagt, handelte es sich dabei jedoch nicht einfach um die Kirchentüre. Die Kirkeporten ist ein sogenanntes Felsenfenster, welches sich jedoch vom Parkplatz aus auf der anderen Seite eines Hügels befand. Unsere Füsse taten weh, die Hitze war enorm und trotzdem taten wir uns die Wanderung an, welche uns doch wieder 20 Minuten lang über den Hügel führte. Erst steil bergauf, nur um auf der anderen Seite wieder ans Meer hinabzusteigen. Doch das Fenster war traumhaft und gross. Wir konnten dabei sogar Fotos schiessen, auf welchen man durch das Fenster den Nordkappfelsen (also den falschen) sah. Der Rückweg wurde dann nochmals zu einer richtigen Qual und wir waren froh als wir endlich am Womo waren. Schluss für heute schworen wir uns, kurbelten die Fenster runter und brausten in den Süden. Durch den sieben Kilometer langen Unterwassertunnel verliessen wir die Insel in Richtung Festland. Auch die Fahrradfahrer müssen durch diesen schlecht beleuchteten Tunnel und sind dafür dann auch schon mal gerne zwei Stunden bei 14°C und 10 Prozent Steigung in der Röhre unterwegs. Die Meisten spazieren die Steigung hoch und schieben ihr geliebtes Rad. Alles auf der Fahrbahn, denn für einen Radstreifen reichte es natürlich nicht mehr. 





Wir folgten nun dem wunderschönen Fjord, genossen hier und da die Aussicht, machten einen kleinen Halt für das nördlichste Schwimmen auf unserer Reise, brachten jedoch auch wieder viel Weg hinter uns. Wir bremsten erst wieder, als uns der Hunger und eine kleine Attraktion auf einen Hügel bei Lakselv trieb. Unser Reiseführer pries diesen Übernachtungsort als wunderschön einsam und romantisch an. Und sie versprachen nicht zu viel. Wir grillten (hier in Norwegen darf man das auch mit Holzkohle noch) und genossen ein wenig die Sonne. Zwei andere Schulz-Verfolger fanden auch noch den Weg hierhin und so standen wir plötzlich nicht mehr so alleine mit den vielen Schafen und dem Rentier, welches die kühle Abendbrise auf dem Feld am Meer genoss. 



Wir machten uns nach dem Essen noch auf einen kleinen Abendspaziergang. Dieser führte uns an einen besonderen Ort auf der Trollholmen-Halbinsel auf welcher unser Wohnmobil steht. Auf dieser Halbinsel konnte nämlich zum ersten Mal die Existenz Norwegischer Trolle nachgewiesen werden. Viele schieben die Trolle ins Reich der Fabeln und Sagen ab, doch für Norwegische Kinder gehören die Trolle dazu wie für unsere Kinder die Zwerge und Riesen. Doch Trolle sind eher tollpatschig, dumm und haben das Problem, dass ein einziger Sonnenstrahl sie zu einer Steinsäule erstarren lässt. Und genau dies ist hier acht Trollen geschehen und so stehen sie als Steinsäulen für ewig hier. Ein unwissender Fiesling, wer den Kindern erzählen will, dass es sich hierbei um magnesiumcarbonathaltiges Dolomitgestein handelt. Die Trolle hatten immerhin das Glück in einer traumhaften Umgebung für die Ewigkeit gefangen genommen worden zu sein. Die 20minütige Wanderung zu den Trollen gehörte für uns landschaftlich zu einer der interessantesten und schönsten in ganz Norwegen. Wirklich wundervoll. Die Trolle standen dann auch wirklich versteinert am Wasser und liessen sich von uns fotografieren. Konnten sich ja nicht wehren. Wir fingen gleich noch die letzten Sonnenstrahlen ein, bevor eine grosse Wolke die Sonne verbannte. Wir machten uns deshalb schnell auf den Rückweg und sperrten uns im Womo ein. Denn wer weiss ob die Gegend hier sicher ist, wenn die Sonne untergegangen ist. 






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