Montag, 9. Juli 2018

Ein Tag unter Tage

Ein Vogel versüsste mir heute früh das Aufwachen mit seinem Gesang. Leider war es aber erst gerade 00:20 mitten in der Nacht. Hell war es im Womo aber schon wieder (oder noch immer) als ob es 20 nach 12 am Mittag wäre. Zudem erspähte ich aus der Ferne schon wieder Ungemach. Die Bedieneinheit der Heizung blinkte schon wieder rot auf. 6 Mal – dann Pause. Na super. Mit dem Vogel und der defekten Heizung konnte ich beinahe nicht mehr einschlafen und so schlug ich mir die Nacht sehr unruhig um die Ohren.

Nach dem Frühstück sorgte Melanie aber dafür, dass ich schnell auf Touren kam. Eine kleine Wanderung sollte uns ganz in der Nähe zur Oyfjellgrotta führen. Das klang spannend und die Wanderung wurde mir als leicht angepriesen. Sie begann auch ganz okay. Ein schöner Weg, gefolgt von einem Trampelpfad, welcher auch mal durch ein Bächlein führte. Ohne Brücke. Aber alles im gemütlichen Rahmen. Plötzlich war die Grotte nur noch 92 Meter entfernt. Das Problem: laut Navi war sie auch stolze 100 Höhenmeter über uns. Grosszügig gerechnet ergibt dies 100% Steigung oder für Winkelfetischisten 45°. Serpentinen? Fehlanzeige. Treppen? Nicht hier. Einfach nur ein direkter Pfad den Hang hoch. Die 45° erkannte man relativ gut während man sich auf allen Vieren im Weiterkommen versuchte. Wir schwitzten und schnauften als wir den Hügel endlich erklommen hatten. Wir waren echt am Ende von 100 Metern. Und dann fanden wir die Grotte nicht! Wir suchten hier und da und zum Glück hatten wir ein Wandernavi mit Koordinaten beim Eingang, welche uns durch einen Geocache vorgegeben waren. Wir waren schon am Parkplatz froh um diesen Cache, zumal die Norweger nicht gerade die fleissigsten Wegmarkierer sind. Dieser Geocache rettete uns und wir standen dann irgendwann doch noch vor dem riesigen Tor zur Unterwelt. Eisige Luft drang aus dem Untergrund und ein Blick in den Eingang erklärte auch weshalb. In der Höhle lag noch immer Eis. Meterdick schimmerte es hellblau am Boden und nur wo Tropfen von der Decke fielen, waren Löcher im Panzer zu sehen. Wir wagten uns ein paar Meter hinab bis zum Eingang in das Höhlensystem. Weiter trauten wir uns aber nicht. Kennt man sich mit einem Höhlensystem nicht aus kann es schnell gefährlich werden. Der Verlust der Orientierung ist das Eine – der plötzlich mögliche Einschuss von Wasser das Andere. In vielen Höhlen kann es sein, dass sich zu einer gewissen Uhrzeit Gänge füllen und Rückwege versperren oder einem sogar in die Wassermassen einschliessen. Warnschilder gibt es in einer Höhle keine. So loggten wir den Cache (coord.info/GC34Z4R), welcher seit beinahe zwei Jahren (!!!) keinen Besucher mehr empfangen hatte und machten uns an den Abstieg. Fasziniert waren wir aber auch so von diesem Ort. Alleine in dieser Höhle zu stehen und dem Tropfen zu lauschen war einfach genial. 





Unten am Womo angekommen, versuchte ich mich nochmals an der Heizung und das Ding lief wieder. Irgendwie scheint es eine Nacht-Phobie zu haben. Aber uns soll es recht sein. Wir geben dem Ding noch eine Chance. Wir fuhren aus unserem kleinen Seitental wieder raus in das Dorf. In diesem Dorf, mit Namen Mosjoen, besuchten wir noch kurz die Altstadt und machten uns danach auf die Weiterfahrt. 




Es zog uns zügig wieder weiter nordwärts. Überall bauen sie hier die Strassen aus. Felsen werden weggesprengt, abgetragen und durchbohrt – eine Autobahn bis ans Nordkapp soll es wohl werden. Wir waren froh, dass wir noch auf der alten Strasse durch die Wälder düsen durften. So liessen wir uns kurz später auch einen Umweg nicht nehmen und fuhren auf das Korgfjell statt durch den Tunnel unten durch zu brettern. Oben wollten wir essen, hatten aber noch gar keinen Hunger. So befassten wir uns mit der restlichen Route und entdeckten einen tollen Ort, den wir unbedingt besuchen wollten. Eine Führung soll dort um 15:00 Uhr starten. So planten wir dies ein und kurvten gemütlich runter von dem kleinen Fjell.

Mo i Rana hiess unser nächstes Ziel. Die Kleinstadt knapp unterhalb des Polarkreises ist sehr bekannt für ihre Altstadt und diverse Museen. Die Museen interessierten uns wieder eher weniger. So machten wir uns nach dem Mittagessen am Hafen auf den Weg die kleinen Häuser der Moholmen zu besichtigen. Fast schon ein wenig klischeehaft reihen sich hier die kleinen Holzhäuser aneinander. Alle sauber gestrichen, mit vielen Accessoires behangen und die Fenster mit bedacht geschmückt. Trotzdem waren wir die einzigen zwei Menschen hier. Wo sind denn bloss alle Touristen hin? Anscheinend liessen sie sich heute von den Wolken ein wenig abschrecken. Wir besuchten noch zwei Caches und machten uns danach auf den Weg zum Womo. Wir mussten uns schliesslich beeilen um noch pünktlich am nächsten Ziel anzukommen. 





Wir erreichten den Parkplatz der Setergrotta knapp 20 Minuten vor der Führung. Und der Parkplatz war leer. Nur ein Motorrad stand da und ein junger Herr sass auf seinem Stuhl in einem der beiden kleinen Häuschen. Dieser stellte sich uns sofort als Hovard vor, schüttelte uns die Hand und hiess uns Willkommen. Wir hatten heute früh ja trainiert und das Fazit gezogen, dass unbekannte Höhlen alleine zu gefährlich sind. Doch wir wollten so eine Höhle eben doch erleben und darum standen wir jetzt hier vor Hovard. Er freute sich über unser Kommen und meinte, dass er auch noch keine Anmeldungen hätte für die Tour von 15:00 Uhr. Wir wurden ausgerüstet mit einem Overall, Handschuhen und einem Helm mit Helmleuchte. Und da sich keine anderen Besucher hier einfanden gingen wir alleine mit Hovard auf den Weg zur Grotte. 500 Meter führte er uns durch den Wald ehe wir am riesigen Eingang der Grotte standen. Wir wurden auf die wichtigsten Regeln aufmerksam gemacht, die Helme wurden aufgesetzt und los ging es. Der Raum hier war riesig – doch es schien keinen Ausweg zu geben ausser dem riesigen Loch, welches in den Wald führte. Zielsicher führte uns Hovard aber zu einem sehr kleinen Loch in dem Raum, durch welches es in den Untergrund hinab ging. Sofort hüllte uns die Dunkelheit, Feuchtigkeit und Kälte ein. Die Wände in der Grotte glänzten und waren mit Eiskristallen überzogen. Hier sind das ganze Jahr knapp unter Null Grad und die Luft gefriert immer wieder an den Wänden. Wir stiegen weiter hinab und trafen dort auf das Höhlenklima von 4 Grad.

Anfangs führte uns Hovard vor allem über grosse Steine, Geröll welches von der Decke fiel. Doch anhand der Spuren, welches das tropfende Wasser auf den Steinen hinterliess, kann man sagen, dass die Steine hier schon tausende von Jahren liegen. Einsturzgefahr besteht keine. Vor allem da die Höhle eine Decke aus massivem Schiefergestein besitzt. Die unteren Lagen bestanden aus weicherem Sandstein und wurden ausgespült. Von wem fragen wir uns, kriegen die Antwort aber bald in Form eines lauten Rauschen. Ein Fluss fliesst hier durch die Höhle. Weit unter uns frisst er sich noch immer durch den Fels. Nachdem wir die Geröllpassagen hinter uns liessen und durch grössere Räume stapften, konnten wir den Fluss auch noch besuchen und uns mit einem Schluck Wasser von der astreinen Qualität überzeugen. Von dort mussten wir aber ein kleines Stück zurück. Durch mehrere Räume wurden wir geführt. Hier fanden schon Konzerte, Kunstausstellungen und sogar einmal eine Hochzeit statt. Tief unter der Erde – mit wundervoller Akkustik. Nun sei der gemütliche Teil vorbei warnte uns Hovard. Es werde nun eng und wir sollten uns melden, wenn es uns nicht mehr geheuer sei.

Wir stiessen in die Marmorgänge vor. Blendend weisser Marmor strahlte uns in immer dicker werdenden Schichten entgegen. Die Gänge waren eng, steil und rutschig. Doch es war ein riesiger Spass sie zu begehen. Einfach nur eindrücklich wie sich die Natur hier tief unten präsentierte. So roh. So nah. So einzigartig. Hovard merkte auch, dass er zwei junge Leute dabei hatte, welche das Actionprogramm ganz cool fanden. Er fragte uns ob wir auch bereit für etwas wirklich wirklich enges seien. Dieser Seitengang ist kein Bestandteil der offiziellen Tour und er sei ihn dieses Jahr noch mit keiner Gruppe gegangen. Doch wir wollten natürlich unbedingt. Und ja – wir kamen durch. Aber enger geht keinesfalls. Auf allen viel Seiten von Fels eingeschlossen schlängelten wir uns wie ein Wurm durch knappe 100 Meter Marmorgang. Zwei 90°-Kurven eingeschlossen, um welche man sich brutalst verbiegen musste. Immer vor dem Gesicht: Marmor. Tonnen und Tonnen Gestein über uns. Ein krasses Gefühl. Da waren die Gänge danach fast ein Spaziergang. Aber eben auch nur fast.

Wir erreichten nach über einem Kilometer den Endpunkt der Grotte. Ein kleiner See, welcher das Jahr überdauert. Die ganzen Marmorgänge hier unten sind von April bis Juni komplett mit Wasser gefüllt. Schmelzwasser dringt in die Höhle ein. Und aus den überlaufenden Bächen schwemmt es dann auch immer wieder Fische in die Höhle, welche dann in diesem Teich hier unten enden. Wir hatten Glück und konnten vier dieser armen Geschöpfe entdecken. Bis zu drei Jahre kann ein Fisch hier unten überleben und ist somit das einzige Lebewesen so tief in der Höhle – bis auf uns drei Menschen natürlich. Die Fische verlieren hier unten komplett ihre Farbe – werden weiss und erblinden. Wir löschten unsere Taschenlampen und bewegten uns für eine Minute nicht. Absolute Dunkelheit – absolute Ruhe. Fast schon beängstigend. Für den Rückweg nahmen wir den schnellsten Weg, Hovard liess uns aber einmal sogar einen ca. 150 Meter Marmorgang alleine begehen und nahm einen anderen Weg. Wir trafen ihn kurz später wieder, machten uns weiter auf den Weg zum Ausgang und so traten wir nach beinahe zwei Stunden wieder ans Tageslicht. Was für ein Abenteuer! Etwas wirklich richtig eindrückliches. Die Sonne hatte ihren Weg durch die Wolken gefunden und so war uns plötzlich sehr heiss als wir durch den Wald zurück zum Parkplatz wanderten. Wir bezahlten unsere 700 Kronen (80 Franken) und bedankten uns bei Hovard für die Führung. Er gab uns noch ein paar Tipps für die Lofoten, wo er früher arbeitete und schwang sich danach auf sein Motorrad.

(Das Mitnehmen von Fotokamera und Handy war leider nicht möglich und bei der Dunkelheit Fotos zu schiessen nicht leicht. Ich habe weite Teile jedoch mit der GoPro gefilmt und so gibt es hier leider nur ein paar PrintScreens aus den Videos)







Wir blieben noch hier auf dem Parkplatz. An der Sonne machten wir uns wiedereinmal an die Wäsche, kochten und kümmerten uns um die Heizung. Eine Chance bekommt sie noch – ansonsten geht es morgen eine Stunde Fahrtweg zurück zu einem Truma-Händler. Neben uns breitete sich noch eine Familie mit Wohnwagen aus. Die Schilder waren norwegisch, die Sprache deutsch. Auswanderer. Seit 20 Jahren wohnen sie nun hier und konnten uns auch noch mit ein paar Tipps versorgen. Wir geniessen nun den Abend und hoffen auf eine warme Nacht.

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