Donnerstag, 23. August 2018

Von abgestürzten Piloten, verliebten Schlossherren und riesigen Himmelskörpern

Kurz nach dem Essen fuhr gestern ein uns bekanntes Auto vor. Die zwei Mädels erkannten wir ebenfalls auf den ersten Blick. Am Jägala-Wasserfall begegneten die Beiden uns schon einmal und der war doch über 50 Kilometer entfernt. Zudem standen wir hier echt am Arsch der Welt unter ein paar Kiefern am Meer. Zufälle gibt es. Wir quatschten lange und so war es schon dunkel als wir uns ins Womo verzogen und die Nacht einläuteten.
Als der Wecker klingelte, hatten die beiden deutschen Damen ihr Zelt schon zusammengeräumt und wir verabschiedeten uns noch kurz und erhielten netterweise viel nützliches Infomaterial über Lettland, welches sie schon besuchten und wir noch vor uns haben. Wir verliessen ziemlich zügig den Platz, da wir es gestern versäumten Brot einzukaufen und so kein Frühstück hatten. Somit war das erste Ziel klar: ein Rimi, etwa 15 Minuten entfernt. 




Auch Estland ist, wie Finnland oder Irland, ein Land in dem es einfach kein Brot gibt. Eine riesige Abteilung mit Toast, Croissants, Donuts, Berlinern – aber kein einziger Laib Brot. So deckten wir uns mit einer Art Toast ein. So gross war der Hunger nicht und wir fuhren nochmals eine Viertelstunde bis zu unserem ersten Ziel. Dort starteten wir dann aber mit Frühstück, ehe wir uns auf Entdeckungsreise begaben.

Nach dem Frühstück waren wir bereit den traurigen Ort zu besichtigen. Ein ganz spezieller Friedhof wartete am Rande des Ämari Militärflughafens im Wald. Hier wurden die Piloten, welche von diesem Flughafen für die Sowjetunion starteten und nicht planmässig wieder vom Himmel kamen, beerdigt. Das spezielle daran: wenn immer noch möglich wurde die Heckflosse des Flugzeuges mit welchem der oder die Piloten ums Leben kamen auf ihr Grab montiert. Dies schaffte hier inmitten des Waldes eine sehr mystische und surreale Stimmung und machte diesen Besuch zu etwas ganz speziellem. Wir spazierten über den Friedhof und schossen Fotos ehe wir uns wieder zum Womo begaben. Ein Kampfjet startete soeben und machte sich laut auf den Weg zu seiner Mission. Hoffen wir, dass der Jet und sein Pilot heil wieder zurückkehren. 




Auch unser nächster Stopp hatte seinen Ursprung in der Sowjetunion. An diesem speziellen Ort wurden Straftäter gefangen gehalten und in der dort ansässigen Mine zum Arbeiten verdammt. Doch leider buddelten die Gefangenen irgendwann zu tief und die ganze Anlage füllte sich mit Grundwasser. Heute befindet sich auf dem Areal ein See aus welchem die teilweise versunkenen Gebäude noch hinausragen. In Kombination mit dem klaren, blauen Wasser ergibt sich dabei ein wundervolles Fotomotiv. Das Gelände war am ehemaligen Haupteingang komplett verschlossen und mit viel Stacheldraht gesichert. Doch dies wussten wir aufgrund unserer Internetrecherche. Doch wir brachten auch Koordinaten in Erfahrung von einem kleinen Mauerabschnitt an der Seite, welcher eingestürzt war und somit einen einfachen Eingang bot. Bald waren wir dort angekommen und mussten feststellen, dass auch dieser Ort mittlerweile verbarrikadiert war und mit Stacheldraht und Schildern ein Betreten zu verhindern versucht wurde. Wir entschlossen uns das Areal nicht zu betreten. Ein Vorbeikommen an der Umzäunung wäre möglich, doch es ist klar ersichtlich, dass man uns hier nicht haben möchte und wir wollten keinen Ärger. Am Haupteingang entdeckten wir noch, dass das Gefängnis von Freitag bis Sonntag jeweils 12 bis 16 Uhr besichtigt werden könnte – für 3 Euro. Doch es war noch nicht 12 Uhr und sowieso erst Donnerstag. Als wir weiterfuhren machten sich vier Insassen eines polnischen Fahrzeuges mit viel Kameraequipment auf den Weg zum Seiteneingang. Ob sie es wagten? 




Wir stellten uns auf eine längere Fahrt ein, stellten die Sitze auf gemütlich und die Musik auf Roadtrip. Perfekt. Bevor wir unser nächstes Ziel erreichten, legten wir noch einen unplanmässigen Stopp ein. Wir entdeckten viele abgestellte, alte Züge auf diversen Gleisen eines ausgedienten Bahnhofes. Natürlich stiegen wir aus um uns die Stahlkolosse anzusehen und ein paar Fotos zu schiessen. Die riesigen Fahrzeuge erinnerten uns gleich wieder an den letzten Fahrzeugfriedhof, welchen wir ja auch diese Woche in Estland besucht hatten.



Nun erreichten wir aber bald unser eigentliches Ziel. Das Ungru Manor mag auf den ersten Blick wie eine normale Ruine aussehen. Doch dahinter steckt einiges mehr an Geschichte. Der Inhaber dieser tollen Parzelle machte sich 1890 auf den Weg ins deutsche Halle, da er dort auf Schloss Merseberg eingeladen wurde. Der Herr verliebte sich in die dort wohnhafte Prinzessin und so besuchte er das Schloss noch zwei weitere Male um beim dritten Besuch die Prinzessin zu bitten, ihn nach Hause zu begleiten. Doch die Prinzessin wollte nicht mit dem Herrn mitreisen. Der Grund war das tolle Schloss ihres Vaters, welches ihr so sehr gefiel, dass sie es nicht verlassen wollte. Also begann der Verliebte auf dieser Parzelle das Schloss Merseberg eins zu eins nachzubauen. Leider wurde das riesige Bauwerk dann aber nie fertiggestellt, da die Prinzessin drei Jahre später nach langer Krankheit verstarb. So stand nach der traurigen Liebesgeschichte viele Jahre ein nicht fertig gebautes Schloss hier. Dies änderte sich erst viele Jahre später als die Sowjetunion an dieser Stelle ein Flugfeld für Kampfhandlungen baute. Um die Betriebsgebäude zu errichten bediente man sich an so vielen Materialien des Schlosses wie nur zu greifen waren. Wir waren aber dann doch überrascht von der Grösse, welche die Ruine auch heute noch hat. Man erkennt die vielen riesigen Bogen und auch die oberen Fensterbereiche mit dem Etagendach lassen noch gut die Parallelen zu Merseberg erkennen. Genau nahmen wir die Ruinen unter die Lupe, kraxelten hier und dort durchs Gemäuer und schossen Fotos. Ein älteres Ehepaar aus dem Kanton Bern parkte ihr Womo kurz später auf dem Parkplatz und wir quatschten noch eine ganze Weile ehe wir uns noch kurz zum mittlerweile ebenfalls verlassenen Flughafen begaben. Dieser war dann aber nicht so interessant und wir zogen weiter. 





Lange dachten wir, dass die Fähre von Helsinki nach Tallinn wohl die letzte auf unserer Route sein wird. Doch dem war nicht so. Wir entschlossen uns hier in Estland doch noch eine Fähre dranzuhängen und uns vom estnischen Festland auf die Insel Saaremaa zu begeben. Wir erreichten den sehr modernen Fährhafen gerade rechtzeitig und konnten nach dem Bezahlen der 14 Euro gleich auf das Schiff fahren. Nach knapp 30 Minuten erreichten wir die Insel und fuhren von Board. Die Insel war viel weniger besiedelt als das Festland und die unendlichen Weiten begeisterten uns auch hier. Endlose Ebenen wechselten sich mit dichten Wäldern ab. Nach 45 Minuten erreichten wir unser nächstes Ziel. Kaali hiess das Dorf, welches als nächstes auf unserer Route lag. Kaali ist bekannt für einen Krater, welcher gleich am Rande des Dorfes auf uns wartete. Ein Meteorit von 20 – 80 Tonnen traf hier auf die Erde und hinterliess einen Krater mit 110 Metern Durchmesser und 22 Metern Tiefe. Nur vereinzelte Teile des Himmelskörpers wurden hier noch entdeckt und man konnte feststellen, dass dieser praktisch zu 100 Prozent aus Eisen bestand. Nur kleine Nickel-Spuren verunreinigten den Körper, welcher vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre ungefähr 400 bis 10'000 Tonnen wog. Heute erinnerte wie gesagt nur noch der riesige Krater an den Einschlag. Es war spannend am Krater entlangzulaufen und auch in diesen hinab zu steigen. Obwohl schon sehr sehr viele Jahre vergangen waren, war der Krater noch immer da und die Geschichte irgendwie zum Greifen nahe. 




Es war schon spät geworden und der Hunger meldete sich schon langsam. Wir schauten also auf unsere App und entdeckten schon bald einen schönen Platz direkt am Meer, welcher einen ruhigen und gemütlichen Abend versprach. Kurz später waren wir auch schon da. Nur etwa 50 Meter führte uns eine Sandstrecke von der Hauptstrasse ans Ufer des Meeres. Dort erwartete uns eine grosse, ebene, grüne Fläche direkt am Meer. Kein Mensch weit und breit und nichts im Sichtfeld ausser der Wiese und dem Meer. Ein Traum. Sofort wurden die Stühle aufgestellt und der Grill eingeheizt. Mit den letzten Sonnenstrahlen gönnten wir uns ein leckeres Nachtessen und betrachteten das ruhige Meer. Hier werden wir sicherlich noch einen gemütlichen Abend verbringen und wohl auch eine sehr ruhige Nacht. 


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