Montag, 3. September 2018

Das religiöse Litauen

Am Hundeplatz nächtigten wir ruhig, waren jedoch trotzdem ein wenig müde als morgens der Wecker klingelte. Ich bearbeitete Fotos, schrieb den Blog und frühstückte. Wir hatten für heute einiges vor uns so fuhren wir auch bei Zeiten los in Richtung Berg der Kreuze.

Zum ersten Zwischenziel zeigte das Navi ein wenig über zwei Stunden Fahrt. Diese führte durch eine wunderschöne Landschaft, welche derjenigen der Schweiz sehr ähnelte. Der Unterschied war aber auch hier, dass nicht alle zwei Kilometer ein Dorf zu sehen war. Nein. Wir fuhren und fuhren über gerade Strassen durch Wälder und Wiesen. Die Fenster waren offen und es duftete nach Heu und Sommer. Ein Feeling wie im Film. Nach einer guten Stunde machten wir einen kleinen Halt an einer steinernen Kirche. Wir schauten uns das grosse Bauwerk an, welches jedoch verschlossen war. Als wir kurz später bei unseren Mobilen standen hörten wir den Pfiff des Gärtners, welcher uns die Kirche geöffnet hatte und uns auch das Betrachten der inneren Schönheit ermöglichte. 



Frisch erholt ging es weiter. Kurz vor dem ersten Etappenziel sichteten wir einen See, welcher sich fürs Mittagessen anbot. Leider war dieser jedoch nicht zu erreichen und wir landeten in einem kleinen Dorf, welches nur aus einem Altersheim zu bestehen schien. Mit unseren drei Mobilen waren wir die Attraktion im Dorf, welches wohl noch nie Touristen sah. Die Menschen versammelten sich an der Strasse, lockten ihre Freunde ins Freie und winkten uns teilweise zu, während wir unsere Womos in der Sackgasse wendeten. Wir entschlossen uns kurzerhand, auf einer Wiese bei einem Parkplatz ein Picknick im Freien abzuhalten, was nicht weniger eine interessante Sache für die Einwohner zu sein schien. Nach dem Essen fütterten wir noch die Ziegen, welche uns aus der Ferne so neidisch beim Essen zuschauten, und fuhren dann weiter. 




Der nächste Halt war nun das ersehnte Etappenziel. Zuerst erwartete uns gleich am Parkplatz ein Mahnmal, der eindrücklicheren Sorte. Ein Holzkreuz auf einem Stein, auf welchem eine Inschrift angebracht war. Litauen gedenkt an diesem Ort 100'000 verlorenen Einwohnern, welche zwischen 1939 bis 1941 (dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges) von der Roten Armee verfolgt wurden. 36'472 Menschen wurden verbannt, darunter 6'011 Kinder. Über 50'000 Menschen landeten in Gefängnissen, gegen 15'000 Menschen zwang man in den Westen zu emigrieren. Ein eindrücklicher Ort. Dass man genau an diesem Ort diesen Menschen gedenkt hat ebenfalls einen Grund. Hier ist vor vielen vielen Jahren einem gläubigen Menschen die heilige Maria erschienen. In dem sehr gläubigen Land ist dieser Ort deshalb zum Pilgerort geworden, man baute zwei riesige Kirchen und 1994 war sogar Papst Johannes Paul II hier zu Besuch. Und auch heute war viel los. Man strich die Aussenwände und Gartenarbeiten wurden erledigt. Denn auch 2018 erwartet man hier den Papst. In gut drei Wochen besucht das Oberhaupt der katholischen Kirche diesen besonderen Ort und Litauen wird wohl auch 2018 wieder Kopf stehen. Wir besichtigten die beiden Kirchen und den grossen Platz, schossen diverse Fotos und machten uns danach auf die Weiterfahrt. 





Hier in der sehr religiösen Region war auch unser nächster Halt von religiöser Natur. Das Kloster der Bernhardiner hatte nichts mit den in der Schweiz bekannten Hunden mit dem Fässchen zu tun. Trotzdem empfing uns hier eine wundervolle Kirche mit einem sehr schönen Klosterhof. Die fleissige Pilgerin Jasmin erklomm sogar die steinige heilige Treppe. Ordnungsgemäss auf den Knien. Nach dem schmerzhaften Intermezzo besichtigten wir die schön geschmückte Kirche und schossen viele Fotos. Es verging einige Zeit bis wir den sonnengetränkten Hof verliessen und uns auf den Weg nach Siaulai machten.





In dieser Stadt hatten wir wieder eine Kirche auf dem Programm, welche wir auch kurz besichtigten. Die dort stattfindende Messe hielt uns jedoch davon ab, in der ganzen Kirche herumzulaufen. Die Stadt bot uns jedoch auch wieder einen Lidl, welchen wir die letzten beiden Woche nicht so sehr vermissten wie gedacht. Die Läden in Estland und Lettland liessen auch keine Wünsche unerfüllt. Wir kauften ein und begaben uns auch noch in ein grosses Einkaufszentrum, um Dinge wie einen Volleyball und eine Bartschere zu kaufen. Erst danach ging es zum grossen Highlight des Tages. 




Der Berg der Kreuze erwartete uns nur 10 Minuten nördlich der Stadt. Einen wirklichen Berg gibt es hier nicht. Eher einen Hügel. Doch der Hügel ist mit Millionen von Kreuzen geschmückt, welche sich mittlerweile auch über die Wiese erstrecken. In der Sowjetunion begannen die Menschen hier ihre Kreuze aufzustellen um einen stillen Protest auszudrücken. Natürlich hatte die Union damals keine Freude an diesem Treiben und versuchte diverse Male die Kreuze zu entfernen und den Hügel zu planieren. Jeweils ohne Erfolg. Kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion begannen die Leute immer mehr Kreuze auf dem Hügel aufzustellen und zeigten damit den Willen zur Unabhängigkeit Litauens. Heute ist der Ort vor allem zum Pilgerort für Christen geworden und beherbergt über 20'000 grosse und unzählige kleine Kreuze. Wir wanderten über den Hügel, betrachteten die vielen Kreuze mit den Inschriften. Wir schossen viele Fotos und nahmen die sehr spezielle Ausstrahlung dieses Ortes auf. Das Gefühl auf diesem Hügel zu stehen und an all die Menschen zu denken, welche aus tiefem Willen und Glauben ihre Kreuze hier zum Berg tragen ist schon sehr eindrücklich.






Nach dem Besuch des Berges begaben wir uns nur ein paar hundert Meter weiter auf einen kostenlosen Parkplatz am Ende der grossen Wiese. Hier beschlossen wir die Nacht zu verbringen. Es war aber noch früh und so beschäftigten wir uns mit Volleyball spielen auf der nahen Wiese und einem leckeren Nachtessen. Als die Sonne weg war, wir alle geduscht hatten und die Dunkelheit langsam Überhand nahm, nutzten wir die Einsamkeit aus um ein Bierchen zu trinken und zu Musik zu tanzen. Bier gab es heute wieder nur eines. Der Grund dazu war noch verrückter als der in Estland. Denn auch hier wurde uns heute wieder der Alkohol an der Kasse eingezogen. Natürlich stellte ich die Dame an der Kasse zur Rede, nachdem sie wortlos unser Bier auf die Seite schob. Heute durfte man in ganz Litauen keinen Alkohol kaufen, da heute der erste Schultag des neuen Schuljahres stattfand. Den Zusammenhang habe ich bisher noch immer nicht kapiert. Betrinken sich die Schüler ansonsten schon am ersten Schultag? Ich konnte mir keinen Reim machen.

Bevor wir uns ins Bett begaben, wollten wir uns aber nochmals zum Berg der Kreuze begeben. Die beleuchtete Stätte könnte bei Nacht durchaus seinen Reiz haben. Wir spazierten die zwei Minuten zu dem Hügel und mussten feststellen, dass die Location nachts und alleine doch wirklich einen klein wenig grusligen Touch hatte. Wir waren gut ausgerüstet und konnten so viele tolle Fotos schiessen. Die Kreuze, das Licht, die Sterne – eine geniale Kulisse, welche wir versuchten respektvoll ins richtige Licht zu rücken. Natürlich verbrachten wir viel mehr Zeit dort als geplant und als wir zurück an unseren Wohnmobilen waren, fielen wir alle müde ins Bett. Ein spannender Tag mit vielen religiösen Stätten ging zu Ende. 





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