Spontan überkam mich gestern Abend
noch die Lust nach Sport. Dem muss man immer nachgeben und so fand
ich mich schon bald in meinen Sportklamotten wieder, während Melanie
im Womo blieb. Ich lief durch das schöne Dorf, immer weiter bergauf.
Dort angekommen wollte ich auf einen Trampelpfad wechseln, der jedoch
mit AlpineT3 angegeben und definitiv zu rutschig war. Also zurück
ins warme Womo und ab unter die Dusche. Den Rest des Abends
verbrachten wir beide im Bett, immer in der Hoffnung aus dem Fenster
die Feuer zu entdecken. Leider war am ganzen Fjord kein Einziges
auszumachen. Ob das an der Waldbrandgefahr lag können wir nicht
sagen aber es könnte sein. Wir zogen schon bald unsere Schlafmasken
auf und kuschelten uns unter die Decke.
Stockdunkel war es als heute früh der
Wecker erklang. Dieses Gefühl hatte ich schon Ewigkeiten nicht mehr.
Man kann definitiv ohne Schlafmaske schlafen, man gewöhnt sich
schnell an das Helle, aber mit war es einfach besser. Ein Blick aus
dem Fenster zeigte, dass auch heute durchzogenes Wetter zu erwarten
ist und so beeilten wir uns nicht besonders vom Platz wegzukommen.
Wir folgten weiter dem Fjord und
schwebten schon bald über die Fykesundbrua. Die einspurige
Hängebrücke war nicht die kostengünstigste. So hielten wir
dahinter wenigstens an, fotografierten die Brücke und den vor uns
liegenden Fjord. Langsam näherten wir uns so dem Ziel, welches ich
morgens ins Navi programmiert hatte. An dieser Entsorgungsstelle
wollten wir das Abwasser leeren und Wasser nachfüllen – nach dem
Duschen gestern Abend wohl nötig. Wir fanden uns am Parkplatz einer
Kirche wieder. Melanie bemerkte schnell, dass ich eine Linie
verrutscht war, wir uns an einem Übernachtungsplatz befinden und die
Entsorgungsstelle schon lange passiert war. Naja – ich hoffte, dass
bald die Nächste kommt. Hier in Norwegen sind die ja vielzählig
So lenkte ich unser Womo eben zuerst
zum Steindalsfoss. Unser Reiseführer pries diesen Wasserfall als
„kleinen“ Wasserfall an, welcher noch toll wäre, da man hinter
ihm durchgehen kann. Das klang irgendwie süss und romantisch. An den
Koordinaten angekommen aber wieder das bekannte Bild. Riesiger
Parkplatz voller Reisecars, Besucherzentrum und eine Menschentraube
welche sich um den schönen Wasserfall versammelte. Da es auch gerade
regnete blieben wir noch kurz im Womo. Und plötzlich waren immerhin
die Cars und Menschen wie verschwunden. So konnten wir den Wasserfall
– der übrigens gar nicht so klein war – in Ruhe geniessen.
Hinter dem fallenden Wasser durchzugehen und die Gewalt eines solchen
Sturzes zu spüren ist schon etwas ganz spezielles. Wir schossen
Fotos, suchten und fanden einen Geocache und stöberten ein wenig im
Souvenirladen. Wir waren schon zurück am Womo als wieder der Regen
einsetzte. Super Timing um weiterzureisen.
Wir bewegten uns in Richtung Osoyro.
Diesen Südzipfel der Halbinsel merkten wir uns einfach als Wegpunkt
um auf dem richtigen Wege nach Bergen zu kommen. Das Städtchen war
grösser als gedacht und so bot es auch eine Entsorgungsstelle, womit
ich meinen Fehler wiedergutmachen konnte. Während dem Entsorgen
bemerkten wir zudem, dass die Stadt hier ein offenes WLAN bietet. Das
freute uns sehr, denn so konnten wir einige Dinge erledigen. Unser
spezieller Trip, welchen wir später auf unserer Reise noch vor uns
haben, wollte geplant werden. Aber auch weitaus unangenehmere Dinge
standen auf der To-Do-Liste. So mussten im E-Finance die Rechnungen
bezahlt und vor allem die VISA wieder aufgeladen werden.
Ein weiterer Halt führte uns zum
Lysekloster. Viel ist von dem Kloster aus dem Jahre 1146 nicht mehr
vorhanden. Erst 1930 wurde das vergessene Kloster neu entdeckt und
restauriert. Ein paar Bogen des Laubenganges, diverse Mauerrest und
ein paar wenige Gräber zeugen jedoch heute noch von dem imposanten
Bauwerk, welches hier einmal gestanden haben muss. Wir besichtigten
die Stätte und fragten uns wie und ob die heidnischen Wikinger wohl
zum katholischen Kloster bekehrt wurden.
Nun waren wir aber bereit uns nach
Bergen zu begeben. Wir näherten uns der Stadt von Süden und machten
uns auf den Weg zum Hafen. Dort in der Nähe hatten wir Hoffnung auf
einen Parkplatz. An Sonntagen sind diese kostenlos und oftmals auch
nicht überfüllt. Der Verkehr in der Stadt war aber auch heute eher
mühsam und wir kämpften uns durch viele Autos und noch mehr
Reisecars über die katastrophalen Strassen der Stadt. Die
zweitgrösste Stadt Norwegens (beinahe 300'000 Einwohner) ist
zugleich auch die regenreichste Stadt des Landes, was sie uns gleich
bei Erreichen des Hafens demonstrierte. Wir fanden immerhin einen
Parkplatz und luden unsere Räder vom Träger. Wir starteten in
Richtung Altstadt um uns dort umzusehen. Die Läden waren natürlich
alle geschlossen und die Altstadt nicht wirklich gut besucht. Das war
uns jedoch sowieso lieber. Shopping liegt nicht drin und wenig Leute
hat uns noch nie gestört. Wir entdeckten vor allem viele
Restaurants, was unser Hungergefühl in die Höhe schnellen liess.
Doch wir gaben nicht nach und stapfen weiter durch den
Regen-Nebel-Mix. Wir besichtigten Parks, Seen und Gebäude ehe wir
uns an den wohl bekanntesten Teil der Stadt wagten.
Dieser Teil nennt sich Bryggen und
besteht aus den 1343 errichteten Hansekontoren der Hanse. Der
korrekte Name des Quartiers, welches ein UNESCO Weltkulturerbe
darstellt, wäre eigentlich Tyskebryggen – deutsche Brücke. Doch
nach der Besetzung der Deutschen im zweiten Weltkrieg waren (oder
sind?) die Deutschen nicht sehr beliebt in Norwegen. Deshalb wird das
Quartier nur noch Bryggen genannt. Noch knapp über 60 Gebäude
stehen in diesem Stadtteil und als wir Bryggen betraten, fühlten wir
uns in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Klar – jeder
kennt Altstädte. Die von Zürich. Bern, Luzern und vielleicht auch
ein paar bedeutende in Europa. Doch dies hier ist komplett eine
andere Welt. Die schiefen Holzhäuser schreien die Geschichten in die
schmalen Durchgänge. Kein McDonalds, kein H&M und kein Primark –
nur traditionelles Handwerk bietet hier seine Waren und
Dienstleistungen an. Der Boden besteht aus Holzdielen. Die Häuser
sind alle im Originalzustand. Ja es ist wirklich ein Ort wie wir ihn
noch nie erlebten. Wir erkundeten jede Gasse des geschichtsträchtigen
Teils von Bergen. Es dauerte eine Weile ehe wir an den alten Hafen
heraustraten und Bryggen von vorne betrachteten. Die Häuserfassaden
sind weltbekannt und schmücken jedes Souvenir und jede Postkarte von
Bergen. Doch die Fassaden mögen nicht mit dem Inneren mithalten.
Obwohl sie wunderschön sind. Doch solche Fassaden sind für Norwegen
typisch und sieht man des öfteren. Was hinter der Fassade schlummert
ist jedoch unvergleichbar.
Nach der Besichtigung des Hansekontors
(Bryggen war nie eine Hansestadt, sondern Lübeck unterstellt) waren
wir langsam so richtig durchfroren. Die neuen Regenjacken hielten
immerhin zuverlässig die Nässe fern – doch so richtig Lust hatten
wir nun keine mehr. Auch hier zu essen schien uns nun unnötig und
dies obwohl die Restaurants hier erstaunlich günstig waren. Wir
machten uns zum Womo und traten in die warme Stube. Immer wieder ein
geniales Gefühl. Da noch genügend Zeit war und die Nacht auf dem
Stellplatz in Bergen beinahe 20 Franken kosten würde, entschlossen
wir uns noch eine Stunde weiter auf unserer Route zu reisen. So
stehen wir nun nördlich von Bergen bei einer Kirche auf dem Hügel.
Ein Platz mit traumhafter Aussicht – so steht es im Reiseführer.
Wir sehen leider nur Nebel. Doch auch so werden wir den Abend
geniessen und den Sonntag bei einem Bierchen und Gemütlichkeit
ausklingen lassen.
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