Donnerstag, 2. August 2018

Ende der Hitzeperiode und der Weg nach Osten

Gestern Abend gönnten wir uns noch einen kleinen Abendspaziergang. In den nächsten zehn Tagen soll das Wetter nicht mehr so sommerlich sein, was der frische Wind schon bei dieser kleinen Wanderung anzeigte. Ins Bett legten wir uns kurz vor Mitternacht noch bei schönstem Sonnenschein. Als ich um drei Uhr in der Früh das erste Mal aufwachte, weil der Wind unser Bett schaukelte, war es jedoch schon um das schöne Wetter geschehen. Auch als der Wecker uns um Acht aus dem Bett klingelte beherrschte Grau das Landschaftsbild. Wir frühstückten also und sahen uns unsere Tagestour an, deren erster Teil ja vor allem aus Fahren bestand. 





Denn schon nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns vom Womo-Nordkapp und fuhren die 130 Kilometer zurück auf die 98, welche wir bei Ifjord für den Abstecher nach Gamvik verlassen hatten. Alleine diese Fahrt über die beiden Fjelle dauerte wieder über zwei Stunden, wobei wir auch noch einen oder zwei Halte für Fotos einlegten. Es war sehr spannend zu sehen, wie das Fjell heute bei Nebel ganz anders wirkte als gestern bei strahlendem Sonnenschein. Während gestern ein blauer Himmel, glasklare Seen und sattes Grün ein kleines Paradies darstellten, warteten heute dunkle Töne und schwarzes, unruhiges, böses Wasser in wilden Pfützen. Alles wirkte härter und ja – nördlicher. So hatten wir uns eigentlich den ganzen Sommer im hohen Norden vorgestellt, beschwerten uns jedoch auch niemals über die Sonne und die warmen Temperaturen. 




Wir verfolgten auf der 98 wieder die Schilder, welche uns nach Kirkenes in den östlichsten Teil Norwegens wiesen. Doch bis dahin sind es wohl noch ein paar Tage. Jetzt erwartete uns dafür wieder ein interessanter Streckenabschnitt. Eine Mischung zwischen Gebirgspass und Fjell. Immer wieder entdeckten wir kleine Felder, in welchen die Steine weinrot bis fast lila schimmerten, als wären sie angemalt worden. Die Felder wurden immer grösser und als wir einen Picknickplatz entdeckten, welcher praktisch nur aus diesen Steinen bestand, mussten wir halten. Auf dem Infoschild fanden wir dann Infos über die ganze Region, leider aber nicht über das Gestein. Speziell ist, dass nur die oberste Schicht weinrot ist, bricht man den weichen Stein, ist er innen grau mit einem knappen Millimeter Überzug – auch so sieht er also aus wie angemalt. Vielleicht schleichen hier nachts die Trolle herum und malen Steine an. Wer weiss. 




Im weiteren Verlauf entdeckten wir riesige Rentierherden. Drei Herden zu locker 200 Tieren. Wir waren überrascht, so grosse Mengen der uns ans Herz gewachsenen Tiere zu sehen. Scheint wohl ein Zuchtgebiet zu sein, falls jemand wieder im Coal Miners Diner auf Spitzbergen einen Burger bestellt. Immerhin leben die Tiere hier auch in der Zucht in Freiheit und in gigantischen Gebieten. Der Gedanke an den Burger in Spitzbergen machte hungrig und so hielten wir an der Kirche von Tana um uns zu verpflegen. 



Nachdem wir die unheimlich spitze Kirche fotografiert hatten, rollten wir ein paar hundert Meter weiter an eine Tankstelle. Der Tank war knapp unter der Hälfte und den Fall unter einen Viertel sollte man hier im Niemandsland von Nordnorwegen möglichst vermeiden. Leider unterscheiden sich die Preise von Dorf zu Dorf gerne mal um 12 Rappen pro Liter (!!!) und es kommt öfters vor, dass man tankt, weil man eben muss und ein Dorf später kommt dann genau eine Tiefpreistankstelle. Leider kann man das nie wissen, da nicht immer die gleiche Kette die günstigste ist. Hier hatten wir wieder ein bisschen eine teurere Tankstelle gefunden, dafür fiel mir gleich die anschliessende Pneu-Werkstatt auf. Zwei Wagenheber und der Druckluftschrauber lagen schon draussen. Das hatte ich seit Tagen gesucht. Die Reifen vorne nutzen sich bei einem Fahrzeug mit Frontantrieb eben schneller ab als die hinten. Die vorne waren noch ganz okay und die hinten noch sehr gut. Für eine gleichmässigere Abnutzung und somit eine weitere Reichweite wollte ich schon seit geraumer Zeit die Räder wechseln, sprich die hinteren nach vorne und umgekehrt. Ich lief also frohen Mutes in die Tankstelle und fragte ob die Werkstatt zu ihnen gehöre, was der Herr bejahte. Als ich ihm jedoch erzählte, dass ich etwas wollte, das mit Arbeit verknüpft ist, war natürlich wieder schlechte Stimmung. Augen wurden verdreht, Uhren angesehen, laut geschnauft. Die zwei Angestellten, welche ohne Kundschaft in einer Tankstelle die Kasse bewachten, konnten sich aber schlecht drücken und so erbarmte sich einer und wies uns relativ schroff an, wie wir das Auto zu parken hätten. 15 Minuten später waren die Räder gewechselt und 200 NOK (25 Franken) hatten den Besitzer gewechselt. Der Preis war völlig okay, der Service typisch Norwegen. Nichteinmal ein Auf Wiedersehen brachte man zur Verabschiedung über die Lippen.

Noch bevor wir die nächste Ortschaft, Tana Bru, erreichten, entdeckten wir links von uns den Tanafluss. Dieser Fluss zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass er riesige Bänke aus gelbem Sand anhäuft, welchen er mitführt. Der Sand hat Strandqualität, optisch und gefühlt wie im Sommerurlaub in Italien. Wirklich ein spannender Ort, welcher jedoch aufgrund eines fehlenden Geocaches anderweitig signiert werden musste. 





In Tana Bru kauften wir noch schnell ein paar Dinge im Rema ein, ehe wir wieder auf die E6 trafen, welche wir irgendwo zwischen Nordkapp und Lakselv verloren hatten. Diese verfolgten wir jedoch auch wieder nur ein paar Kilometer, ehe wir zum nächsten Abstecher ansetzten. Dieser war mit 180 Kilometern noch länger als derjenige nach Gamvik. Wir wussten jedoch beim Abbiegen auf die E75 noch nicht, ob wir die vollen 180 Kilometer bis nach Hamningberg fahren. Wie immer nahmen wir alles spontan und besuchten Ort um Ort, fuhren einfach drauflos.

In Nesseby fanden wir dann eine Kirche, welche wesentlich traditioneller schien als noch diejenige von Tana. Wir schossen Fotos von der im Nebel mystisch wirkenden Kirche und wunderten uns über die vielen Leute. Doch ihre riesigen Objektive verrieten uns, dass sie wohl eher nicht die Kirche fotografierten, sondern auf der Suche nach Vögeln sind. Da wäre ich mit meinem 10 – 18mm Weitwinkelobjektiv definitiv am falschen Ort und so machten wir uns auf die Weiterreise. 



Diese führte uns zum nächsten Halt – einem Vogelfelsen. Nun also doch vögeln Vögel fotografieren. Wir wanderten etwa 10 Minuten bis an die Klippen am Meer. Das spannende: wir standen nun oben am Vogelfelsen und sahen wie unter uns die vielen Möwen in die Felswand zu ihren Nestern flogen. Wundervoll der Kontrast der schneeweissen Möwen zu den dunkeln, nassen Felsen und dem satten Grün. Gerne würde ich Fotos präsentieren – nur leider hatte ich noch immer vorhin erwähntes Weitwinkelobjektiv an der Kamera. Damit liess sich die Möwe auf die Grösse eines Stecknadelkopfes heranzoomen. Ein weisser Fleck im Bild und nicht mehr. Doch auch die Natur hatte es sich hier in sich. Lange sahen wir kein so schönes Grün mehr, welches sich hier zwischen die Felsen legte.




Nun ging es langsam dem Abend zu doch wir hatten noch einen letzten Besuch vor. An einem Ort, welcher absolut unspektakulär erscheint, jedoch geschichtlich ein wichtiger Punkt darstellt. Nach einem kleinen Spaziergang erreichten wir einen roten Stahlturm, von welchem die Farbe abblätterte und der schon lange ohne Zweck hier zu stehen scheint. Und das stimmt auch. Der Mast wurde in den zwanziger Jahren zuletzt genutzt und dies um Luftschiffe anzuketten. Ein Zeppelinbahnhof also. Doch von hier legten nicht irgendwelche Luftschiffe ab. Nein. Hier legte die „Norway“ ab, welche unter der Führung von Umberto Nobile und Roald Amundsen zum ersten Mal den Nordpol überflog. Nur zwei Jahre später startete auch die „Italia“ mit Umberto Nobile hier ihre Reise zum Nordpol. Leider wurde sie vom Wind zerfetzt und die Besatzung strandete im ewigen Eis am Nordpol. Bei der Befreiungsaktion konnten viele der Besatzung gerettet werden, einige der Rettungstruppe, unter anderem ihr Anführer Roald Amundsen, fanden in der Kälte jedoch den Tod. Ein wahrlich geschichtsträchtiger Ort also, der von den meisten Vorbeifahrenden wohl einfach als alter Strom- oder Radiomast abgetan wird. 




Nach diesem Besuch beschlossen wir, dass wir heute nur noch bis Vardo fahren würden, was noch immer eine Stunde dauern würde. Die Fahrt war neblig und teils von heftigen Regenfällen begleitet. Trotzdem fiel mir plötzlich etwas auf, weswegen ich auf der Hauptstrasse einen Stopp zog. Ich stellte das Wohnmobil seitlich an die Strasse, halb auf dem Teer, halb im Wiesland. Macht ja nichts, zumal hier nur alle 10 Minuten ein Auto lang fährt. Ich stieg aus und musste leider einsehen, dass ich recht gesehen hatte. Zwei Schafe waren auf einer kleinen Insel im Meer vom Wasser eingeschlossen worden. Die Flut schien sie abgeschnitten zu haben und die Schafe blökten laut von der kleinen Erhebung, welche gerade knapp Platz für die Beiden bot und immer wieder von den Wellen überspült wurde. Können Schafe schwimmen? Eigentlich kann das ja jedes Tier. Doch die Verzweiflung war den Schafen anzusehen und es wären ja nur 5 Meter gewesen. Während wir überlegten, ob und wie wir den Schafen helfen könnten, ernteten wir von den Norwegischen Autofahrern nette Grüsse mit Mittelfingern und lautem Fluchen. Ein so schönes Land – bewohnt von so unfreundlichen Menschen. Wir konnten nicht mit gutem Gewissen verschwinden, wussten aber auch nicht was tun. Plötzlich entschied sich ein Schaf jedoch zum Sprung in das Wasser und erreichte gut das Ufer. Das Zweite tat es ihm gleich und schon kurz später grasten die Beiden auf der Wiese als wäre nie etwas gewesen. Wir fuhren beruhigt weiter.

Nach einem weiteren Unterwassertunnel erreichten wir dann die Insel Vardoy mit der Orschaft Vardo, wo wir unseren Übernachtungsplatz zwischen vielen anderen Womos am Meer einnahmen. Wind und Regen hindern uns am Verlassen der warmen vier Wände und so gibt es nach dem Nachtessen ein Videoabend mit den eigenen Videos, welche Melanie immer macht, mit anschliessendem Lesen im kuscheligen Bett. 

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