Montag, 24. September 2018

Eine abenteuerliche Reise in die Ukraine

Bei Zeiten klingelte heute der Wecker. Und dies nach einer unruhigen Nacht. Der Wind blies die ganze Nacht hindurch und immer wieder fielen Eicheln und kleinere Äste auf das blecherne Womodach. Um 4 Uhr morgens hatte der Sturm seinen Höhepunkt erreicht und wir lagen eine ganze Weile wach. Doch wir mussten uns nach dem Frühstück auf den Weg machen, lag doch eine lange und spannende Fahrt vor uns.

Noch eine Stunde zeigte das Navi bis zur ukrainischen Grenze. Auf dieser Strecke leerten wir noch Abwasser sowie Klo und füllten noch Frischwasser nach. Man weiss ja nie wie froh man um dies in der Ukraine dann ist. Die Infrastruktur für Camper soll da ja erwartungsgemäss nicht sehr gut sein. Nach anderthalb Stunden standen wir dann aber wirklich am Zoll und waren gespannt, was uns nun erwarten würde.

Zuerst kam die Ausreise aus Polen. Ein sehr netter Zollbeamter begrüsste uns und verlangte Pässe und Fahrzeugdokumente von uns. Als wir ihm diese übergaben wollte er noch einen Blick ins Innere werfen. Zuerst öffnete er eine Abdeckung im Fussraum auf der Beifahrerseite. Dort versteckte sich die Chassis-Nummer, welche er mit der aus dem Fahrzeugausweis verglich. Anschliessend folgte eine kurze Kontrolle des Innenraums. Er schaute schnell in das Bad, den Schrank und unter das Bett. Wir hatten das Gefühl, es ging lediglich darum, dass sich keine weitere Menschen im Fahrzeug verstecken. Ansonsten wurde nichts angesehen und auch nichts gefragt. Er verschwand mit den Pässen für etwa 5 Minuten und nach insgesamt 10 Minuten waren wir aus Polen ausgereist. Das ging erwartungsgemäss schnell. Doch waren wir ein wenig nervös, was uns nun bei der Einreise erwarten würde.

Als erstes entdeckten wir auf der kurzen Fahrt durch das Niemandsland etwa 20 Menschen, welche in Tarnanzügen mit Waffen und Hunden am Rande der Strasse standen. Wir bemerkten aber schnell, dass es sich bei dieser Armee-Equipe um Leute handelte, welche hier an einer Übung teilnahmen. Wir konnten sie passieren und wurden kurz darauf vom ersten Zollbeamten begrüsst. Dieser fragte, ob wir unter Personen- oder Sachtransport fallen würden, notierte danach die Personenanzahl und das Nummernschild auf einem Zettel und händigte uns diesen aus. Mit diesem Zettel standen wir ein paar Meter später am Zollgebäude. Wir wussten nicht wirklich was tun, schauten es uns bei den Menschen vor uns ab. Es gab zwei Fenster, welche besucht werden mussten. Beim ersten Fenster wurden uns Pässe und Fahrzeugpapiere abgenommen und das Fenster schloss sich. Nach ein paar Minuten bekamen wir die Dokumente zurück mit dem Hinweis: „Next window“. So besuchten wir Fenster Nummer zwei, bei welchem erneut unsere Pässe eingezogen wurden. Eine nette Dame kam derweil nach draussen und fotografierte unser Heck mit dem Nummernschild und Innenraum von hinten bei geöffneter Türe. Wozu dies gut sein soll? Keine Ahnung. Wir erhielten unsere Pässe und den Zettel zurück, jedoch keine Anweisungen, wie wir weiter verfahren sollten. Nachdem wir in Weissrussland zu früh losziehen wollten und angeschnauzt wurden, beschlossen wir hier einfach einmal zu warten. Dies wurde kurz später jedoch auch nicht goutiert und eine Zollbeamtin scheuchte uns mit einem wilden „Go! Bye Bye!“ vom Platz. Wir fuhren also weiter und waren wiederum gespannt was folgen würde. Die Armee blockierte kurz später die Strasse um ihre Übung abzuhalten und kontrollierte gerade mit den Hunden ein Übungsfahrzeug. Sie machten schnell Platz als wir kamen und ich fuhr durch den Zoll ohne zu wissen wo es lang geht oder wo ich hin möchte. Plötzlich standen wir an einem grossen Eisentor vor welchem ein Zollbeamter unseren Papierzettel einzog. Als er diesen ansah, öffnete sich das grosse Tor und wir waren erfolgreich in die Ukraine eingereist. Dauer der Zollkontrolle: 15 Minuten. Alles easy. Wir waren vor allem überrascht, dass keiner in unser Auto sah oder fragte, was wir denn dabei hätten. Pässe und Fahrzeugpapiere – das war alles.

Wir waren also wirklich in der Ukraine. Schon 200 Meter nach der Grenze bemerkten wir dies auch schon in einem kleinen Kulturschock. Die Autos, welche die Ukraine verlassen wollten, standen kreuz und quer auf der Strasse. Es kamen uns Fahrzeuge auf unserer Spur entgegen, welche sich als Geisterfahrer an den Zoll vorzudrängeln versuchten. Immer wieder mussten wir ausweichen – ab und zu auch auf den Grünstreifen – und das bei voller Fahrt. Die Fahrzeuge waren dann auch plötzlich älteren Baujahres. Die Strasse glich teils einem Lada-Museum und die Lastwagen, welche wir erblickten, waren mehr als nur kriminell. Bei Einem wackelte die gesamte Hinterachse und zwei Räder eierten so stark, dass man nicht wusste wo die noch halten. Die Fahrweise war nochmals eine kleine Steigerung derjenigen von Polen und so kam es schon einmal vor, dass wir Innerorts 70km/h fuhren um den Verkehr flüssig zu halten. Das hinderte jedoch niemand daran uns trotzdem zu überholen. In dem Land schien es auch keine Geschwindigkeitsbegrenzung zu geben. Wir entdeckten keine einzige Tafel, welche uns eine Geschwindigkeit vorschreiben würde. Geht was geht lautete die Devise. Immerhin waren wir auf wirklich guten Strassen unterwegs und hielten auf dem Weg in die Stadt Lviv nur einmal um uns eine Kirche anzusehen und eine kleine Pause einzulegen.

Als wir die Stadt erreichten, war das mit den guten Strassen dann auch gegessen. Wir fuhren einer Pflasterstrasse, welche eine Hauptstrasse markierte, entlang, die definitiv die schlechteste von mir je befahrene Strasse darstellte. Schlimmer als jede Schotterpiste, schlimmer als die Strasse ins Dreiländereck in Nordnorwegen, schlimmer als die Pisten auf die Berge bei uns im Bündnerland. Diese Strassen hier waren eine wahre Katastrophe, gespickt mit hohen Wellen und tiefen Löchern. Die Schienen der Strassenbahn standen teilweise gut 20cm über der Fahrbahn und ich fuhr in dauernder Angst, irgendwo aufzuliegen. Die Schienen verliefen im Zickzack und ich fragte mich, wie hier ein Tram überhaupt fahren kann. Es herrschte viel Verkehr auf der Strasse, alle drängelten, es schien kein Konzept zu geben und nur gerade rote Ampeln stellten ein zuverlässiges Mittel zur Regelung des Verkehrs dar. Nachdem wir einmal quer durch die Stadt gefahren waren, atmeten wir auf, als wir am Hotel ankamen. Ja genau – ein Hotel. Hier profitierten wir von der genialen Vorarbeit von comewithus2, indem wir einfach dasselbe Hotel anfuhren wie sie. Dieses sollte uns ein Zimmer bieten und einen gesicherten Parkplatz im Innenhof, wo unsere Womos die Tage sicher verbringen konnten. Wir parkten vor dem Hotel und traten ein.

Nachdem die Dame am Empfang die Gäste vor uns ausgecheckt hatte, widmete sie sich uns. Wir fragten, ob sie Platz für drei Leute hätten und sie antwortete mit einem hastigen „No free Rooms“. Damit hatten wir nicht gerechnet. Doch trotzdem hatten wir uns schon einen Plan B zurecht gelegt und wollten die Dame fragen, ob eine Möglichkeit bestehen würde, im Innenhof im Womo zu übernachten. Gegen Bezahlung natürlich. Doch die Dame gab an kein Englisch zu verstehen und sagte zu allem generell „No“. Wir standen also zu dritt in der Lobby und sahen uns schon in dieser Stadt auf der Suche nach einem Schlafplatz. Plötzlich sprang die Dame auf und fragte uns, ob wir ein Zimmer mit zwei einzelnen Betten ansehen möchten. Wir stimmten natürlich zu und sahen uns das Zimmer an. Ein wunderbares Zimmer mit zwei Einzelbetten. Sie fragte uns, ob wir dieses haben möchten und natürlich sagten wir zu. Keine Experimente. Einer könnte ja im Innenhof im Womo schlafen. Hauptsache wir sind drin. Zurück an der Rezeption fragte uns die Dame dann, ob wir ein oder zwei Zimmer möchten. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Natürlich nahmen wir die beiden Zimmer, welche pro Nacht je 20 Franken kosteten. Mit eigenem WC und Dusche. Ein Schnäppchen.

Wir parkten unsere Womos im Innenhof, machten uns mit dem dortigen Wachhund vertraut und brachten unsere wichtigsten Utensilien ins Hotelzimmer. Kurz später standen wir umgezogen und bereit für die Stadt vor dem Hotel. Gespannt spazierten wir durch die Gassen in diesem Bezirk der Stadt. Alles war recht heruntergekommen, die Strassen noch immer schlecht und die Autos noch immer alt. Hier in dem Teil, wo sich die Touristen normalerweise nicht so bewegen, war es noch schlimmer als bei der Anfahrt gedacht. Wir erreichten schon bald unser erstes Ziel, das High Castle. Kein wirkliches Schloss, sondern einfach der höchste Punkt der Stadt. Ein Berg mit traumhafter Aussicht über das gesamte Lviv (und natürlich einem Geocache). Von hier sahen wir zum ersten Mal die Ausmasse der riesigen Stadt und konnten tolle Fotos schiessen. Es begann stark zu winden und wurde kalt. So machten wir uns auf den Weg zwischen die schützenden Fassaden der Innenstadt. Dort besichtigten wir die eine oder andere Kirche und wanderten fleissig durch die Strassen. Die Stadt hatte definitiv Flair. Sehr viel sogar. Mit ihren bröckelnden Fassaden und kopfsteingepflasterten Strassen erinnerte sie ein wenig an Italien. Die alten Autos und fast auseinanderfallende Strassenbahnen machten jedoch bemerkbar, dass wir uns hier in Osteuropa befanden. Zudem war hier wieder fast alles nur auf kyrillisch beschriftet, was mittlerweile jedoch kein grosses Problem mehr darstellte. Uns gefiel es wirklich sehr in der Stadt und die Preise hier waren unschlagbar. Für 6 Chicken Nuggets und eine Medium Pommes bezahlten wir bei McDonalds knapp 3 Franken – mussten wir uns doch noch stärken um bis zum Nachtessen durchzuhalten.









Dieses war dann das Highlight des Tages. Wir beschlossen uns schon vor langem im „Rips“ zu essen. Seit wir dies in der Instagram-Story von comewithus2 sahen, gab es keine Diskussion mehr darum. Und so standen wir bald in dem Lokal, welches eigentlich nur Spareribs anbietet. Viele Leute drängten sich im Eingangsbereich und wir begriffen bald, dass man seinen Namen auf eine Warteliste bringen musste. Ein Angestellter machte das dann auch und wir warteten ebenfalls auf einen Platz. Diesen erhielten wir ca. 30 Minuten später. Wir sassen in einem wundervollen Gewölbekeller, es war laut und roch nach Fleisch. Ein super Ambiente. Schnell wurde unser Tisch mit einer Lage Kartonpappe bedeckt und der Kellner stellte sich als Ivan vor, nahm unsere Bestellung auf und deckte den Tisch. Dies machte er, indem er Teller, Gabel und Messer mit einem Filzstift auf den Karton malte. Denn hier wird mit den Händen gegessen. Dafür gab es auf jedem Tisch eine Rolle Küchenpapier und an den Wänden und Säulen des Kellers standen viele Waschbecken. Wir bestellten uns Bier und natürlich Spareribs, was alles sehr bald schon auf dem Tisch stand. Die Rippchen wurden am Tisch mit einem Beil gehackt und zum Glück hatten wir eine Art Küchenschürze aus Papier an, spritzte die Honigmarinade nur so herum. Im Anschluss kämpften wir uns durch die vielen Spareribs. Rippe um Rippe ging es vorwärts, dazu ein bisschen Grillgemüse. Ein Restaurant, welches sich schwer beschreiben lässt. Einfach nur genial. Service, Qualität, Lokalität – bei allem was nur geht erfüllte dieses Restaurant die volle Punktzahl bei uns. Verzehrt hatten wir 2,4 Kilogramm Spareribs (die Hälfte vom Gewicht waren Knochen), zwei Mal 250g gegrilltes Gemüse, 4 Bier und 2 Fanta – für 43 Franken.






Gut genährt verliessen wir das Lokal und machten uns auf den Heimweg durch die Altstadt. Hier tobte das Leben. Strassenmusiker spielten ihre Musik und die Menschen hörten nicht einfach nur zu. Sie tanzten, klatschten und sangen. Die Stadt wusste wirklich zu begeistern. Die Freude der Menschen macht die Stadt zu etwas ganz besonderem. Und als wir müde ins Bett fielen wussten wir, dass das hier eine der besten Städte ist, welche wir in diesem halben Jahr besucht hatten.

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