Dienstag, 3. Juli 2018

Von Alesund ins Achtelfinal nach Andalsnes

So richtig früh kamen wir heute trotz Vorsatz nicht aus dem Bett. Bis auf ein Womo waren auch schon alle Nachbarn weitergezogen. Doch so eilig hatten wir es ja auch wieder nicht. Und so gab es ein gemütliches Frühstück ehe wir Richtung Innenstadt von Alesund fuhren. Diese war doch etwa 10 Minuten entfernt (inklusive verfahren) und bot nicht gerade viele Parkplätze. Doch wir konnten einen entdecken und lösten ein Ticket für nicht ganz eine Stunde. 10NOK also knapp einen Franken kostete uns das, was völlig okay war. Somit dauerte unsere Parkzeit bis 09:54 und die Läden öffneten alle um 10 Uhr. So kann man exzessivem Shopping auch vorbeugen. Wir entdeckten dafür lieber die Stadt mit ihren vielen Häusern im Jugendstil. Es war interessant wieder einmal Häuser zu sehen, welche nicht aus Holz gebaut sind – so erfrischend anders. Doch das imposante war eine Stadt zu betrachten, welche praktisch komplett im Jugendstil erbaut wurde. Das sahen wir so wirklich noch nie und die Stadt gleicht sehr einem Museum für diesen Häuserbaustil. So überzogen wir die Parkdauer auch leicht und machten uns erst kurz nach 10 Uhr auf unsere Weiterreise. 





Wir liessen Alesund hinter uns und brausten in den Norden. Das Ziel war heute über den Trollstigen nach Andalsnes zu fahren. Keine weite Strecke und auch eine mit nicht allzu vielen Sehenswürdigkeiten. Eine ersten kleinen Halt machten wir jedoch schon nach kurzer Fahrt bei den Skodje Bru. Zwei Brücken, welche aus Ziegeln und Naturstein erbaut worden sind. Die Bauten vom Beginn des letzten Jahrhunderts sind ebenfalls einmal etwas anderes. Kein Stahl, keine Hängekonstruktion, kein Spannbeton. Wir schossen ein paar Fotos, besuchten den Cache am Fusse der Brücke und fuhren weiter. 




Ein kleiner Halt um den Fjord zu betrachten wurde noch eingelegt. Dieser dauerte jedoch nur kurz. Ein bisschen länger planten wir unseren Halt bei der Gudbrandsjuvet. Eine tiefe Schlucht welche den relativ grossen Fluss Gudbrand einfach verschwinden lässt. Der Ort sah im Reiseführer so romantisch und natürlich aus. Und vor Ort: die Reisebusse stauten sich schon 300 Meter vor dem Parkplatz. Da wussten wir schon wieder was uns erwartet. Wir parkten unser Womo trotzdem und begaben uns durch die Menschenmassen auf die Besucherstege. Diese Stahlkonstruktionen erinnern stark an die Raubtiergänge mit denen im Zirkus die Tiger in die Manege geleitet werden. Sie ziehen sich mehrere Meter im Zick-Zack durch die Gegend. Geradeaus wäre es schneller und kürzer gewesen – aber dann hätten all die Leute ja gar keinen Platz gehabt. Erst ganz am Ende des Steges hingen ein paar Kanzeln über der Schlucht. Und als wir endlich dort waren, waren alle Menschen weg. Als ob die Tiger wirklich kommen würden, machten sich alle auf den Rückweg und wir konnten in Ruhe Fotos schiessen und ein paar Filme aufnehmen. Die Schlucht war wirklich sehr imposant. Beeindruckend wie so viel Wasser sich mit grossem Getöse durch einen so schmalen Felsspalt winden kann. Naturgewalt pur.





Die nächsten Reisebusse fuhren schon auf den Parkplatz und wir wussten, dass wir nun wieder hier weg müssen. Weiter ging es in Richtung Trollstigen, über Strassen welche immer schmäler wurden. Die Fahrzeugauswahl schränkte sich langsam immer mehr ein. Reisebusse, Wohnmobile und wenn einmal ein normaler PKW der Weg kreuzte, prangte ein Aufkleber von Avis, Hertz, Budget und wie sie auch alle heissen am Heck. 5 Kilometer vor dem Ziel entschlossen wir uns einen gemütlichen Picknickplatz anzufahren und unser Mittagessen zu uns zu nehmen. Es gab Naturejogurt mit Nektarinen und unseren gesammelten Heidelbeeren von gestern. Ein gesunder Traum.

Als die Wolken dann auch noch beiseite traten und der Sonne Platz machten, zogen wir weiter. Nicht mehr weit war es nach oben bis zur wohl berühmtesten Serpentinenstrasse Europas. Dem Trollstigsvei oder einfach Trollstigen. Wie erwartet standen hier oben nicht bloss ein oder zwei Fahrzeuge auf dem Parkplatz. Diverse Reisebusse, PKWs und vor allem Wohnmobile parkten dicht an dicht und die Menschentraube drängte sich über einen Steg zum Aussichtspunkt. Auch wir parkten unser Womo und machten es den Touristen gleich. Wir schoben uns an dem Besucherzentrum vorbei – ein riesiger Betonbau, welchen man hier in den schönen Bergfluss gepflanzt hat. Auch der rostige Stahlsteg ragte wie ein Fremdkörper aus der Landschaft, führte uns jedoch zu einem der schönsten Aussichtspunkte, welchen wir je besuchen durften. Die Sicht in das vor uns liegende Tal war der Knüller. Und blickte man hinab, sah man den Trollstigen in seiner vollen Länge. Diverse enge Serpentinen und 10% Gefälle machte den Fahrern der grossen Fahrzeuge das Leben schwer. Es war eine Freude die teilweise überforderten Fahrer bei ihren Manövern zu beobachten. Besonders wenn zwei Reisebusse auf dieser Strasse aufeinander treffen wird es lustig. Plötzlich beobachteten wir sogar zwei Personen, welche sich mit dem Slalomboard (so eine Art Skateboard) die Strasse hinunterstürzten. Und das in einem Tempo, dass sie alle Autos überholten. Krass anzusehen war das. So verbrachten wir hier doch einige Minuten, genossen die Aussicht und die Unterhaltung unter uns. 









Dann war es jedoch an uns die Leute zu unterhalten. Wer mich kennt weiss: nichts lieber als Bergstrassen. Auch mit dem Womo. Also wartete ich bis niemand vor mir war und steuerte dann unser Womo vom Parkplatz auf die Strasse. Leider drängte sich doch noch so ein winziger Elektro-Nissan vor uns, welcher natürlich in unglaublich langsamen Tempo die Passstrasse befuhr. Ein Reisecar aus Holland war jedoch mit unserem Entgegenkommen so überfordert, dass ich unser Womo eine grosse Strecke zurücksetzte, sogar um eine Serpentine herum. Danach war die Strasse vor uns frei und wir konnten die Abfahrt so richtig geniessen. Ich auf jeden Fall. Und Melanie hat sich auch schon fester an den Griff oberhalb der Türe geklammert. Viel zu schnell waren wir unten, doch die Uhr zeigte trotzdem schon 15 Uhr als wir in Andalsnes auf den Stellplatz rollten. Wir mussten uns nun beeilen, da in einer Stunde ja schon das Achtelfinale startete. Und wir mussten ja noch eine Bar oder so finden.

Wir beschlossen uns wieder einmal normale Kleidung anzuziehen. Normal heisst: keine Wanderschuhe, keine Wanderhosen und keine bereits benutzten Pullover. In meiner sauberen Jeans, meinem angenehmen Pullover und den sauberen Turnschuhen kam ich mir schon fast vor wie in einer Verkleidung. Doch so enterten wir das Städtchen und fanden neben ein paar Restaurants und einem fensterlosen Kebapstand gar nichts. Wir suchten uns also ein offenes WLAN um dort zu streamen. SRF und 20Minuten etc. funktionieren ja aus rechtlichen Gründen im Ausland nicht. Aber TV2 Norge hat sich die Rechte der Übertragung für Norwegen gesichert und diesen Sender können wir streamen. Ja wir sind informiert. Nur leider überträgt TV2 dieses Spiel nicht. Nur die Spiele um 20:00 werden übertragen – was soll denn das bitte? Und so begann das Spiel wieder von vorne. Zurück zum Womo stressen, zu Rema 1000 fahren, uns ins WLAN einloggen und merken, dass Schweizer Seiten gesperrt sind und andere Streamingangebote nicht vorhanden waren. Die FIFA duldet wohl kein vorbeisehen an den offiziellen Kanälen. Als letzten Versuch schauten wir uns auf Facebook um, um zu sehen ob jemand dort das Spiel streamt – chancenlos. Da kam uns eine Idee. Whatsapp Videotelefonie. Wir hatten ja WLAN. Und an wen wendet sich ein erwachsener Mann wenn er nicht mehr weiter weiss und Hilfe braucht? Genau: an seine Mami. So wurde kurzerhand meine liebe Frau Mutter wieder vom Sofa hochgescheucht und in unseren Plan eingeweiht. Das Spiel war schon angepfiffen als die gute Frau aus einem Stuhl, diversen CD Hüllen und einem Schuhlöffel uns einen Kameraturm vor ihrem Fernseher baute. Dass dieser ihr selbst die Sicht vom Sofa zum Fernseher versperrte, merkte sie leider erst wieder als sie sich setzte. Aber sie hat ja zum Glück ein riesiges Sofa und konnte sich ein wenig umsetzen. Ja auch wenn alles den Bach runter geht – auf seine Mutter kann man sich eben immer verlassen. 

So sassen wir also in unserem Womo auf dem Parkplatz von Rema 1000. Dieses war nicht gerade am besten Ort geparkt, jedoch an dem Ort wo das beste WLAN vorhanden war. Der Akku meines Handys war dann auch ziemlich genau nach 45 Minuten am Ende. Wir hofften, dass dies nicht auch auf unsere Nationalspieler zutraf. So wurde nach der Pause Melanies Handy zum Glühen gebracht. Doch es half alles nichts. Wie schon im Hockey scheiterten wir auch im Fussball an den Schweden.
(Beim Foto der Konstruktion auf unserer Seite bitte auch das Nutellaglas der Halterung genau beachten)



Es graute uns schon vor der Rückkehr auf den Stellplatz. Schweden sind hier in Norwegen nämlich keine Seltenheit. Wir verabschiedeten uns dankbar von unserer Übertragungsdame am anderen Ende der Leitung und fuhren trotzdem zum Stellplatz. Unauffällig parkten wir uns in die Ecke und kochten Nachtessen. Typisch Schweizerisch gab es ein Hörnli mit Ghackets, welches mit Norwegischem Hackfleisch ein wenig anders, aber trotzdem lecker, schmeckte. Nun ist es noch früh am Abend – gut für mein spannendes Buch. Wir werden wohl noch in die Kristallkugel schauen (oder in den Reiseführer) um zu sehen, was die nächsten Tage so auf uns zukommt.

Und während wir das so taten, fuhr wieder ein weisser VW T5 auf den Platz. Passiert öfters hier. Doch es waren Landsleute. Berner. Doch nicht irgendwelche Berner – nein unsere Nachbarn von letzter Nacht stellten ihr Zuhause doch wirklich gleich wieder neben unseres. Was für ein Zufall. Wir lachten uns entgegen und trafen uns auf einen kleinen Schwatz vor unseren Womos. Dieser dauerte heute ein wenig länger und wir waren überrascht, dass schon beinahe 22 Uhr war, als wir uns von den Beiden verabschiedeten. Es ist immer wieder toll auf diese Art Leute kennenzulernen und sich ein wenig zu unterhalten. Jemand sagte einmal, Reisen ist nicht nur die Länder welche man besucht, sondern auch die Menschen, die man trifft. Keine Ahnung wer es war – doch recht hatte er.

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