Ein Vogel
versüsste mir heute früh das Aufwachen mit seinem Gesang. Leider
war es aber erst gerade 00:20 mitten in der Nacht. Hell war es im
Womo aber schon wieder (oder noch immer) als ob es 20 nach 12 am
Mittag wäre. Zudem erspähte ich aus der Ferne schon wieder
Ungemach. Die Bedieneinheit der Heizung blinkte schon wieder rot auf.
6 Mal – dann Pause. Na super. Mit dem Vogel und der defekten
Heizung konnte ich beinahe nicht mehr einschlafen und so schlug ich
mir die Nacht sehr unruhig um die Ohren.
Nach dem
Frühstück sorgte Melanie aber dafür, dass ich schnell auf Touren
kam. Eine kleine Wanderung sollte uns ganz in der Nähe zur
Oyfjellgrotta führen. Das klang spannend und die Wanderung wurde mir
als leicht angepriesen. Sie begann auch ganz okay. Ein schöner Weg,
gefolgt von einem Trampelpfad, welcher auch mal durch ein Bächlein
führte. Ohne Brücke. Aber alles im gemütlichen Rahmen. Plötzlich
war die Grotte nur noch 92 Meter entfernt. Das Problem: laut Navi war
sie auch stolze 100 Höhenmeter über uns. Grosszügig gerechnet
ergibt dies 100% Steigung oder für Winkelfetischisten 45°.
Serpentinen? Fehlanzeige. Treppen? Nicht hier. Einfach nur ein
direkter Pfad den Hang hoch. Die 45° erkannte man relativ gut
während man sich auf allen Vieren im Weiterkommen versuchte. Wir
schwitzten und schnauften als wir den Hügel endlich erklommen
hatten. Wir waren echt am Ende von 100 Metern. Und dann fanden wir
die Grotte nicht! Wir suchten hier und da und zum Glück hatten wir
ein Wandernavi mit Koordinaten beim Eingang, welche uns durch einen
Geocache vorgegeben waren. Wir waren schon am Parkplatz froh um
diesen Cache, zumal die Norweger nicht gerade die fleissigsten
Wegmarkierer sind. Dieser Geocache rettete uns und wir standen dann
irgendwann doch noch vor dem riesigen Tor zur Unterwelt. Eisige Luft
drang aus dem Untergrund und ein Blick in den Eingang erklärte auch
weshalb. In der Höhle lag noch immer Eis. Meterdick schimmerte es
hellblau am Boden und nur wo Tropfen von der Decke fielen, waren
Löcher im Panzer zu sehen. Wir wagten uns ein paar Meter hinab bis
zum Eingang in das Höhlensystem. Weiter trauten wir uns aber nicht.
Kennt man sich mit einem Höhlensystem nicht aus kann es schnell
gefährlich werden. Der Verlust der Orientierung ist das Eine – der
plötzlich mögliche Einschuss von Wasser das Andere. In vielen
Höhlen kann es sein, dass sich zu einer gewissen Uhrzeit Gänge
füllen und Rückwege versperren oder einem sogar in die Wassermassen
einschliessen. Warnschilder gibt es in einer Höhle keine. So loggten
wir den Cache (coord.info/GC34Z4R), welcher seit beinahe zwei Jahren
(!!!) keinen Besucher mehr empfangen hatte und machten uns an den
Abstieg. Fasziniert waren wir aber auch so von diesem Ort. Alleine in
dieser Höhle zu stehen und dem Tropfen zu lauschen war einfach
genial.
Unten am Womo
angekommen, versuchte ich mich nochmals an der Heizung und das Ding
lief wieder. Irgendwie scheint es eine Nacht-Phobie zu haben. Aber
uns soll es recht sein. Wir geben dem Ding noch eine Chance. Wir
fuhren aus unserem kleinen Seitental wieder raus in das Dorf. In
diesem Dorf, mit Namen Mosjoen, besuchten wir noch kurz die Altstadt
und machten uns danach auf die Weiterfahrt.
Es zog uns zügig
wieder weiter nordwärts. Überall bauen sie hier die Strassen aus.
Felsen werden weggesprengt, abgetragen und durchbohrt – eine
Autobahn bis ans Nordkapp soll es wohl werden. Wir waren froh, dass
wir noch auf der alten Strasse durch die Wälder düsen durften. So
liessen wir uns kurz später auch einen Umweg nicht nehmen und fuhren
auf das Korgfjell statt durch den Tunnel unten durch zu brettern.
Oben wollten wir essen, hatten aber noch gar keinen Hunger. So
befassten wir uns mit der restlichen Route und entdeckten einen
tollen Ort, den wir unbedingt besuchen wollten. Eine Führung soll
dort um 15:00 Uhr starten. So planten wir dies ein und kurvten
gemütlich runter von dem kleinen Fjell.
Mo
i Rana hiess unser nächstes Ziel. Die Kleinstadt knapp unterhalb des
Polarkreises ist sehr bekannt für ihre Altstadt und diverse Museen.
Die Museen interessierten uns wieder eher weniger. So machten wir uns
nach dem Mittagessen am Hafen auf den Weg die kleinen Häuser der
Moholmen zu besichtigen. Fast schon ein wenig klischeehaft reihen
sich hier die kleinen Holzhäuser aneinander. Alle sauber gestrichen,
mit vielen Accessoires behangen und die Fenster mit bedacht
geschmückt. Trotzdem waren wir die einzigen zwei Menschen hier. Wo
sind denn bloss alle Touristen hin? Anscheinend liessen sie sich
heute von den Wolken ein wenig abschrecken. Wir besuchten noch zwei
Caches und machten uns danach auf den Weg zum Womo. Wir mussten uns
schliesslich beeilen um noch pünktlich am nächsten Ziel anzukommen.
Wir erreichten
den Parkplatz der Setergrotta knapp 20 Minuten vor der Führung. Und
der Parkplatz war leer. Nur ein Motorrad stand da und ein junger Herr
sass auf seinem Stuhl in einem der beiden kleinen Häuschen. Dieser
stellte sich uns sofort als Hovard vor, schüttelte uns die Hand und
hiess uns Willkommen. Wir hatten heute früh ja trainiert und das
Fazit gezogen, dass unbekannte Höhlen alleine zu gefährlich sind.
Doch wir wollten so eine Höhle eben doch erleben und darum standen
wir jetzt hier vor Hovard. Er freute sich über unser Kommen und
meinte, dass er auch noch keine Anmeldungen hätte für die Tour von
15:00 Uhr. Wir wurden ausgerüstet mit einem Overall, Handschuhen und
einem Helm mit Helmleuchte. Und da sich keine anderen Besucher hier
einfanden gingen wir alleine mit Hovard auf den Weg zur Grotte. 500
Meter führte er uns durch den Wald ehe wir am riesigen Eingang der
Grotte standen. Wir wurden auf die wichtigsten Regeln aufmerksam
gemacht, die Helme wurden aufgesetzt und los ging es. Der Raum hier
war riesig – doch es schien keinen Ausweg zu geben ausser dem
riesigen Loch, welches in den Wald führte. Zielsicher führte uns
Hovard aber zu einem sehr kleinen Loch in dem Raum, durch welches es
in den Untergrund hinab ging. Sofort hüllte uns die Dunkelheit,
Feuchtigkeit und Kälte ein. Die Wände in der Grotte glänzten und
waren mit Eiskristallen überzogen. Hier sind das ganze Jahr knapp
unter Null Grad und die Luft gefriert immer wieder an den Wänden.
Wir stiegen weiter hinab und trafen dort auf das Höhlenklima von 4
Grad.
Anfangs führte
uns Hovard vor allem über grosse Steine, Geröll welches von der
Decke fiel. Doch anhand der Spuren, welches das tropfende Wasser auf
den Steinen hinterliess, kann man sagen, dass die Steine hier schon
tausende von Jahren liegen. Einsturzgefahr besteht keine. Vor allem
da die Höhle eine Decke aus massivem Schiefergestein besitzt. Die
unteren Lagen bestanden aus weicherem Sandstein und wurden
ausgespült. Von wem fragen wir uns, kriegen die Antwort aber bald in
Form eines lauten Rauschen. Ein Fluss fliesst hier durch die Höhle.
Weit unter uns frisst er sich noch immer durch den Fels. Nachdem wir
die Geröllpassagen hinter uns liessen und durch grössere Räume
stapften, konnten wir den Fluss auch noch besuchen und uns mit einem
Schluck Wasser von der astreinen Qualität überzeugen. Von dort
mussten wir aber ein kleines Stück zurück. Durch mehrere Räume
wurden wir geführt. Hier fanden schon Konzerte, Kunstausstellungen
und sogar einmal eine Hochzeit statt. Tief unter der Erde – mit
wundervoller Akkustik. Nun sei der gemütliche Teil vorbei warnte uns
Hovard. Es werde nun eng und wir sollten uns melden, wenn es uns
nicht mehr geheuer sei.
Wir stiessen in
die Marmorgänge vor. Blendend weisser Marmor strahlte uns in immer
dicker werdenden Schichten entgegen. Die Gänge waren eng, steil und
rutschig. Doch es war ein riesiger Spass sie zu begehen. Einfach nur
eindrücklich wie sich die Natur hier tief unten präsentierte. So
roh. So nah. So einzigartig. Hovard merkte auch, dass er zwei junge
Leute dabei hatte, welche das Actionprogramm ganz cool fanden. Er
fragte uns ob wir auch bereit für etwas wirklich wirklich enges
seien. Dieser Seitengang ist kein Bestandteil der offiziellen Tour
und er sei ihn dieses Jahr noch mit keiner Gruppe gegangen. Doch wir
wollten natürlich unbedingt. Und ja – wir kamen durch. Aber enger
geht keinesfalls. Auf allen viel Seiten von Fels eingeschlossen
schlängelten wir uns wie ein Wurm durch knappe 100 Meter Marmorgang.
Zwei 90°-Kurven eingeschlossen, um welche man sich brutalst
verbiegen musste. Immer vor dem Gesicht: Marmor. Tonnen und Tonnen
Gestein über uns. Ein krasses Gefühl. Da waren die Gänge danach
fast ein Spaziergang. Aber eben auch nur fast.
Wir
erreichten nach über einem Kilometer den Endpunkt der Grotte. Ein
kleiner See, welcher das Jahr überdauert. Die ganzen Marmorgänge
hier unten sind von April bis Juni komplett mit Wasser gefüllt.
Schmelzwasser dringt in die Höhle ein. Und aus den überlaufenden
Bächen schwemmt es dann auch immer wieder Fische in die Höhle,
welche dann in diesem Teich hier unten enden. Wir hatten Glück und
konnten vier dieser armen Geschöpfe entdecken. Bis zu drei Jahre
kann ein Fisch hier unten überleben und ist somit das einzige
Lebewesen so tief in der Höhle – bis auf uns drei Menschen
natürlich. Die Fische verlieren hier unten komplett ihre Farbe –
werden weiss und erblinden. Wir löschten unsere Taschenlampen und
bewegten uns für eine Minute nicht. Absolute Dunkelheit – absolute
Ruhe. Fast schon beängstigend. Für den Rückweg nahmen wir den
schnellsten Weg, Hovard liess uns aber einmal sogar einen ca. 150
Meter Marmorgang alleine begehen und nahm einen anderen Weg. Wir
trafen ihn kurz später wieder, machten uns weiter auf den Weg zum
Ausgang und so traten wir nach beinahe zwei Stunden wieder ans
Tageslicht. Was für ein Abenteuer! Etwas wirklich richtig
eindrückliches. Die Sonne hatte ihren Weg durch die Wolken gefunden
und so war uns plötzlich sehr heiss als wir durch den Wald zurück
zum Parkplatz wanderten. Wir bezahlten unsere 700 Kronen (80 Franken)
und bedankten uns bei Hovard für die Führung. Er gab uns noch ein
paar Tipps für die Lofoten, wo er früher arbeitete und schwang sich
danach auf sein Motorrad.
(Das
Mitnehmen von Fotokamera und Handy war leider nicht möglich und bei
der Dunkelheit Fotos zu schiessen nicht leicht. Ich habe weite Teile
jedoch mit der GoPro gefilmt und so gibt es hier leider nur ein paar
PrintScreens aus den Videos)
Wir blieben noch
hier auf dem Parkplatz. An der Sonne machten wir uns wiedereinmal an
die Wäsche, kochten und kümmerten uns um die Heizung. Eine Chance
bekommt sie noch – ansonsten geht es morgen eine Stunde Fahrtweg
zurück zu einem Truma-Händler. Neben uns breitete sich noch eine
Familie mit Wohnwagen aus. Die Schilder waren norwegisch, die Sprache
deutsch. Auswanderer. Seit 20 Jahren wohnen sie nun hier und konnten
uns auch noch mit ein paar Tipps versorgen. Wir geniessen nun den
Abend und hoffen auf eine warme Nacht.
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