Dienstag, 26. Juni 2018

Wandertag I - Flamtal

Ein greller Pfiff scheuchte uns heute aus dem Bett. Die erste Flambahn keuchte schon kurz nach 7 den Berg hinauf und machte auf sich aufmerksam. Wir liessen uns zuerst noch ein Frühstück schmecken, ehe wir unser Womo an den Bahnhof umparkten. Dort warteten wir auf die zweite Bahn des Tages, welche uns an die Endstation Myrdal bringen sollte. Ein Ticketautomat war am winzigen Bahnsteig nicht vorhanden. Laut Reiseführer müssten wir die Tickets im Zug lösen. Pünktlich bestiegen wir diese, fanden aber auch im Inneren keinen Automaten um eine Fahrkarte zu lösen. Wir nahmen also in dem historischen Bahnwagen Platz. Aufwendige Holzverzierungen, Holzdielen, Täferverkleidungen und samtene Sitze liessen den Zug im Glanz der Siebziger erscheinen. Die Koreaner drückten sich auch schon ordentlich die Nasen am Fenster platt – alles ganz normal. Grosse Bildschirme erzählten uns die Geschichte der Flambahn. Aus den Lautsprechern dröhnte eine Erzählstimme. Mal Koreanisch, mal Englisch und danach sogar noch Deutsch. Neben der Geschichte der Flambahn erfuhren wir auch noch von einer Sage im Tal. Eine Frau aus dem Untergrund tanzt hier manchmal durch die Wälder und versucht mit ihrem himmlischen Gesang Menschen unter Tage zu locken.

Der Zug wand sich durch Kehrtunnels und über beachtliche Steigungen durchs Gebirge. Wenn man mit der Rhätischen Bahn aufgewachsen ist, war das jetzt nicht das speziellste. Doch plötzlich hielt der Zug an. Der Grund wurde auch gleich über den Lautsprecher bekanntgegeben: 5 Minuten Fotohalt am Kjosfoss. Wir stiegen aus dem Zug und fanden uns auf einer riesigen Plattform wieder. Mitten im Wassernebel kämpften wir uns nach vorne um auch ein tolles Foto zu schiessen. Da grollte es plötzlich vom Wasserfall her. Auf die tiefen Bässe folgte Geigenspiel und Engelsgesang. Als Tüpfelchen auf dem I erschien uns eine schöne Frau, welche über die Wiesen und die Ruine am Wasserfall tanzte. Eine 3-Minütige Showeinlage welche uns schmunzeln und die Koreaner ausflippen liess. Die Zugfahrt von Flam nach Myrdal ist eine ganz normale norwegische Zugverbindung. Doch ein klein wenig touristische Spielerei konnte man dann eben doch nicht sein lassen. 




In Myrdal lebten früher 110 Menschen. Heute wohnt in dem Ort, welcher nur mit dem Zug erreichbar ist niemand mehr. Wir erreichten den Ort und verliessen den Zug. Dabei fiel uns auf, dass auch kein Zugpersonal die Fahrt begleitete, welches uns ein Ticket verkaufen hätte können. So freuten wir uns über die kostenlose Bergfahrt und betrachteten unsere weitere Optionen. Den Anschlusszug nach Oslo oder Bergen zu nehmen schien uns keine gute Idee. Den Zug nach Flam wieder zu besteigen und es den Koreanern gleichzutun war uns aber zu langweilig. So entschlossen wir uns wie erwartet für die Wanderung zurück zum Startpunkt. Der erste Teil dieser Wanderung führte dabei über 21 Serpentinen die alte Materialstrasse hinunter. Steil und mühsam führten die ersten Meter in den ersten Talboden. Von dort an erwartete uns ein gemütlicher Spaziergang. Über 12 Kilometer wanderten wir durch das wundervolle Tal und begegneten nur einer handvoll Menschen. Schon bald erreichten wir wieder unser Womo und waren froh, dass wir nicht bis ganz nach Flam mussten und unser Womo hier oben geparkt hatten. 







Die Fahrt führte uns also wieder bergab und wir besuchten nochmals den Fjord. Das riesige Kreuzfahrtschiff war einem kleineren gewichen und gab dem Parkplatz ein bisschen mehr Luft. Wir gönnten uns ein leckeres Mittagessen und danach zur Abkühlung nochmals ein Bad im eiskalten Fjord.

Wir verliessen Flam über den kürzesten Weg. Unser Reiseführer konnte uns nicht überzeugen, über das Fjell zu fahren. Lieber besuchten und befuhren wir den längsten Strassentunnel der Welt. Für mehr als 24 Kilometer verschwanden wir unter der Erde. Wir waren überrascht, dass der Tunnel kostenlos befahrbar war. Doch angesichts der schwachen Beleuchtung, Belüftung und fehlen jeglicher Infrastruktur war uns das dann doch auch wieder klar. Der Tunnel ist nicht vielbefahren und auch überholen ist problemlos möglich und erlaubt. Solange nur nichts passiert. Rettungsstollen oder ähnliches gibt es auch hier nicht. Dafür Dunkelheit. Viel Dunkelheit. Nach einer knappen Viertelstunde machte der Körper erste Anstalten, dass ihm die erste Dunkelheit seit über einem Monat doch sehr zu gefallen scheint. Man wird unweigerlich müde. Und so ist man froh, kann man nach knapp über 20 Minuten wieder die Sonne erblicken. Ohne Vorwarnung und direkt an einem Kreisel. Doch es klappte alles bestens.

Wir folgten als nächstes dem historischen Königsweg in Richtung Oslo/Bergen. Wir besuchten einen Gedenkstein für ein grosses Ereignis in der Geschichte Norwegens. Der erste Automobiltourist in Norwegen benutzte auf seinem Weg von Kristiania (heute: Oslo) nach Laerdal am 1. August 1901 diese Route. Das reichte für einen Gedenkstein und einen riesigen Parkplatz. 



Doch nur deswegen hätten wir den Abstecher nicht unternommen. Nur ein paar Minuten weiter erwartete uns die Stabkirche von Borgund. Diese gilt als eine der schönsten Stabkirchen Norwegens und davon wollten wir uns natürlich überzeugen. Und ja: die Stabkirche war wirklich schön anzusehen. Besonders ihr schwarzes Kleid, welche sie einem kompletten Teer-Überzug verdankt, brachte die Konturen so richtig hervor. Doch die 11 Franken Eintritt pro Person für die kleine Kirche sparten wir uns dann doch. Der Vorteil von heute: man kann im Google nachsehen und entscheiden ob es sich lohnt oder nicht. Hier waren unser Fazit, dass sich ein Besuch von Innen nicht lohnt. 



So rollten wir schon bald weiter. Viel hatten wir heute nicht mehr vor. Nach diversen Tunnelfahrten setzten wir mit der Fähre von Fodness nach Manheller über. Dort darf man wieder ca. 100 Meter am Tageslicht fahren, ehe einem wieder ein Tunnel verschluckt. Nach diesem durften wir die Umgebung dafür umso besser begutachten. 25 Minuten standen wir baustellenbedingt in einem Stau. Wir machten einen Fahrerwechsel, Melanie setzte sich hinters Steuer und ich begann mit dem Schreiben des Blogs. Für die letzten 2,5 Kilometer wechselten wir die Posten aber wieder. Eine Schotterstrasse führte uns abermals steil bergan auf einen Wanderparkplatz. Einsamkeit erwarteten wir – eine Blechlawine fanden wir vor. Die Wanderung zum Molden scheint wohl doch beliebter als gedacht. 



Es war erst kurz nach 17 Uhr und wir standen schon am Übernachtungsplatz. Die Sonne stand hoch und wärmte mit ihren Strahlen. Dies nutzten wir gleich aus und legten einen Waschgang ein. Wir füllten unsere Kessel mit Wasser und begannen die vielen Unterhosen, Socken, Shirts und Pullover der letzten Wochen zu waschen. Die Wäscheleine wurde gespannt und alles zum trocknen aufgehängt. Nebenbei wurde gegrillt, gegessen und getrunken. Was für ein Leben. Am WC-Haus entdeckte Melanie vorhin noch eine Aussensteckdose mit Strom – da werden wir wohl noch unser Womo anschliessen, sobald die Autos, welche davor parken, verschwunden sind. Es kommen jedoch immer wieder neue Wanderer und machen sich auf den Weg zum Berggipfel – und das um 20 Uhr. Doch die Sonne steht noch hoch und auf den 1200 Metern, auf welchen sich der Gipfel befindet, wird sie wohl praktisch nicht untergehen. Wir überlegten uns noch kurz uns auch den Wanderern anzuschliessen. Doch wir hatten schon einiges an Fussmarsch heute und hoffen, dass auch morgen früh das Wetter mitspielt um den Berg zu erklimmen. So verbringen wir den Abend an der Sonne und geniessen es einfach nur hier in der Natur zu sein. 






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen