In der wunderschönen Umgebung im
tollen Niemandsland kann man ja nur gut und ungestört schlafen.
Müsste man denken. Doch irgendwie konnte ich im Gegensatz zu Melanie
einfach nicht schlafen. Immer wieder wachte ich auf und konnte
beinahe durch die Schlafmaske die brutale Helligkeit im Wohnmobil
erahnen. Hier in den Bergen stand die Sonne um 3 Uhr früh schon
wieder am Himmel und auch bis da war es niemals dunkler als wenn
tagsüber eine Wolke kurz die Sonne verdeckt. Das war aber wohl nicht
der einzige Grund.
Trotzdem war ich einigermassen fit als
wir um 9 Uhr am Frühstückstisch sassen. Noch ein letzter Wandertag
sollte heute anstehen und dieser wieder zu einem ganz speziellen Ort.
Wir waren bereit, der Rucksack war bereit, das GPS war bereit. Alles.
Nur die Wanderschuhe nicht. Trotz Stopfen mit Papier trockneten sie
diese Nacht nicht aus. So mussten wir mit unseren leichten
Wanderschuhen auf die 20 Kilometer lange Wanderung durch die
norwegische Bergwelt.
Wir starteten voller Elan in diese
Umgebung, welche sich von der der letzten Tage sehr unterschied. Hier
waren wir zwar über der Baumgrenze und im Gebirge. Doch keine hohen
Berge, keine steilen Felswände und auch keine Gebirgspfade. Die
Gegend könnte man eher als riesige Hochebene bezeichnen. Aber
wirklich als riesige. Man blickt auf viele Kilometer in die Ferne und
erblickt einfach nichts als die immer selbe Landschaft. In der Nähe
wie auch in der Ferne. Traumhaft die Weite und die absolute Leere.
Doch trotzdem mussten wir nach einer Stunde zugeben, dass wir die
Landschaft hier langsam nicht mehr sehen können. Durch die riesige
Entfernung zum Horizont hatte man das Gefühl an Ort und Stelle zu
laufen. Dass die Landschaft sich kein wenig änderte unterstützte
dieses Gefühl noch. Ja hier war heute einmal nicht der Weg das Ziel.
Heute war das Ziel das Ziel.
Dieses Ziel zeigte sich nach anderthalb
Stunden Fussmarsch an einem kleinen Hang in einiger Entfernung. Ein
kleines Etwas lag da auf dem Hügel. Doch es dauerte nochmals über
eine halbe Stunde ehe wir uns endlich in der Nähe befanden. Am Boden
entdeckten wir nun langsam immer mehr Müll. Aluminium und Stahl in
kleinen Stücken und Fetzen. Die Fetzten wurden immer Grösser ehe
sie sogar solche Dimensionen hatten, dass wir eine Hülle mit
Fenstern erkannten. Und dann, eine kleine Kuppe später, stand sie
vor uns. Die Junker Ju 52, allen wohl eher als Tante Ju bekannt. Der
Zustand des Flugzeuges ist jedoch nicht ganz so toll wie jene im
Verkehrshaus oder auf dem Flughafen Dübendorf. Dies führt von der
Art wie dieses Flugzeug hier in die Pampa gelang ist. Nämlich auf
direktestem Weg vom Himmel mit einer sehr unsanften Landung. Am 30.
Oktober 1942 wollte die Junker hier kurz nach ihrem Start in Oslo
eine Notlandung durchführen, nachdem der Motor wegen Vereisung
ausfiel. Diese fiel jedoch sehr unsanft aus und die Maschine
verschwand vom Radar. Erst am 3. November 1942 wurde die deutsche
Maschine gefunden. Der Pilot verstarb direkt beim Absturz, das
einzige andere Besatzungsmitglied konnte jedoch verwundet geborgen
werden. Seit diesem tragischen Tag liegt die Junker Ju nun hier.
Keiner machte sich die Mühe auch nur ein Teil von ihr zu holen oder
zu entsorgen. Hier mitten im Nirgendwo stört sie ja keinen. Und wenn
man den einzigen Weg der zu ihr führt sieht, weiss man, dass sie
auch nur ganz selten Besuch bekommt. Der Geocache welcher hier liegt
wird ungefähr 10 Mal im Jahr geloggt. Liegt eben nicht gerade an der
Strasse die Tante Ju. Wir machten viele Fotos und verpflegten uns,
ehe wir den Rückweg antraten.
Der Rückweg war dann genau derselbe
wie der Rückweg. Heisst nochmals über 11 Kilometer Ödland. Jetzt
ohne das lang ersehnte Ziel vor Augen, war der Weg noch schlimmer für
den Kopf. Die Einsamkeit mochte uns nicht mehr zu imponieren und wir
legten ein ordentliches Tempo an den Tag. So dauerte es auch keine 2
Stunden ehe wir am Parkplatz waren, welcher uns ein deutscher Cacher
empfohlen hatte. Er hatte den Cache letztes Jahr besucht und so
konnten wir von seinem Wissen profitieren und überhaupt einen so
nahen Parkplatz finden. Geocaching macht eben einiges einfacher.
Am Womo angekommen waren wir zum ersten
Mal so richtig fertig. Die vier harten Wandertage hinterliessen ihre
Spuren. Die Füsse und Beine schmerzten nun wirklich ein wenig. Doch
die vier Tage boten eine wundervolle Abwechslung. Verschiedene
Landschaften, verschiedene Ziele, verschiedene Wege. Wir entdeckten
wundervolle Täler, traumhafte Aussichten, eine blau schimmernde
Gletscherzunge, den höchsten Gipfel Norwegens und ein Wrack eines
abgestürzten Flugzeuges. Und das alles in fünf Wanderungen an vier
Tagen. Norwegen kann das!
Es war aber noch zu früh um schon
auszuruhen. Wir machten uns an den Rückweg zu unserer Route nach
Lom. Wir entdeckten auf dem Rückweg eine neue Autobahn, welche durch
Tunnels und über gute Strassen bis Otta führte und uns 20 Minuten
ersparte. Dafür kostete sie natürlich einiges an Maut, da sie noch
nicht abbezahlt ist. Unterwegs entdeckten wir noch einen Womo-Fahrer
mit einem platten Reifen. Wir lachten schelmisch aus dem Fenster und
rauschten vorbei. Armer Tropf. Nein Scherz. Wir hielten natürlich an
und erkundeten uns ob alles okay sei. Das ältere Ehepaar hatte zwar
einen Ersatzreifen dabei, doch mit ihrem Wagenheber wäre ihr
Wochenende vorbei ehe sie den alten Reifen runter hätten. So gingen
wir ihnen mit unserem Werkzeug zur Hand und im Handumdrehen war da
ein neues Rad am Wohnmobil und die beiden konnten weiter in die Berge
fahren. Kurz später zickte aber plötzlich unser Wohnmobil. Der
Lenker wackelte relativ deftig im Takt und die Strasse war frisch
geteert. Auch eine Strasse später, bei anderem Belag, wackelte das
Steuer in meinen Händen. Für mich war schnell klar: Unwucht an
einem Rad. Wohl die kleinen Blei-Gewichte (Papa Jecklin wird jetzt
wohl wissen wie die heissen) verloren. Kann man wohl nix machen
ausser an der nächsten Garage mal lieb fragen, ob man dies schnell
beheben könnte. Abermals kurz später knackte es gleich links von
mir am vorderen Rad. Beim Blick aus dem Fenster sah ich den Raddeckel
neben mir her rollen ehe er im Gras verschwand. Und weg war die
Unwucht. Wenn sich alle Probleme so gut selber lösen würden.
Nun kamen wir aber in Lom an. Zuerst
suchten wir uns einen kleinen Parkplatz am Sportplatz um zu kochen
und kurz zu verschnaufen. Denn eigentlich wollten wir heute noch kurz
den Ort anschauen, welcher uns bei den beiden Durchfahrten sehr
gefiel und so nicht Norwegen-typisch erschien. Und so taten wir dies
und fuhren zu der Kirche. Dort standen auch wieder an die 10
Reisebusse. Die Kirche und das Gelände waren jedoch fast verlassen
und wir konnten uns in Ruhe die Kirche ansehen. Laut Reiseführer und
Infoschild handelte es sich dabei um eine Stabkirche, was aber
irgendwie nicht sein kann. Die Kirche ist im Vergleich zu der in
Heddal nämlich riesig – und diese soll ja die Grösste in Norwegen
sein. Die Kirche hier in Lom ist jedoch teilweise auch in diesem
typischen Stil erbaut. Aber eben nur teils. Ich fand aber leider
nirgendwo eine genauere Erklärung zu dieser Frage. Wir erkundeten
dann auch noch den Rest des Dörfchens. Die Häuser hier sind alle in
sehr dunklem Braun mit weissen Details gehalten. Alles war fein
säuberlich herausgeputzt – ein typisches Touristendorf. Jedoch
irgendwie nicht typisch norwegisch. Nach ein paar Fotos machten wir
uns auf den weiteren Weg. Der erste Stellplatz war nichts für uns.
Doch schon bald fanden wir ein Plätzchen im Walde. Zwei Deutsche
schafften es den Platz für vier Womos zu besetzen und so verzogen
wir uns in eine Sackgasse im Wald. Dort ganz hinten stehen wir nun,
duschen und geniessen den Abend hier im Grünen. Morgen geht es
endlich wieder nach Reiseführer und wohl nicht mehr ganz so viele
Kilometer zu Fuss wie die Wandertage I – IV.
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