Freitag, 31. August 2018

Der breiteste Wasserfall Europas und eine bewachte Geisterstadt

Diese Nacht schaffte es seit langem einmal wieder ein Automobilist, mich aufzuwecken. Es war beinahe 02:30 Uhr, als ein Auto neben unser Womo fuhr. Obwohl der Fahrer ausstieg, liess er den Motor und die laute Musik laufen, ging auf das ToiToi-Klo und fuhr danach wieder weiter. Ich drehte mich um und freute mich, dass noch so viele Stunden Schlaf vor mir lagen. Kurz nach dem Erklingen des Weckers bemerkte ich wieder ein Auto, welches sich neben uns stellte. Die Schiebetüre liess ebenfalls ein Womo vermuten. Doch ein Blick aus dem Fenster brachte Klarheit. Es war die Polizei. Die beiden Polizisten betrachteten unser Wohnmobil, packten ihre Kaffeebecher und setzten sich auf eine Bank am See. Bei uns startete der Tag heute mit Arbeit, noch ehe das Frühstück auf dem Tisch stand. Der Blog wurde verfasst, Bilder bearbeitet und hier und da noch was erledigt. Erst dann gönnten wir uns das Frühstück und begrüssten auch Jasmin in den Tag.

Nachdem es gestern spät wurde, hatten wir ein wenig länger geschlafen und natürlich quatschten wir auch heute früh wieder lange. So war es schon nach 11 Uhr als wir losfuhren, was jedoch schon viel früher war als ja noch gestern. Unser erstes Ziel lag nur gerade ein paar Kilometer entfernt in Jurkalne. Wir besuchten eine Reifenwerkstatt, um uns nach neuen Reifen für Jakob zu erkunden. Leider waren keine Reifen in seiner Grösse an Lager und so zogen wir weiter. Um die Ecke hatten wir bei der Anfahrt eine Autowaschanlage entdeckt und so konnten wir endlich unser Wohnmobil in einen einigermassen sauberen Zustand versetzen. Wir putzten nicht stundenlang an unserem Zuhause herum aber trotzdem hatte ich wohl noch nie für 3 Euro so lange Auto gewaschen. Sauber ging es nun weiter und wir waren uns sicher, dass wir bald an der nächsten Schotterpiste stehen werden.

Zum berühmten Strand in Jurkalne führte dann zwar eine Sandpiste, was jedoch nicht annähernd so schlimm war wie die Schotterpisten. Es war schon Mittag und wir beschlossen uns in unserem Wohnmobil gleichzeitig den Regen vorbei ziehen zu lassen und zu Mittag zu essen. Der Regen liess wirklich nach als wir kurz später an die sandige Klippe des Strandes spazierten. Der Weg endete an einem, aus Holz nachgebauten, Bug eines Schiffes. Hoch über dem wundervollen Strand thronte dieses Holzkonstrukt und bot sich als Titanic-Fotokulisse an – das Holz an gewissen Stellen war schon abgenutzt. Wir betrachteten den Strand und schossen einige Fotos. Noch immer waren wir überrascht mit welch traumhaften Stränden Lettland aufwartet. Bei so schlechtem Wetter hatten wir aber nicht so Lust hier am Strand lange zu verweilen und machten uns auf die Weiterreise. 



Als nächstes wartete auf uns ein Wasserfall. Doch der Ventas Rumba ist nicht einfach ein Wasserfall. Nein. Es handelt sich dabei um den breitesten Wasserfall Europas. Doch auch hier dar man keinen Wasserfall im Stile des Rheinfalls oder so erwarten. Der breiteste Wasserfall Europas ist nämlich gerade mal 1,5 Meter hoch. Wir parkten also schon bald im schönen Dörfchen Kuldiga und spazierten durch die schönen Häuser und eine Parkanlage an den Wasserfall. Obwohl dieser nicht hoch war, schaffte es der Wasserfall und die gesamte Umgebung doch uns zu beeindrucken. Ein wirklich schöner Ort. Dies bemerkten wohl auch zwei Menschen, welche sich hier in der Gegend das Jawort gaben und gerade am Wasserfall mit Fotos beschäftigt waren. Bald verzogen sich die jedoch wieder und wir hatten den Wasserfall beinahe für uns alleine. Ein toller Ort, welcher mit einer schönen Aussicht und spezieller Stimmung sehr zu gefallen wusste. 






Spezielle Stimmung erwarteten wir nach einem kurzen Einkaufs-Halt auch an unserem nächsten Stopp. Skrunda 1 heisst die Geisterstadt, welche mitten in Lettland am zerfallen ist. Ehemals ein sowjetischer Armeestützpunkt ist es heute ein Paradies für Leute, welche sich gerne LostPlaces ansehen. Doch schon als wir den Ort im Google-Maps suchten, tauchten komische Rezensionen auf. Einige davon behaupteten, Skrunda 1 werde wiederbelebt und sei von der Armee abgeriegelt worden. Irgendwie konnten, oder wollten, wir das nicht glauben und fuhren trotzdem hin. An der Hauptstrasse war dann auch nur eine alte, geschlossene Schranke und ein Fahrverbotsschild. Das war ja noch ganz üblich. Wir parkten unsere Mobile und wanderten los. Schon nach kurzer Marschzeit erblickten wir die ersten Häuser der Stadt, welche nach wie vor ruhig und zerfallen vor uns lag. Bei näherem Hinsehen entdeckten wir aber schon bald einen neuen Baucontainer sowie einige Gegenstände, die wie ein moderner Fremdkörper in der Umgebung lagen. Wir wanderten noch ein wenig weiter und schossen Fotos. Wir stoppten erst, als ein Schild uns das Begehen des Geländes eindeutig verbot. Von diesem Schild aus konnten wir auch ganz klar zwei Menschen entdecken, welche im Baucontainer sassen. Uniformiert. Wir überlegten lange, ob wir jetzt einfach umkehren sollten oder ob wir die Beiden anquatschen möchten. 



Wir entschieden uns für Zweiteres und liessen die „Betreten verboten“-Schilder links liegen. Wir waren schon fast am Container angekommen als natürlich einer der beiden Uniformierten uns entdeckte und aus seinem Häuschen auf uns zukam. Der Mann im Tarnanzug sprach perfektes Englisch und erklärte uns sehr sehr freundlich, dass im Internet leider falsche Informationen zu finden sei und dies nun eine militärische Einrichtung sei. Natürlich baten wir nett darum, ein paar Fotos im Innern der Anlage schiessen zu dürfen, was er jedoch freundlich ablehnte. Dies erwarteten wir ja auch so. Was wir nicht erwarteten war, dass uns der uniformierte Soldat erlaubte von dem Eingang aus Fotos der Stadt zu schiessen. Hier im Osten ist das Fotografieren von öffentlichen oder vor allem militärischer Bauten normalerweise keine gute Idee. Darum waren wir echt überrascht, verabschiedeten uns von dem Soldat und stellten uns vor den Eingang. Ich hob die Fotokamera und drückte ein erstes Mal ab. Da knallte es plötzlich. Der zweite Soldat sprang wie von der Tarantel gestochen hoch und polterte wie wild von innen an seine Glasscheibe und schrie mehrmals „NO FOTO!“. Der Typ rastete wirklich komplett aus und konnte erst durch seinen freundlichen Kollegen beruhigt werden, der danach jedoch wieder nach draussen kam und uns mitteilte, es wäre wohl doch nicht erlaubt hier Fotos zu schiessen. So machten wir uns wieder vom Gelände und lachten noch eine Weile über den zweiten Soldaten, der einem Herzinfarkt nahe war.




Es regnete noch immer und wir beschlossen, dass wir uns noch auf den Weg zurück an die Küste begeben. So fuhren wir eine Stunde durch den Regen ehe wir, nach einer Schotterpiste, einen wundervollen Strand erreichten. Ein französisches Wohnmobil war gerade auch angekommen und die beiden erzählten uns, dass auch sie den Platz aus der Park4Night App hätten. Gerade als wir den Strand erreichten, riss die Wolkendecke auf und die Sonne schien auf unsere Womos. Wir erkundeten freudig den Strand, ehe uns der Hunger zurück zum Womo trieb. Wir assen draussen und quatschten wieder über dies und das. 




Nach dem Essen nahm ich mir jedoch vor, mich um E-Banking und Blog zu kümmern. So riss ich mich von den beiden Mädels los und setzte mich ins Womo. Ich kam noch nicht einmal dazu den Laptop einzuschalten als ein weisser VW T5 mit grünem Streifen auf den Platz fuhr. Schon wieder die Polizei, dachte ich mir, ehe ich das deutsche Kennzeichen erblickte. Halt Stopp! Ein VW T5 vom deutschen Zoll? Das kann doch nicht... das wird doch nicht... Ich rannte aus dem Womo und zu dem T5 und doch... es war Jonas. Jetzt muss sich sogar der aufmerksame Leser gut zurückerinnern. Wir schrieben den 31. Juni als wir Jonas an einem abgelegenen Leuchtturm inmitten Norwegens trafen. Er war einer der dreien, mit denen wir damals am Lagerfeuer bis 2 Uhr in der Früh Marshmallows grillten und Bier tranken. Genau 2 Monate war das nun her. Und so wie wir uns damals mitten im Nirgendwo trafen, so trafen wir uns auch heute wieder an einem Ort, welcher kaum einer je besucht. Wir waren alle völlig baff, dass dieser Zufall nun wirklich eingetroffen war. Natürlich waren alle Pendenzen schnell beiseite geschoben und Jonas setzte sich mit seinem Stuhl zu uns. Wir hatten uns viel zu erzählen, was zwischen unserer Begegnung alles so los war, da er ja dieselbe Route fuhr wie wir. Es wurde wieder ein langer Abend und als wir wieder weit nach Mitternacht im Bett lagen, mussten wir noch immer lachen, dass wir wirklich Jonas wiedergetroffen hatten.


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