Montag, 16. Juli 2018

Das Comeback der Sonne auf den Vesteralen

Wundervoll ausgeschlafen wachten wir heute auf, als der Wecker klingelte. Nichts störte unsere Nachtruhe. Keine Möwen, keine Menschen, keine Autos und keine Naturspektakel. Eine richtig erholsame Nacht war das. Als kleine Zugabe sah auch das Wetter heute gar nicht so schlecht aus. Der Nebel und die Wolken waren ein wenig höher und so war unten auf der Erde die Sicht relativ gut.

Wir nutzten dies und machten uns von unserem Schlafplatz auf den Weg nach Nyksund. Eine Schotterpiste führte uns über einige Kilometer in dieses Fischerdorf an der Aussenkante der Vesteralen. Neben den erfolgreichen Fischern lebten hier auch einige Pelztierzüchter, welche zehntausende Füchse in Zuchtfarmen hielten. Der Ort boomte, was man auch heute noch an den grossen Bryggen erkennen kann. Doch in den Siebzigern kam der Umschwung. Der Staat setzte Umsiedlerprämien aus, um die grösseren Häfen wie zum Beispiel den von Myre im Süden zu festigen. Nyksund wurde verlassen und zum Geisterdorf. Seit 1984 wohnen jedoch wieder Menschen in dem kleinen Ort. Ein Jugendprojekt machte Nyksund bekannt und private Investoren helfen auch heute noch den Ort vor dem Zerfall zu retten und sogar Stück für Stück in den Zustand der glanzvollen Zeiten zu versetzen. Wir entdeckten viele Häuser, welche frisch renoviert oder gerade in Renovation waren, aber auch Gebäude, welche sehr zerfallen sind. So war es eine Mischung zwischen Lost Place und neuem Fischerdorf. Sehr eindrücklich und interessant. Nach einem Rundgang auf dem wir praktisch alleine waren, machten wir uns wieder über die Schotterpiste auf die Weiterreise.





Kurz vor unserem Schlafplatz der letzten Nacht rissen wir einen Nothalt. Da war doch tatsächlich noch ein klein wenig Stockfisch aufgehängt. Eine kleine deutsche Reisegruppe machte sich schon über die Farm her und schoss Fotos. Wir glauben gewissen Leuten fiel nicht einmal auf, dass wir nicht zur Gruppe gehörten. Wir kamen so also doch auch noch in den Genuss Stockfisch zu betrachten. Einiges appetitlicher und weitaus geruchsärmer als die Köpfe auf den Lofoten. 




Wir machten uns auf den Weg zur nächsten Halbinsel, welche ebenfalls noch zu den Vesteralen gehört. Den grossen Abstecher nach Andenes zur Walbeobachtung liessen wir aus. Die 1200 NOK (fast 150 Franken) pro Person waren uns dann doch etwas zu heftig und vielleicht haben wir auf Spitzbergen ja dann Glück, wo wir definitiv eine Schiffsreise unternehmen werden. So bot uns diese Halbinsel nur die Möglichkeit einzukaufen, das Womo zu entsorgen und zu tanken. Eine Fähre (welche uns wieder unter 6 Metern taxierte) brachte uns dann auf die dritte und letzte Halbinsel, welcher wir wieder ein bisschen mehr Beachtung schenken werden. Als wir die Fähre verliessen schien uns diese jedoch nicht nur auf eine andere Halbinsel gebracht zu haben, sondern in eine weit entfernte Destination. Denn plötzlich schien die Sonne und der Himmel war fast durchwegs blau. 



So machten wir uns auf den Weg zum nördlichsten Punkt der Halbinsel. Unser Reiseführer schlug uns dort den Badeplatz Elgsnes vor und der sah im Buch ganz passabel aus. Die Anfahrt selbst war schon ein Spektakel. Erst die wundervolle Sicht über einen kleinen Zipfel des Fjords und auf dem weiteren Streckenverlauf begegnete uns dann auch noch das erste Rentier. Mitten auf der Strasse stand es, machte im Gegensatz zu den Schafen jedoch sofort Platz um uns passieren zu lassen. Ein echtes und lebendiges Rentier in freier Wildbahn. Ein riesiges Erlebnis. Kurz später überwanden wir eine Anhöhe und konnten unseren Blick erneut über einen tollen Fjord schweifen lassen. Wir schossen einige Fotos, welche beinahe die letzten unserer Spiegelreflex geworden wären. Kurz später lag die Kamera auf dem Boden. Hart war sie aufgeschlagen. Doch sie war nicht die Einzige – nein ich fiel mit ihr. Die hinterlistige Leitplanke hatte beim Überqueren nach meinem Schuh gegriffen und heftig daran gezogen. Und so kam es, dass ich mich ordentlich auf die Fresse legte. Inklusive aufgeschürftem Handgelenk und rot glühender Handballen. Melanie war aber so nett und hat mir geholfen. Gleich nachdem sie sich vergewisserte, dass der teuren Kamera auch keinesfalls etwas passiert war. Naja – immerhin kam ein schönes Foto dabei raus. Ich bitte den Leser dieses Foto besonders zu betrachten, nun wo er weiss, wie viel Schweiss und Blut dahintersteckt. 


(Dieses Foto bitte speziell gut beachten)

Auch hier lag eine längere Schotterpiste vor uns, ehe wir an unserem Ziel waren. Diese verschwieg uns der Reiseführer zwar, sie war jedoch gut zu befahren. An ihrem Ende war dann auch wirklich das Ende. Ein Parkplatz für vielleicht zehn Autos und ein wundervoller Strand. Eine Bucht wie aus dem Bilderbuch. Nur das eine dicke Schwemmholz am Strand trübte dessen Reinheit. Doch halt! War das wirklich Schwemmholz? Nein das ist doch... kann das sein? Wir wagten uns langsam an das vermeintliche Holz und waren uns schnell sicher, dass es ein Rentier ist. Ein Rentier, welches hier am Strand liegt und die sommerlichen Temperaturen im Sand geniesst. Wir waren ganz aus dem Häuschen und konnten uns dem Tier auf etwa 20 Meter nähern. Es schien uns nicht wahrzunehmen und blieb liegen. Es stand nur einmal kurz auf um seine Position ein wenig zu verändern und legte sich dann unter lautem Gestöhne wieder hin. Es war sehr eindrücklich sich so einem Rentier in freier Wildbahn so zu nähern und dann noch an einem Traumstrand. Wir waren hin und weg. Kurz später war es dann auch das Rentier und es wanderte ein wenig weiter, blieb jedoch in der Bucht am Wasser stehen. Wir trafen dann noch auf vier Einheimische, welche ebenfalls das Rentier beobachteten. Lange redeten wir über unseren Trip und sie versorgten uns mit einigen Tipps für die Umgebung.




Nun war es aber an der Zeit unsere Badesachen anzuziehen und uns ins kalte Nass zu stürzen. Kalt war hier wirklich wiedereinmal Programm. So kalt war es wohl seit dem Fjord in Flam nicht mehr. Doch erfrischend und belebend war es natürlich auch so und wir verliessen das Wasser erst, als wir bemerkten, dass rund herum überall hunderte von kleinen Quallen mit uns die Bucht teilten. Also schnell zum Wohnmobil und das Salzwasser abgeduscht. Das ungeheizte Wasser schien heute nicht einmal so kalt.




Der weitere Weg führte uns wieder die schöne Strecke zurück, ehe wir nach links in Richtung Harstad schwenkten. Dort legten wir nur einen kleinen Halt ein. Wir besuchten die Anna Rogde. Eine alte Dame, welche einen Weltrekord hält. Sie ist das älteste noch eingesetzte Zweimast-Segelschiff der Welt. Ihre erste Reise bestritt sie 1868 und auch heute läuft sie noch regelmässig aus dem Hafen von Harstad aus. Man könnte in dieser Stadt auch noch das Grottenbad besuchen – was wir auch kurz noch auf dem Schirm hatten. Ein Hallenbad und Spa, welches sich in einer Grotte unter der Stadt befindet. Also total im Untergrund. Hört sich speziell an, sieht speziell aus, ist jedoch vor allem auf Familien mit kleinen Kindern ausgelegt und nicht auf Paare, wie teilweise andere Erlebnisbäder und Wellnessoasen. 



Unser letztes Ziel des Tages lag 30 Minuten südlicher und ist wiederum ein Badeplatz. Von hier soll man einen wundervollen Blick auf die Mitternachtssonne haben, wenn die Sonne dann scheint. Und das tat sie. Wir stellten uns auf den grossen Parkplatz, grillten und liessen uns das Abendessen schmecken. Nun beim Schreiben des Blogs erscheinen langsam die ersten Wolken am Himmel. Keine grossen und nichts schlimmes. Doch wir haben trotzdem schon wieder ein wenig Angst, unsere erste Mitternachtssonne doch noch zu verpassen. Hier in Norwegen ist diese noch knapp bis zum 25sten Juli zu sehen und bis da weilen wir ja noch einige Zeit in Spitzbergen. Dort erwarten wir wegen dem typischen Wetter (bewölkt) keine Mitternachtssonne. Umso mehr hoffen wir auf heute. Ob wir sie wohl sehen werden? Wir wissen es in wenigen Stunden und ihr erfahrt es gleich morgen.

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