Früh klingelte heute der Wecker.
Früh heisst mittlerweile 07:00 Uhr bei uns. Doch wir hatten ja einen
guten Grund, den Wecker so früh zu stellen. Ohne zu frühstücken
zogen wir schnell eine Hose und einen Pullover über und machten uns
auf den Weg zum Haupteingang. Dort hofften wir in einem
Kassenhäuschen noch Tickets zu erhalten. Schon als wir in der
Schlange standen, sahen wir auf dem grossen Bildschirm, dass für die
Führung auf Deutsch um 10:30 Uhr noch 8 Plätze verfügbar waren.
Die Hoffnung war gross und wir wurden nicht enttäuscht. Als wir an
der Reihe waren, waren noch immer sechs Tickets unverkauft. Knapp 10
Franken kostete uns das Ticket für die dreistündige Führung. Der
Eintritt in die Stätte ist kostenlos, jedoch sehr beschränkt.
Deshalb bräuchte man auch für einen kostenlosen Eintritt ein
Ticket, welches man definitiv Wochen zuvor online bestellen sollte.
Doch für geführte Touren scheint es um 07:30 Uhr noch immer hie und
da Plätze zu haben, welche jedoch schnell weg sind.
Wir wanderten gemütlich zurück
zu unseren Womos und nutzten die zwei Stunden bis zur Führung mit
Arbeiten. Ich schrieb Tagebuch und loggte endlich einmal alle Caches,
welche wir seit dem 12. September gefunden hatten. Schlussendlich war
die Zeit beinahe zu kurz und ich konnte mir gerade noch die
Regenjacke überziehen, ehe wir abermals zum Eingang spazierten. Dort
angekommen war erst nicht klar, wo wir nun hin mussten. Doch die
netten Angestellten wussten uns zu helfen und erklärten uns den Weg.
Am Eingang standen wir dann noch in einer langen Schlange vor der
Sicherheitskontrolle. Wie am Flughafen mussten alle metallischen
Gegenstände abgelegt werden und man durchlief einen Metalldetektor.
Taschen, welche grösser als das Format A4 waren, mussten hier sogar
abgegeben werden. Nach der Kontrolle erhielten wir einen Kopfhörer
und ein Empfangsgerät um unseren Guide auch immer optimal zu
verstehen. Es war schon 10:33 Uhr und die Führung schon im Gange.
Wir entdeckten die kleine Blondine mit der deutschen Gruppe aber
schnell im Innenhof und stiegen in die Führung ein.
Was wir in den folgenden Stunden
im Konzentrationslager Auschwitz erlebten, ist schwer zu beschreiben.
Ich schoss zu Beginn zwei Fotos vom Innenhof, danach verging mir das
Fotografieren an diesem Ort. Gestattet wäre es. Doch es erging den
Meisten so. In unserer Gruppe waren etwa 20 Leute. Doch wir trafen
immer wieder auf andere Gruppen. Und obwohl sich so viele Menschen
hier befanden, war es bedrückend ruhig auf dem Gelände und in den
Gebäuden. Wir besichtigten Orte, welche einem auf schrecklichste
Weise vor Augen führte, was hier in Auschwitz zu der Zeit der Nazis
passierte. In einem riesigen Raum, hinter einer Glasscheibe auf der
ganzen Länge einsehbar, wurden über zwei Tonnen (von insgesamt 7
Tonnen) Haare gelagert, welche allen gleich nach der Ankunft
abgeschnitten wurden. Aus den persönlichen Habseligkeiten blieben
Kleider und Schuhe liegen. Auch solche von Kleinkindern. Denn hier in
Auschwitz wurden auch Frauen und Kinder umgebracht. Wer sich als
nicht arbeitsfähig herausstellte, wurde in diesem Lager keine drei
Tage alt. Somit traf es die Frauen und Kinder sehr schnell. Wir
wechselten nach der Führung durch den Kern von Auschwitz auch noch
in das Konzentrationslager Birkenau II. Die Busfahrt dorthin liess
einem wieder ein wenig Luft. Doch dort angekommen ging es gleich
schrecklich weiter. Das eindrücklichste für mich war die Tatsache,
dass in den vier Hochöfen von Auschwitz täglich 4'000 tote Menschen
verbrannt wurden – doch das war weitaus zu wenig. Die Nazis mussten
anfangen die Leichen unter freiem Himmel zu verbrennen. 4'000
Menschen pro Tag und doch zu wenig. Man stelle sich vor: die
Bevölkerung der Stadt Frauenfeld wäre innerhalb sechs Tagen
ausgelöscht. Auch hier in Birkenau II schoss ich lediglich Fotos der
Aussenanlage. Wir haben zwar schon Dachau und Oranienburg besucht.
Doch Auschwitz schaffte es wirklich noch brutaler zu sein als diese
beiden KZ. Nachdem wir das Bettenlager besichtigten, indem sich 800
Häftlinge in 180 Betten quetschen mussten, beendeten wir die Führung
im Gedenken an alle Menschen, welche hier ihr Leben lassen mussten.
In der Zeit von 1940 bis 1945
wurden 1'300'000 Menschen nach Auschwitz deportiert.
1'100'000 Juden
140'000 Polen
23'000 Sintis und Romas
15'000 Sowjetische
Kriegsgefangene
25'000 Asoziale und Angehörige
anderer ethnischen Gruppen
1'100'000 Menschen starben.
Nach dieser sehr harten Kost
sassen wir alle drei bedrückt in unserem Wohnmobil. Durch die späte
Uhrzeit war der Hunger immerhin so gross, dass wir etwas essbares
hinunter brachten. Wir entschlossen uns nach dem Essen, dass wir noch
weiter nach Krakau fahren und dort die Stadt besichtigen möchten.
Nachdem wir unterwegs den einen
oder anderen Halt einlegten, parkten wir auf einem Parkplatz, auf
welchem wir für 24 Zloti (6 Franken) fast 48 Stunden parken könnten.
Wir zogen uns kurz um und machten uns auf den Weg in die Stadt. Wir
spazierten etwa 15 Minuten, ehe wir die Innenstadt erreichten. Hier
schien heute auch echt etwas los zu sein. Viele Menschen bevölkerten
die Strassen, überall wurde Musik gespielt und die Restaurants waren
gut gefüllt. Wir blieben an einer Bühne hängen, wo ein polnisches
Trio typische Volksmusik präsentierte. Wir schlenderten durch einen
Markt, über den Hauptplatz der Stadt und durch den einen oder
anderen Laden. Es wurde dunkel in der Stadt und die Menschen zog es
langsam in die Restaurants. So auch uns. Wir entschieden uns, heute
polnisch essen zu gehen. Google empfahl uns ein Restaurant, bei
welchem laut Rezensionen das Preis- Leistungsverhältnis am Besten
stimmen sollte. Die Schlange vor dem Restaurant liess ebenfalls
vermuten, dass dieses Lokal sehr beliebt zu sein scheint. Wir mussten
nicht so lange warten wie vermutet und wurden an einen Tisch geführt.
Dort begann dann das grosse Warten. 30 Minuten bis jemand unsere
Bestellung aufnahm. Eine Stunde bis Getränke und Vorspeise auf dem
Tisch standen. Wir waren schon ein wenig genervt, als das Essen dann
aber kam, war alles vergessen. Ein polnischer Grillteller in diesem
Lokal besteht aus einem Kilogramm Fleisch. Mit Reis, Kartoffeln und
Kraut als Beilage. Zum Glück hatten wir uns den Teller zu dritt
bestellt. Doch die Vorspeise war schon gross und so kämpften wir uns
eine ganze Weile durch den Teller, ehe wir völlig überfüllt das
Restaurant wieder verliessen. Ein super Lokal mit genialem,
polnischem Ambiente. Das Essen war richtig lecker und die Portionen
riesig. Lediglich die Wartezeit könnte man kritisieren. Wir
bezahlten dann schlussendlich aber für drei warme Vorspeisen (eine
Art Ravioli), einen riesigen Grillteller, einen Hugo, einen
Apfelsaft, drei Biere und einen Espresso umgerechnet 46 Franken und
35 Rappen.
Müde und mit vollen Bäuchen
machten wir uns auf den Heimweg, legten uns in unsere Betten und
schliefen auf der Stelle ein. Ein anstrengender Tag mit vielen
Eindrücken lag hinter uns. Vor uns liegt morgen dann dafür der
letzte Tag mit Jonas, welcher nach Krakau die Heimreise antreten
wird. So werden sich nach einem knappen Monat gemeinsamen Reisens
unsere Wege wieder trennen.
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