Wundervoll nächtigten wir an
diesem stillen Ort am Strand. Bis um 06:30 Uhr jemand mit einem
Rasentrimmer, Laubbläser oder einer Kettensäge ans Werk ging. Wir
wachten zwar auf, drehten uns aber wieder um und dösten weiter. Doch
schon bald lockte uns das schöne Wetter an den Frühstückstisch.
Nachdem wir den Start in den Tag gelegt hatten, machten wir uns zu
Fuss auf den Weg an den Strand, von dem wir nur ein paar Meter
entfernt geschlafen hatten. Es erwartete uns ein wirklich sehr
schöner Sandstrand mit einigen Liegestühlen und einem Kiosk. Ein
Ort an dem wir gut noch ein wenig hätten verweilen können. Doch auf
unserem heutigen Programm stand ja schliesslich der schönste Strand
von Lettland und man munkelt, dort den feinsten Sand Europas zu
finden.
Genau dorthin machten wir uns nun
auf den Weg. Wir befanden uns noch immer in einem Randbezirk von Riga
und das merkte man auch. Die Strassen waren wirklich schlecht und die
Häuser hätten die Bezeichnung Ruinen besser verdient. Wir hielten
immer weiter in Richtung Westen und durchquerten weite Wälder und
Wiesenlandschaften. Die Strasse wurde zu einer Autobahn mit drei
Spuren pro Fahrtrichtung. Und wieder staunten wir über
Fahrradfahrer, welche gemütlich in die Pedalen traten oder
Traktoren, welche teilweise sogar die mittlere Fahrspur benutzten.
Die Autobahn endete dann aber an einer Art Mautstelle. Für die
Gegend, welche wir nun besuchen wollten, musste ein Eintrittsgeld von
zwei Euro bezahlt werden. Wir bezahlten am Automaten und begaben uns
in das Gebiet. Ein erster Halt nutzten wir um zwei drei Dinge
einzukaufen, welche ausgegangen waren, ehe wir durch ein kleines Dorf
tuckerten, das gleich aussah wie die Randbezirke der Hauptstadt. Es
folgte wieder viel Wald und Wiese. Nach einer Weile erschien ein
Dorf. Wir waren gespannt wie es hier wohl aussehen mag und waren mehr
als überrascht. Hier entdeckten wir, wo die Einwohner mit viel Geld
sich also verstecken. Riesige Häuser, Villen, jede Einzelne davon
umzäunt, gesichert und umgeben von einem wundervollen Garten. Ja
beinahe schon ein Park. Vor dem Haus standen hier auch nicht die
üblichen Rostlauben sondern Autos der Marken Audi, Mercedes und BMW.
Eine total andere Welt, welche sich hier zeigte und sich Jurmala
nannte. Kein Wunder befand sich auch in diesem Dorf dieser besonders
schöne Strand.
Wir parkten unser Womo auf einem
der vielen, kostenlosen, Parkplätzen. Schon alleine für das
reichhaltige Angebot der Parkplätze lohnten sich die zwei Euro. Wir
schnappten unsere Badetücher, zogen Badehose und Bikini an und
machten uns auf den kurzen Weg an den Strand. Schon auf diesem kurzen
Weg spürten wir den ausserordentlich feinen Sand unter unseren
Fusssohlen. Der Sand war wirklich feiner als jeder Sand, den wir
jemals an einem Strand antrafen. Das hätten wir hier in Lettland nun
wirklich nicht erwartet. Trotz Lufttemperatur von 20°C und
Wassertemperatur von 18°C konnte man die Besucher am Strand an zwei
Händen abzählen. Dass es hier, am schönsten Strand des Landes, vor
allem in den späten 90er-Jahren ganz anders aussah, entdeckten wir
schon im Internet.
Wir breiteten unser Badetuch aus
und genossen die Sonne. Stundenlang lagen wir einfach so da,
quatschten über Dieses und Jenes und lasen natürlich auf unseren
Tolinos. Ich beendete ein spannendes Buch „Euer Traum war mein
meine Hölle“. Eine Biografie einer jungen Dame welche in der Sekte
„The Family“ (ehemals „The Children of God“) aufgewachsen war
und nach vielen Jahren den Ausstieg aus der christlichen Sex-Sexte
geschafft hatte. Ein empfehlenswertes wenn auch brutales Buch. Es war
schon spät als wir dem Strand den Rücken kehrten und uns wieder in
unser Womo begaben. Melanie betätigte sich auf dem Parkplatz wieder
als Coiffeuse, und bearbeitete meine Haare, danach duschten wir, ehe
wir uns auf die Weiterfahrt begaben.
Zum ersten Mal in Lettland
leuchtete unsere rote LED am Klo, was bedeutete, dass wir eine
Entsorgung aufzusuchen hätten. Dies versuchten wir, bemerkten
jedoch, dass das hier in Lettland gar nicht so einfach ist. In
Norwegen standen in jedem dritten Dorf Entsorgungsstellen. Diese gibt
es hier in Lettland natürlich nicht. Doch auch die WC- Anlagen an
jeglichen Wanderparkplätzen, welche uns in Finnland und Estland die
Leerung erleichterten, waren hier nicht vorhanden. So dachten wir
uns, dass wir eben bei Campingplätzen anklopfen, welche ja wohl eine
Entsorgung besitzen. Doch ohne eine Übernachtung zu buchen, wollte
uns kein Campingplatz unser Klo leeren lassen. Auch nicht gegen ein
kleines Entgelt. Eine angefahrene Tankstelle mit aussenliegendem Klo
brachte dasselbe Ergebnis. Wohin also nun? Wir beschlossen einfach
unser Programm weiter zu verfolgen und wie sagt man so schön: kommt
Zeit, kommt Rat.
Wir setzten unsere Fahrt also in
südlicher Richtung fort und standen schon bald an einer speziellen
Eisenbahnbrücke. Die als „Bridge to Nowhere“ bekanntgewordene
Brücke verbindet Luft mit Luft und das war auch nie anders. 1940
plante man eine Eisenbahnstrecke durch diese Region. Die
Brückenbaugesellschaft war schnell und begann sofort damit die
Brücke zu erstellen, beendete diesen Bau nach einem halben Jahr und
wartete nun auf die Geleise. Doch die Firma, welche die Strecke bauen
sollte war nicht so schnell. Als der zweite Weltkrieg in Europa
tobte, war an einen Weiterbau nicht zu denken und nach dem Weltkrieg
fehlte der Sowjetunion das Geld um dieses Projekt weiter zu
verfolgen. Und so steht die Brücke noch heute hier und führt
einfach ins Niemandsland. Ein echt interessanter Lost-Place, welchen
wir im abendlichen Sonnenschein ausgiebig betrachteten und
fotografierten.
Das nächste Ziel befand sich
nicht weit entfernt. Doch wiedereinmal führe der Weg über eine
staubige Schotterpiste. Zum Glück hatten wir auch heute noch keine
Autowaschanlage gefunden. In dem eher armen Land scheint man sein
Auto wohl nicht in solch öffentlichen Boxen zu reinigen. Unser Womo
wurde jedenfalls noch staubiger, ehe wir den Dolls Garden in Sabile
erreichten. Dieser Garten inmitten des Dorfes wurde über die Jahre
immer wieder mit Puppen verziert, die alltäglichen Arbeiten
nachgehen. Wir schauten uns amüsiert in dem Garten um, fanden viele
Kinder, Menschen bei der Hausarbeit, viel alten Hausrat und sogar ein
Brautpaar. Nachdem die Fotos geschossen waren spazierten wir wieder
zum Womo zurück und entdeckten ein Schild, welches ein WC anpries.
Die öffentlichen Toiletten in
Lettland sind generell immer kostenpflichtig und es sitzt von 08:00
Uhr bis 18:00 Uhr eine Person im Häuschen davor und kassiert die 25
Cent ein. Wie sich das in teilweise abgelegensten Gebiete rentiert
erschliesst sich uns nicht, zeigt jedoch wie froh die Menschen hier
über jeden Cent sind. Da es schon weit nach 18:00 Uhr war, machten
wir uns gar keine Hoffnung, schauten jedoch trotzdem kurz nach. Wir
entdeckten ein ToiToi, welches offen da stand. So konnten wir also
doch noch unsere Toilette ordnungsgemäss entsorgen und beruhigt
weiterfahren. 30 Minuten weiter sollte unser Übernachtungsplatz an
einem See warten. Der Platz war hell erleuchtet und präsentierte
drei Basketballplätze, einen Fussballplatz, diverse
Beach-Volleyballfelder und andere Sporteinrichtungen. Klar war da
natürlich Abends einiges los und die lokale Jugend trieb ihren
Sport, was ja sehr löblich ist. Wir fuhren also nochmals eine halbe
Stunde weiter durch mittlerweile schwarze Dunkelheit. Das Navi lotste
uns durch einen engen Waldweg direkt ans Meer, wo schon ein deutsches
Wohnmobil sein Lager aufgeschlagen hatte. Der Platz reichte jedoch
gut noch für uns. Wir stiegen sofort aus dem Wohnmobil und genossen
das traumhafte Schauspiel. Ein grosser, tiefer, roter Mond erhellte
die Umgebung und spiegelte sich in dem Meer, das mit rauschenden
Wellen an den Sandstrand prallte. Über uns ein wundervoller
Sternenhimmel. Ein traumhafter Platz. Es war jedoch schon beinahe
22:00 Uhr und so fielen wir schon bald müde ins Bett. Mit den
tosenden Wellen als Geräuschkulisse liess es sich gut einschlafen.
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