Ein greller Pfiff scheuchte uns heute
aus dem Bett. Die erste Flambahn keuchte schon kurz nach 7 den Berg
hinauf und machte auf sich aufmerksam. Wir liessen uns zuerst noch
ein Frühstück schmecken, ehe wir unser Womo an den Bahnhof
umparkten. Dort warteten wir auf die zweite Bahn des Tages, welche
uns an die Endstation Myrdal bringen sollte. Ein Ticketautomat war am
winzigen Bahnsteig nicht vorhanden. Laut Reiseführer müssten wir
die Tickets im Zug lösen. Pünktlich bestiegen wir diese, fanden
aber auch im Inneren keinen Automaten um eine Fahrkarte zu lösen.
Wir nahmen also in dem historischen Bahnwagen Platz. Aufwendige
Holzverzierungen, Holzdielen, Täferverkleidungen und samtene Sitze
liessen den Zug im Glanz der Siebziger erscheinen. Die Koreaner
drückten sich auch schon ordentlich die Nasen am Fenster platt –
alles ganz normal. Grosse Bildschirme erzählten uns die Geschichte
der Flambahn. Aus den Lautsprechern dröhnte eine Erzählstimme. Mal
Koreanisch, mal Englisch und danach sogar noch Deutsch. Neben der
Geschichte der Flambahn erfuhren wir auch noch von einer Sage im Tal.
Eine Frau aus dem Untergrund tanzt hier manchmal durch die Wälder
und versucht mit ihrem himmlischen Gesang Menschen unter Tage zu
locken.
Der Zug wand sich durch Kehrtunnels und
über beachtliche Steigungen durchs Gebirge. Wenn man mit der
Rhätischen Bahn aufgewachsen ist, war das jetzt nicht das
speziellste. Doch plötzlich hielt der Zug an. Der Grund wurde auch
gleich über den Lautsprecher bekanntgegeben: 5 Minuten Fotohalt am
Kjosfoss. Wir stiegen aus dem Zug und fanden uns auf einer riesigen
Plattform wieder. Mitten im Wassernebel kämpften wir uns nach vorne
um auch ein tolles Foto zu schiessen. Da grollte es plötzlich vom
Wasserfall her. Auf die tiefen Bässe folgte Geigenspiel und
Engelsgesang. Als Tüpfelchen auf dem I erschien uns eine schöne
Frau, welche über die Wiesen und die Ruine am Wasserfall tanzte.
Eine 3-Minütige Showeinlage welche uns schmunzeln und die Koreaner
ausflippen liess. Die Zugfahrt von Flam nach Myrdal ist eine ganz
normale norwegische Zugverbindung. Doch ein klein wenig touristische
Spielerei konnte man dann eben doch nicht sein lassen.
In Myrdal lebten früher 110 Menschen.
Heute wohnt in dem Ort, welcher nur mit dem Zug erreichbar ist
niemand mehr. Wir erreichten den Ort und verliessen den Zug. Dabei
fiel uns auf, dass auch kein Zugpersonal die Fahrt begleitete,
welches uns ein Ticket verkaufen hätte können. So freuten wir uns
über die kostenlose Bergfahrt und betrachteten unsere weitere
Optionen. Den Anschlusszug nach Oslo oder Bergen zu nehmen schien uns
keine gute Idee. Den Zug nach Flam wieder zu besteigen und es den
Koreanern gleichzutun war uns aber zu langweilig. So entschlossen wir
uns wie erwartet für die Wanderung zurück zum Startpunkt. Der erste
Teil dieser Wanderung führte dabei über 21 Serpentinen die alte
Materialstrasse hinunter. Steil und mühsam führten die ersten Meter
in den ersten Talboden. Von dort an erwartete uns ein gemütlicher
Spaziergang. Über 12 Kilometer wanderten wir durch das wundervolle
Tal und begegneten nur einer handvoll Menschen. Schon bald erreichten
wir wieder unser Womo und waren froh, dass wir nicht bis ganz nach
Flam mussten und unser Womo hier oben geparkt hatten.
Die Fahrt führte uns also wieder
bergab und wir besuchten nochmals den Fjord. Das riesige
Kreuzfahrtschiff war einem kleineren gewichen und gab dem Parkplatz
ein bisschen mehr Luft. Wir gönnten uns ein leckeres Mittagessen und
danach zur Abkühlung nochmals ein Bad im eiskalten Fjord.
Wir verliessen Flam über den kürzesten
Weg. Unser Reiseführer konnte uns nicht überzeugen, über das Fjell
zu fahren. Lieber besuchten und befuhren wir den längsten
Strassentunnel der Welt. Für mehr als 24 Kilometer verschwanden wir
unter der Erde. Wir waren überrascht, dass der Tunnel kostenlos
befahrbar war. Doch angesichts der schwachen Beleuchtung, Belüftung
und fehlen jeglicher Infrastruktur war uns das dann doch auch wieder
klar. Der Tunnel ist nicht vielbefahren und auch überholen ist
problemlos möglich und erlaubt. Solange nur nichts passiert.
Rettungsstollen oder ähnliches gibt es auch hier nicht. Dafür
Dunkelheit. Viel Dunkelheit. Nach einer knappen Viertelstunde machte
der Körper erste Anstalten, dass ihm die erste Dunkelheit seit über
einem Monat doch sehr zu gefallen scheint. Man wird unweigerlich
müde. Und so ist man froh, kann man nach knapp über 20 Minuten
wieder die Sonne erblicken. Ohne Vorwarnung und direkt an einem
Kreisel. Doch es klappte alles bestens.
Wir folgten als nächstes dem
historischen Königsweg in Richtung Oslo/Bergen. Wir besuchten einen
Gedenkstein für ein grosses Ereignis in der Geschichte Norwegens.
Der erste Automobiltourist in Norwegen benutzte auf seinem Weg von
Kristiania (heute: Oslo) nach Laerdal am 1. August 1901 diese Route.
Das reichte für einen Gedenkstein und einen riesigen Parkplatz.
Doch nur deswegen hätten wir den
Abstecher nicht unternommen. Nur ein paar Minuten weiter erwartete
uns die Stabkirche von Borgund. Diese gilt als eine der schönsten
Stabkirchen Norwegens und davon wollten wir uns natürlich
überzeugen. Und ja: die Stabkirche war wirklich schön anzusehen.
Besonders ihr schwarzes Kleid, welche sie einem kompletten
Teer-Überzug verdankt, brachte die Konturen so richtig hervor. Doch
die 11 Franken Eintritt pro Person für die kleine Kirche sparten wir
uns dann doch. Der Vorteil von heute: man kann im Google nachsehen
und entscheiden ob es sich lohnt oder nicht. Hier waren unser Fazit,
dass sich ein Besuch von Innen nicht lohnt.
So rollten wir schon bald weiter. Viel
hatten wir heute nicht mehr vor. Nach diversen Tunnelfahrten setzten
wir mit der Fähre von Fodness nach Manheller über. Dort darf man
wieder ca. 100 Meter am Tageslicht fahren, ehe einem wieder ein
Tunnel verschluckt. Nach diesem durften wir die Umgebung dafür umso
besser begutachten. 25 Minuten standen wir baustellenbedingt in einem
Stau. Wir machten einen Fahrerwechsel, Melanie setzte sich hinters
Steuer und ich begann mit dem Schreiben des Blogs. Für die letzten
2,5 Kilometer wechselten wir die Posten aber wieder. Eine
Schotterstrasse führte uns abermals steil bergan auf einen
Wanderparkplatz. Einsamkeit erwarteten wir – eine Blechlawine
fanden wir vor. Die Wanderung zum Molden scheint wohl doch beliebter
als gedacht.
Es war erst kurz nach 17 Uhr und wir
standen schon am Übernachtungsplatz. Die Sonne stand hoch und wärmte
mit ihren Strahlen. Dies nutzten wir gleich aus und legten einen
Waschgang ein. Wir füllten unsere Kessel mit Wasser und begannen die
vielen Unterhosen, Socken, Shirts und Pullover der letzten Wochen zu
waschen. Die Wäscheleine wurde gespannt und alles zum trocknen
aufgehängt. Nebenbei wurde gegrillt, gegessen und getrunken. Was für
ein Leben. Am WC-Haus entdeckte Melanie vorhin noch eine
Aussensteckdose mit Strom – da werden wir wohl noch unser Womo
anschliessen, sobald die Autos, welche davor parken, verschwunden
sind. Es kommen jedoch immer wieder neue Wanderer und machen sich auf
den Weg zum Berggipfel – und das um 20 Uhr. Doch die Sonne steht
noch hoch und auf den 1200 Metern, auf welchen sich der Gipfel
befindet, wird sie wohl praktisch nicht untergehen. Wir überlegten
uns noch kurz uns auch den Wanderern anzuschliessen. Doch wir hatten
schon einiges an Fussmarsch heute und hoffen, dass auch morgen früh
das Wetter mitspielt um den Berg zu erklimmen. So verbringen wir den
Abend an der Sonne und geniessen es einfach nur hier in der Natur zu
sein.
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