Kurz
nach dem Blog von gestern Abend ereignete sich wieder einmal eine
Geschichte, welche nur von Touristen geschrieben werden kann. Wir
sassen gerade in unseren Liegestühlen und gönnten uns nach dem
leckeren Nachtessen vom Grill, die zweite Ladung Prosecco. Da kam
eine junge Frau zu uns zugerannt und fragte uns, ob wir Trinkwasser
hätten. Sie sah verzweifelt aus und bot uns an die Flasche für Geld
zu erwerben. Doch so knausrig sind wir dann doch nicht und wir gaben
ihr eine Flasche Wasser, welche uns knapp einen Franken kostet im
Spar. Sie trank gierig und verschwand mit dem restlichen Inhalt zum
Ende des Wanderweges zum Knivskjellodden, welches gleich an unserem
Parkplatz lag. Dort nahm sie ihre Familie in Empfang. Alle
durchgeschwitzt und mit roten Köpfen. Alle mit Turnschuhen. Der
Vater sogar noch im chicen Sonntagshemd. Rucksack oder so?
Fehlanzeige. Die Wanderung zum Knivskjellodden ist 18 Kilometer lang.
Mitten durchs Fjell über einen nicht einfach zu begehenden
Wanderweg. Und diese Familie nahm diese Wanderung von ca. 6 Stunden
in Angriff ohne einen Tropfen Wasser oder Nahrung mitzuführen. Bei
über 30°C. Ein Wunder, dass sie den Rückweg überhaupt schafften.
Solch verantwortungslose Touristen sahen wir hier in Norwegen leider
immer wieder. Man überschätzt sich gerne und ist sich nicht
bewusst, dass es hier einfach gar nichts gibt. Keine Berghäuser,
keine Brunnen – nichts. Wir sahen noch mehr Wanderer, welche völlig
fertig den Parkplatz erreichten, freuten uns schon auf unsere
Wanderung morgen und machten uns um 22:00 Uhr auf den Weg ins Bett.
Das
erste Mal erwachte ich um 01:00 Uhr in der Nacht als der Franzose
(was denn sonst!) vom Nachbarwomo zum hundertsten Mal seine Drohne
über dem Parkplatz schweben liess. Ein tolles Spielzeug hat der
bekommen – nur das nervige Surren nachts um eins hatte beinahe zur
Folge, dass ich das Womo kurzzeitig verliess um ihm die Meinung zu
sagen. Ich freute mich aber insgeheim schon auf den Morgen, wenn ich
laut unsere Türen zuwerfen und laut singend an seinem Womo
vorbeimarschieren konnte. Um 05:00 Uhr klingelte dann der Wecker und
ich war schon wieder wach. Das Wetter draussen war bewölkt, windig
und frisch. Der Grund für das frühe Aufstehen war natürlich um
noch vor der Hitze zum Knivskjellodden aufbrechen zu können. Dies
sah nun nicht mehr so akut aus und wir dösten nochmals eine Stunde.
Um 07:00 Uhr waren wir jedoch bereit. Ich schloss die Türe leise und
spazierte auch ruhig über den Parkplatz. Die anderen mitleidenden
Womo-Genossen sollten ja nach der Drohnen-Aktion nun nicht auch noch
von mir geweckt werden, wären sie ja dann doppelt gemobbte
Kameraden.
Es
war erst sieben Uhr doch in Norwegen vergisst man das schnell. Die
Helligkeit verhiess schon wieder etwas um Mittag. Die Wolken hatten
sich verzogen doch der kühle Wind liess es eine gemütliche
Wanderung werden. Über das Fjell zogen wir immer weiter gegen
Norden, stiegen hinab in eine wundervolle Bucht um kurz darauf auf
die letzte Erhebung zu steigen. Und dann waren wir da. Am
Knivskjellodden hatten wir eine traumhafte Aussicht auf das Meer und
das Nordkapp welches ein paar Kilometer südöstlich von uns lag.
Moment – SÜDöstlich? Wie soll das gehen? Ja ganz einfach: beim
Vermessen des Nordkapps ist den Geologen damals ein folgenschwerer
Zahlendreher passiert und so steht das Nordkapp, welches seinen Namen
gar nicht verdient, an der falschen Stelle. Die Weltkugel, das
Besucherzentrum – alles falsch. Das wahre Nordkapp ist der
Knivskjellodden, 1450,6 Meter nördlicher als das Nordkapp. Und dort
standen wir nun am „nördlichsten Punkt Europas“, loggten zwei
Caches und signierten das Gästebuch. Wir schossen noch einige Fotos
ehe wir uns nach fast einer Stunde Aufenthalt (ohne einen anderen
Menschen gesehen zu haben) wieder auf den Rückweg machten. Für den
Anmarsch brauchten wir keine 2 Stunden. Doch auf dem Rückweg liess
der Wind langsam nach, zudem führte der Weg nun meist bergauf. Wir
hatten zum Glück viel Wasser dabei, welches wir auch brauchten. Wie
die Familie das gestern überstanden hat – keine Ahnung. Kurz vor
dem Ziel trafen wir dann noch auf zwei Bündner, mit welchen wir uns
noch eine kleine Weile unterhielten. Immer wieder interessant hier
oben Leute von Zuhause zu treffen und etwas über ihre Reise und ihr
Reisefieber zu erfahren.
So
waren wir um 12 Uhr schon wieder am Wohnmobil. Viel früher als
gedacht. Wir hatten noch kein Mittagessen, weswegen wir dies gleich
als ersten Punkt nachholten. Schnell mussten wir danach aber
weiterfahren. Die Hitze auf dem Parkplatz war zu gross um einfach so
zu sitzen und wir verliessen das Nordkapp in Richtung Süden. Ein
wenig wehmütig waren wir auf der kurzen Fahrt nach Skarsvag. Zum
Einen lag das Nordkapp hinter uns – einen Ort auf welchen wir uns
sehr lange gefreut hatten. Einfach wegen der Symbolik. Zum Anderen
fuhren wir bisher seit dem 24. April immer in Richtung Nordkapp. Nun
fuhren wir – nach Hause. Klar liegt noch viel, sehr viel, vor uns,
doch die allgemeine Richtung ist nach Hause.
Zuerst
besuchten wir mit Skarsvag das nördlichste Fischerdorf der Welt.
Besonders interessiert waren wir dort aber an der Kirkeporten. Anders
als der Name sagt, handelte es sich dabei jedoch nicht einfach um die
Kirchentüre. Die Kirkeporten ist ein sogenanntes Felsenfenster,
welches sich jedoch vom Parkplatz aus auf der anderen Seite eines
Hügels befand. Unsere Füsse taten weh, die Hitze war enorm und
trotzdem taten wir uns die Wanderung an, welche uns doch wieder 20
Minuten lang über den Hügel führte. Erst steil bergauf, nur um auf
der anderen Seite wieder ans Meer hinabzusteigen. Doch das Fenster
war traumhaft und gross. Wir konnten dabei sogar Fotos schiessen, auf
welchen man durch das Fenster den Nordkappfelsen (also den falschen)
sah. Der Rückweg wurde dann nochmals zu einer richtigen Qual und wir
waren froh als wir endlich am Womo waren. Schluss für heute schworen
wir uns, kurbelten die Fenster runter und brausten in den Süden.
Durch den sieben Kilometer langen Unterwassertunnel verliessen wir
die Insel in Richtung Festland. Auch die Fahrradfahrer müssen durch
diesen schlecht beleuchteten Tunnel und sind dafür dann auch schon
mal gerne zwei Stunden bei 14°C und 10 Prozent Steigung in der Röhre
unterwegs. Die Meisten spazieren die Steigung hoch und schieben ihr
geliebtes Rad. Alles auf der Fahrbahn, denn für einen Radstreifen
reichte es natürlich nicht mehr.
Wir
folgten nun dem wunderschönen Fjord, genossen hier und da die
Aussicht, machten einen kleinen Halt für das nördlichste Schwimmen auf unserer Reise, brachten jedoch auch wieder viel Weg hinter uns. Wir bremsten
erst wieder, als uns der Hunger und eine kleine Attraktion auf einen
Hügel bei Lakselv trieb. Unser Reiseführer pries diesen
Übernachtungsort als wunderschön einsam und romantisch an. Und sie
versprachen nicht zu viel. Wir grillten (hier in Norwegen darf man
das auch mit Holzkohle noch) und genossen ein wenig die Sonne. Zwei
andere Schulz-Verfolger fanden auch noch den Weg hierhin und so
standen wir plötzlich nicht mehr so alleine mit den vielen Schafen
und dem Rentier, welches die kühle Abendbrise auf dem Feld am Meer
genoss.
Wir
machten uns nach dem Essen noch auf einen kleinen Abendspaziergang.
Dieser führte uns an einen besonderen Ort auf der
Trollholmen-Halbinsel auf welcher unser Wohnmobil steht. Auf dieser
Halbinsel konnte nämlich zum ersten Mal die Existenz Norwegischer
Trolle nachgewiesen werden. Viele schieben die Trolle ins Reich der
Fabeln und Sagen ab, doch für Norwegische Kinder gehören die Trolle
dazu wie für unsere Kinder die Zwerge und Riesen. Doch Trolle sind
eher tollpatschig, dumm und haben das Problem, dass ein einziger
Sonnenstrahl sie zu einer Steinsäule erstarren lässt. Und genau
dies ist hier acht Trollen geschehen und so stehen sie als
Steinsäulen für ewig hier. Ein unwissender Fiesling, wer den
Kindern erzählen will, dass es sich hierbei um
magnesiumcarbonathaltiges Dolomitgestein handelt. Die Trolle hatten
immerhin das Glück in einer traumhaften Umgebung für die Ewigkeit
gefangen genommen worden zu sein. Die 20minütige Wanderung zu den
Trollen gehörte für uns landschaftlich zu einer der
interessantesten und schönsten in ganz Norwegen. Wirklich
wundervoll. Die Trolle standen dann auch wirklich versteinert am
Wasser und liessen sich von uns fotografieren. Konnten sich ja nicht
wehren. Wir fingen gleich noch die letzten Sonnenstrahlen ein, bevor
eine grosse Wolke die Sonne verbannte. Wir machten uns deshalb
schnell auf den Rückweg und sperrten uns im Womo ein. Denn wer weiss
ob die Gegend hier sicher ist, wenn die Sonne untergegangen ist.