Freitag, 29. Juni 2018

Wandertag IV - Zu Besuch bei Tante Ju

In der wunderschönen Umgebung im tollen Niemandsland kann man ja nur gut und ungestört schlafen. Müsste man denken. Doch irgendwie konnte ich im Gegensatz zu Melanie einfach nicht schlafen. Immer wieder wachte ich auf und konnte beinahe durch die Schlafmaske die brutale Helligkeit im Wohnmobil erahnen. Hier in den Bergen stand die Sonne um 3 Uhr früh schon wieder am Himmel und auch bis da war es niemals dunkler als wenn tagsüber eine Wolke kurz die Sonne verdeckt. Das war aber wohl nicht der einzige Grund. 



Trotzdem war ich einigermassen fit als wir um 9 Uhr am Frühstückstisch sassen. Noch ein letzter Wandertag sollte heute anstehen und dieser wieder zu einem ganz speziellen Ort. Wir waren bereit, der Rucksack war bereit, das GPS war bereit. Alles. Nur die Wanderschuhe nicht. Trotz Stopfen mit Papier trockneten sie diese Nacht nicht aus. So mussten wir mit unseren leichten Wanderschuhen auf die 20 Kilometer lange Wanderung durch die norwegische Bergwelt.

Wir starteten voller Elan in diese Umgebung, welche sich von der der letzten Tage sehr unterschied. Hier waren wir zwar über der Baumgrenze und im Gebirge. Doch keine hohen Berge, keine steilen Felswände und auch keine Gebirgspfade. Die Gegend könnte man eher als riesige Hochebene bezeichnen. Aber wirklich als riesige. Man blickt auf viele Kilometer in die Ferne und erblickt einfach nichts als die immer selbe Landschaft. In der Nähe wie auch in der Ferne. Traumhaft die Weite und die absolute Leere. Doch trotzdem mussten wir nach einer Stunde zugeben, dass wir die Landschaft hier langsam nicht mehr sehen können. Durch die riesige Entfernung zum Horizont hatte man das Gefühl an Ort und Stelle zu laufen. Dass die Landschaft sich kein wenig änderte unterstützte dieses Gefühl noch. Ja hier war heute einmal nicht der Weg das Ziel. Heute war das Ziel das Ziel.

Dieses Ziel zeigte sich nach anderthalb Stunden Fussmarsch an einem kleinen Hang in einiger Entfernung. Ein kleines Etwas lag da auf dem Hügel. Doch es dauerte nochmals über eine halbe Stunde ehe wir uns endlich in der Nähe befanden. Am Boden entdeckten wir nun langsam immer mehr Müll. Aluminium und Stahl in kleinen Stücken und Fetzen. Die Fetzten wurden immer Grösser ehe sie sogar solche Dimensionen hatten, dass wir eine Hülle mit Fenstern erkannten. Und dann, eine kleine Kuppe später, stand sie vor uns. Die Junker Ju 52, allen wohl eher als Tante Ju bekannt. Der Zustand des Flugzeuges ist jedoch nicht ganz so toll wie jene im Verkehrshaus oder auf dem Flughafen Dübendorf. Dies führt von der Art wie dieses Flugzeug hier in die Pampa gelang ist. Nämlich auf direktestem Weg vom Himmel mit einer sehr unsanften Landung. Am 30. Oktober 1942 wollte die Junker hier kurz nach ihrem Start in Oslo eine Notlandung durchführen, nachdem der Motor wegen Vereisung ausfiel. Diese fiel jedoch sehr unsanft aus und die Maschine verschwand vom Radar. Erst am 3. November 1942 wurde die deutsche Maschine gefunden. Der Pilot verstarb direkt beim Absturz, das einzige andere Besatzungsmitglied konnte jedoch verwundet geborgen werden. Seit diesem tragischen Tag liegt die Junker Ju nun hier. Keiner machte sich die Mühe auch nur ein Teil von ihr zu holen oder zu entsorgen. Hier mitten im Nirgendwo stört sie ja keinen. Und wenn man den einzigen Weg der zu ihr führt sieht, weiss man, dass sie auch nur ganz selten Besuch bekommt. Der Geocache welcher hier liegt wird ungefähr 10 Mal im Jahr geloggt. Liegt eben nicht gerade an der Strasse die Tante Ju. Wir machten viele Fotos und verpflegten uns, ehe wir den Rückweg antraten. 









Der Rückweg war dann genau derselbe wie der Rückweg. Heisst nochmals über 11 Kilometer Ödland. Jetzt ohne das lang ersehnte Ziel vor Augen, war der Weg noch schlimmer für den Kopf. Die Einsamkeit mochte uns nicht mehr zu imponieren und wir legten ein ordentliches Tempo an den Tag. So dauerte es auch keine 2 Stunden ehe wir am Parkplatz waren, welcher uns ein deutscher Cacher empfohlen hatte. Er hatte den Cache letztes Jahr besucht und so konnten wir von seinem Wissen profitieren und überhaupt einen so nahen Parkplatz finden. Geocaching macht eben einiges einfacher.

Am Womo angekommen waren wir zum ersten Mal so richtig fertig. Die vier harten Wandertage hinterliessen ihre Spuren. Die Füsse und Beine schmerzten nun wirklich ein wenig. Doch die vier Tage boten eine wundervolle Abwechslung. Verschiedene Landschaften, verschiedene Ziele, verschiedene Wege. Wir entdeckten wundervolle Täler, traumhafte Aussichten, eine blau schimmernde Gletscherzunge, den höchsten Gipfel Norwegens und ein Wrack eines abgestürzten Flugzeuges. Und das alles in fünf Wanderungen an vier Tagen. Norwegen kann das!

Es war aber noch zu früh um schon auszuruhen. Wir machten uns an den Rückweg zu unserer Route nach Lom. Wir entdeckten auf dem Rückweg eine neue Autobahn, welche durch Tunnels und über gute Strassen bis Otta führte und uns 20 Minuten ersparte. Dafür kostete sie natürlich einiges an Maut, da sie noch nicht abbezahlt ist. Unterwegs entdeckten wir noch einen Womo-Fahrer mit einem platten Reifen. Wir lachten schelmisch aus dem Fenster und rauschten vorbei. Armer Tropf. Nein Scherz. Wir hielten natürlich an und erkundeten uns ob alles okay sei. Das ältere Ehepaar hatte zwar einen Ersatzreifen dabei, doch mit ihrem Wagenheber wäre ihr Wochenende vorbei ehe sie den alten Reifen runter hätten. So gingen wir ihnen mit unserem Werkzeug zur Hand und im Handumdrehen war da ein neues Rad am Wohnmobil und die beiden konnten weiter in die Berge fahren. Kurz später zickte aber plötzlich unser Wohnmobil. Der Lenker wackelte relativ deftig im Takt und die Strasse war frisch geteert. Auch eine Strasse später, bei anderem Belag, wackelte das Steuer in meinen Händen. Für mich war schnell klar: Unwucht an einem Rad. Wohl die kleinen Blei-Gewichte (Papa Jecklin wird jetzt wohl wissen wie die heissen) verloren. Kann man wohl nix machen ausser an der nächsten Garage mal lieb fragen, ob man dies schnell beheben könnte. Abermals kurz später knackte es gleich links von mir am vorderen Rad. Beim Blick aus dem Fenster sah ich den Raddeckel neben mir her rollen ehe er im Gras verschwand. Und weg war die Unwucht. Wenn sich alle Probleme so gut selber lösen würden.

Nun kamen wir aber in Lom an. Zuerst suchten wir uns einen kleinen Parkplatz am Sportplatz um zu kochen und kurz zu verschnaufen. Denn eigentlich wollten wir heute noch kurz den Ort anschauen, welcher uns bei den beiden Durchfahrten sehr gefiel und so nicht Norwegen-typisch erschien. Und so taten wir dies und fuhren zu der Kirche. Dort standen auch wieder an die 10 Reisebusse. Die Kirche und das Gelände waren jedoch fast verlassen und wir konnten uns in Ruhe die Kirche ansehen. Laut Reiseführer und Infoschild handelte es sich dabei um eine Stabkirche, was aber irgendwie nicht sein kann. Die Kirche ist im Vergleich zu der in Heddal nämlich riesig – und diese soll ja die Grösste in Norwegen sein. Die Kirche hier in Lom ist jedoch teilweise auch in diesem typischen Stil erbaut. Aber eben nur teils. Ich fand aber leider nirgendwo eine genauere Erklärung zu dieser Frage. Wir erkundeten dann auch noch den Rest des Dörfchens. Die Häuser hier sind alle in sehr dunklem Braun mit weissen Details gehalten. Alles war fein säuberlich herausgeputzt – ein typisches Touristendorf. Jedoch irgendwie nicht typisch norwegisch. Nach ein paar Fotos machten wir uns auf den weiteren Weg. Der erste Stellplatz war nichts für uns. Doch schon bald fanden wir ein Plätzchen im Walde. Zwei Deutsche schafften es den Platz für vier Womos zu besetzen und so verzogen wir uns in eine Sackgasse im Wald. Dort ganz hinten stehen wir nun, duschen und geniessen den Abend hier im Grünen. Morgen geht es endlich wieder nach Reiseführer und wohl nicht mehr ganz so viele Kilometer zu Fuss wie die Wandertage I – IV. 



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