Bei Zeiten klingelte heute der
Wecker. Und dies nach einer unruhigen Nacht. Der Wind blies die ganze
Nacht hindurch und immer wieder fielen Eicheln und kleinere Äste auf
das blecherne Womodach. Um 4 Uhr morgens hatte der Sturm seinen
Höhepunkt erreicht und wir lagen eine ganze Weile wach. Doch wir
mussten uns nach dem Frühstück auf den Weg machen, lag doch eine
lange und spannende Fahrt vor uns.
Noch eine Stunde zeigte das Navi
bis zur ukrainischen Grenze. Auf dieser Strecke leerten wir noch
Abwasser sowie Klo und füllten noch Frischwasser nach. Man weiss ja
nie wie froh man um dies in der Ukraine dann ist. Die Infrastruktur
für Camper soll da ja erwartungsgemäss nicht sehr gut sein. Nach
anderthalb Stunden standen wir dann aber wirklich am Zoll und waren
gespannt, was uns nun erwarten würde.
Zuerst kam die Ausreise aus
Polen. Ein sehr netter Zollbeamter begrüsste uns und verlangte Pässe
und Fahrzeugdokumente von uns. Als wir ihm diese übergaben wollte er
noch einen Blick ins Innere werfen. Zuerst öffnete er eine Abdeckung
im Fussraum auf der Beifahrerseite. Dort versteckte sich die
Chassis-Nummer, welche er mit der aus dem Fahrzeugausweis verglich.
Anschliessend folgte eine kurze Kontrolle des Innenraums. Er schaute
schnell in das Bad, den Schrank und unter das Bett. Wir hatten das
Gefühl, es ging lediglich darum, dass sich keine weitere Menschen im
Fahrzeug verstecken. Ansonsten wurde nichts angesehen und auch nichts
gefragt. Er verschwand mit den Pässen für etwa 5 Minuten und nach
insgesamt 10 Minuten waren wir aus Polen ausgereist. Das ging
erwartungsgemäss schnell. Doch waren wir ein wenig nervös, was uns
nun bei der Einreise erwarten würde.
Als erstes entdeckten wir auf der
kurzen Fahrt durch das Niemandsland etwa 20 Menschen, welche in
Tarnanzügen mit Waffen und Hunden am Rande der Strasse standen. Wir
bemerkten aber schnell, dass es sich bei dieser Armee-Equipe um Leute
handelte, welche hier an einer Übung teilnahmen. Wir konnten sie
passieren und wurden kurz darauf vom ersten Zollbeamten begrüsst.
Dieser fragte, ob wir unter Personen- oder Sachtransport fallen
würden, notierte danach die Personenanzahl und das Nummernschild auf
einem Zettel und händigte uns diesen aus. Mit diesem Zettel standen
wir ein paar Meter später am Zollgebäude. Wir wussten nicht
wirklich was tun, schauten es uns bei den Menschen vor uns ab. Es gab
zwei Fenster, welche besucht werden mussten. Beim ersten Fenster
wurden uns Pässe und Fahrzeugpapiere abgenommen und das Fenster
schloss sich. Nach ein paar Minuten bekamen wir die Dokumente zurück
mit dem Hinweis: „Next window“. So besuchten wir Fenster Nummer
zwei, bei welchem erneut unsere Pässe eingezogen wurden. Eine nette
Dame kam derweil nach draussen und fotografierte unser Heck mit dem
Nummernschild und Innenraum von hinten bei geöffneter Türe. Wozu
dies gut sein soll? Keine Ahnung. Wir erhielten unsere Pässe und den
Zettel zurück, jedoch keine Anweisungen, wie wir weiter verfahren
sollten. Nachdem wir in Weissrussland zu früh losziehen wollten und
angeschnauzt wurden, beschlossen wir hier einfach einmal zu warten.
Dies wurde kurz später jedoch auch nicht goutiert und eine
Zollbeamtin scheuchte uns mit einem wilden „Go! Bye Bye!“ vom
Platz. Wir fuhren also weiter und waren wiederum gespannt was folgen
würde. Die Armee blockierte kurz später die Strasse um ihre Übung
abzuhalten und kontrollierte gerade mit den Hunden ein
Übungsfahrzeug. Sie machten schnell Platz als wir kamen und ich fuhr
durch den Zoll ohne zu wissen wo es lang geht oder wo ich hin möchte.
Plötzlich standen wir an einem grossen Eisentor vor welchem ein
Zollbeamter unseren Papierzettel einzog. Als er diesen ansah, öffnete
sich das grosse Tor und wir waren erfolgreich in die Ukraine
eingereist. Dauer der Zollkontrolle: 15 Minuten. Alles easy. Wir
waren vor allem überrascht, dass keiner in unser Auto sah oder
fragte, was wir denn dabei hätten. Pässe und Fahrzeugpapiere –
das war alles.
Wir waren also wirklich in der
Ukraine. Schon 200 Meter nach der Grenze bemerkten wir dies auch
schon in einem kleinen Kulturschock. Die Autos, welche die Ukraine
verlassen wollten, standen kreuz und quer auf der Strasse. Es kamen
uns Fahrzeuge auf unserer Spur entgegen, welche sich als
Geisterfahrer an den Zoll vorzudrängeln versuchten. Immer wieder
mussten wir ausweichen – ab und zu auch auf den Grünstreifen –
und das bei voller Fahrt. Die Fahrzeuge waren dann auch plötzlich
älteren Baujahres. Die Strasse glich teils einem Lada-Museum und die
Lastwagen, welche wir erblickten, waren mehr als nur kriminell. Bei
Einem wackelte die gesamte Hinterachse und zwei Räder eierten so
stark, dass man nicht wusste wo die noch halten. Die Fahrweise war
nochmals eine kleine Steigerung derjenigen von Polen und so kam es
schon einmal vor, dass wir Innerorts 70km/h fuhren um den Verkehr
flüssig zu halten. Das hinderte jedoch niemand daran uns trotzdem zu
überholen. In dem Land schien es auch keine
Geschwindigkeitsbegrenzung zu geben. Wir entdeckten keine einzige
Tafel, welche uns eine Geschwindigkeit vorschreiben würde. Geht was
geht lautete die Devise. Immerhin waren wir auf wirklich guten
Strassen unterwegs und hielten auf dem Weg in die Stadt Lviv nur
einmal um uns eine Kirche anzusehen und eine kleine Pause einzulegen.
Als wir die Stadt erreichten, war
das mit den guten Strassen dann auch gegessen. Wir fuhren einer
Pflasterstrasse, welche eine Hauptstrasse markierte, entlang, die
definitiv die schlechteste von mir je befahrene Strasse darstellte.
Schlimmer als jede Schotterpiste, schlimmer als die Strasse ins
Dreiländereck in Nordnorwegen, schlimmer als die Pisten auf die
Berge bei uns im Bündnerland. Diese Strassen hier waren eine wahre
Katastrophe, gespickt mit hohen Wellen und tiefen Löchern. Die
Schienen der Strassenbahn standen teilweise gut 20cm über der
Fahrbahn und ich fuhr in dauernder Angst, irgendwo aufzuliegen. Die
Schienen verliefen im Zickzack und ich fragte mich, wie hier ein Tram
überhaupt fahren kann. Es herrschte viel Verkehr auf der Strasse,
alle drängelten, es schien kein Konzept zu geben und nur gerade rote
Ampeln stellten ein zuverlässiges Mittel zur Regelung des Verkehrs
dar. Nachdem wir einmal quer durch die Stadt gefahren waren, atmeten
wir auf, als wir am Hotel ankamen. Ja genau – ein Hotel. Hier
profitierten wir von der genialen Vorarbeit von comewithus2, indem
wir einfach dasselbe Hotel anfuhren wie sie. Dieses sollte uns ein
Zimmer bieten und einen gesicherten Parkplatz im Innenhof, wo unsere
Womos die Tage sicher verbringen konnten. Wir parkten vor dem Hotel
und traten ein.
Nachdem die Dame am Empfang die
Gäste vor uns ausgecheckt hatte, widmete sie sich uns. Wir fragten,
ob sie Platz für drei Leute hätten und sie antwortete mit einem
hastigen „No free Rooms“. Damit hatten wir nicht gerechnet. Doch
trotzdem hatten wir uns schon einen Plan B zurecht gelegt und wollten
die Dame fragen, ob eine Möglichkeit bestehen würde, im Innenhof im
Womo zu übernachten. Gegen Bezahlung natürlich. Doch die Dame gab
an kein Englisch zu verstehen und sagte zu allem generell „No“.
Wir standen also zu dritt in der Lobby und sahen uns schon in dieser
Stadt auf der Suche nach einem Schlafplatz. Plötzlich sprang die
Dame auf und fragte uns, ob wir ein Zimmer mit zwei einzelnen Betten
ansehen möchten. Wir stimmten natürlich zu und sahen uns das Zimmer
an. Ein wunderbares Zimmer mit zwei Einzelbetten. Sie fragte uns, ob
wir dieses haben möchten und natürlich sagten wir zu. Keine
Experimente. Einer könnte ja im Innenhof im Womo schlafen.
Hauptsache wir sind drin. Zurück an der Rezeption fragte uns die
Dame dann, ob wir ein oder zwei Zimmer möchten. Wir verstanden die
Welt nicht mehr. Natürlich nahmen wir die beiden Zimmer, welche pro
Nacht je 20 Franken kosteten. Mit eigenem WC und Dusche. Ein
Schnäppchen.
Wir parkten unsere Womos im
Innenhof, machten uns mit dem dortigen Wachhund vertraut und brachten
unsere wichtigsten Utensilien ins Hotelzimmer. Kurz später standen
wir umgezogen und bereit für die Stadt vor dem Hotel. Gespannt
spazierten wir durch die Gassen in diesem Bezirk der Stadt. Alles war
recht heruntergekommen, die Strassen noch immer schlecht und die
Autos noch immer alt. Hier in dem Teil, wo sich die Touristen
normalerweise nicht so bewegen, war es noch schlimmer als bei der
Anfahrt gedacht. Wir erreichten schon bald unser erstes Ziel, das
High Castle. Kein wirkliches Schloss, sondern einfach der höchste
Punkt der Stadt. Ein Berg mit traumhafter Aussicht über das gesamte
Lviv (und natürlich einem Geocache). Von hier sahen wir zum ersten
Mal die Ausmasse der riesigen Stadt und konnten tolle Fotos
schiessen. Es begann stark zu winden und wurde kalt. So machten wir
uns auf den Weg zwischen die schützenden Fassaden der Innenstadt.
Dort besichtigten wir die eine oder andere Kirche und wanderten
fleissig durch die Strassen. Die Stadt hatte definitiv Flair. Sehr
viel sogar. Mit ihren bröckelnden Fassaden und
kopfsteingepflasterten Strassen erinnerte sie ein wenig an Italien.
Die alten Autos und fast auseinanderfallende Strassenbahnen machten
jedoch bemerkbar, dass wir uns hier in Osteuropa befanden. Zudem war
hier wieder fast alles nur auf kyrillisch beschriftet, was
mittlerweile jedoch kein grosses Problem mehr darstellte. Uns gefiel
es wirklich sehr in der Stadt und die Preise hier waren unschlagbar.
Für 6 Chicken Nuggets und eine Medium Pommes bezahlten wir bei
McDonalds knapp 3 Franken – mussten wir uns doch noch stärken um
bis zum Nachtessen durchzuhalten.
Dieses war dann das Highlight des
Tages. Wir beschlossen uns schon vor langem im „Rips“ zu essen.
Seit wir dies in der Instagram-Story von comewithus2 sahen, gab es
keine Diskussion mehr darum. Und so standen wir bald in dem Lokal,
welches eigentlich nur Spareribs anbietet. Viele Leute drängten sich
im Eingangsbereich und wir begriffen bald, dass man seinen Namen auf
eine Warteliste bringen musste. Ein Angestellter machte das dann auch
und wir warteten ebenfalls auf einen Platz. Diesen erhielten wir ca.
30 Minuten später. Wir sassen in einem wundervollen Gewölbekeller,
es war laut und roch nach Fleisch. Ein super Ambiente. Schnell wurde
unser Tisch mit einer Lage Kartonpappe bedeckt und der Kellner
stellte sich als Ivan vor, nahm unsere Bestellung auf und deckte den
Tisch. Dies machte er, indem er Teller, Gabel und Messer mit einem
Filzstift auf den Karton malte. Denn hier wird mit den Händen
gegessen. Dafür gab es auf jedem Tisch eine Rolle Küchenpapier und
an den Wänden und Säulen des Kellers standen viele Waschbecken. Wir
bestellten uns Bier und natürlich Spareribs, was alles sehr bald
schon auf dem Tisch stand. Die Rippchen wurden am Tisch mit einem
Beil gehackt und zum Glück hatten wir eine Art Küchenschürze aus
Papier an, spritzte die Honigmarinade nur so herum. Im Anschluss
kämpften wir uns durch die vielen Spareribs. Rippe um Rippe ging es
vorwärts, dazu ein bisschen Grillgemüse. Ein Restaurant, welches
sich schwer beschreiben lässt. Einfach nur genial. Service,
Qualität, Lokalität – bei allem was nur geht erfüllte dieses
Restaurant die volle Punktzahl bei uns. Verzehrt hatten wir 2,4
Kilogramm Spareribs (die Hälfte vom Gewicht waren Knochen), zwei Mal
250g gegrilltes Gemüse, 4 Bier und 2 Fanta – für 43 Franken.
Gut genährt verliessen wir das
Lokal und machten uns auf den Heimweg durch die Altstadt. Hier tobte
das Leben. Strassenmusiker spielten ihre Musik und die Menschen
hörten nicht einfach nur zu. Sie tanzten, klatschten und sangen. Die
Stadt wusste wirklich zu begeistern. Die Freude der Menschen macht
die Stadt zu etwas ganz besonderem. Und als wir müde ins Bett fielen
wussten wir, dass das hier eine der besten Städte ist, welche wir in
diesem halben Jahr besucht hatten.
Immer wieder super gschriebe 😃
AntwortenLöschenEcht spannend 👍
Danke dier viel viel mol fürs Kompliment.
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