Ja
das mit dem frühen zu Bett gehen hat auch gestern wieder einmal
nicht funktioniert. Schuld war dieses Mal mein Buch, das nach 250
Seiten sich genau gestern dazu entschloss, doch noch sehr spannend zu
werden. Irgendwann siegte die Vernunft aber doch noch und wir
löschten das Licht und zogen ins Land der Träume. Lange sollte der
Besuch dort aber nicht dauern. Wir erwachten gegen 3 Uhr in der
Nacht, weil jemand an unserem Womo rüttelte. Es war der Wind, oder
eher schon der Sturm. Ein Blick nach draussen zeigte, dass sich die
Sträucher bis zum Boden bogen und auch in den anderen Womos brannte
Licht. Unglaublich wie der Wind peitschte und die Wassertropfen des
Regens an die Aussenhaut unseres Wohnmobils schmetterte. Es war einem
teilweise schon fast ein wenig mulmig. Das Meer, welches an der
Stelle in einer Art Bucht lag, war immerhin genauso ruhig wie am
Abend vor dem Wind. Und ein Umstellen des Fahrzeuges erschien uns bei
dem Wind als noch gefährlicher. Nach etwa 30 Minuten war der Spuk
vorbei, alle Womos noch an ihrem Ort und das Licht wurde nach und
nach bei allen wieder gelöscht. So auch bei uns.
Um
06:00 klingelte erbarmungslos der Wecker. Doch der Regen prasselte
unaufhörlich auf das blecherne Dach. Wir entschlossen uns den Wecker
um eine Stunde nach hinten zu verschieben und ich war darüber auch
gar nicht so böse. Um 7 Uhr dasselbe Spiel und auch um 8 Uhr war es
keinen Deut besser. So war es eben doch schon 9 Uhr als wir uns aus
den Federn wagten und uns an den Frühstückstisch setzten. Den
Anderen schien es gleich zu ergehen und erst jetzt begannen die
Fahrzeuge nach und nach den Platz zu verlassen. Wir checkten nochmals
das Wetter und entdeckten, dass der Nachmittag besser wird. Nicht
gut, aber besser.
Beinahe
12 Uhr war es, als wir den Parkplatz des Preikestolen erreichten. In
unserem Reiseführer wurden wir schon vorgewarnt, dass der Parkplatz
(unabhängig von der Dauer) 150NOK (um die 17 Franken) kostet. Vor
Ort waren die 150 auf dem Schild aber überklebt und durch ein 200NOK
(23 Franken) ersetzt worden. Ja auch die Norweger wissen wo man das
Geld holen kann. Geboten kriegt man dann eigentlich nichts ausser
einem schiefen Kiesplatz, auf dem die Womos immerhin einen separaten
Bereich haben, jedoch spätestens bis Mitternacht verschwunden sein
müssen.
Das
Wetter hielt sich nicht genau an die 12Uhr-Marke und wir machten es
unseren Parkplatznachbarn gleich und warteten noch ein wenig im Womo.
Den gröbsten Regen überbrückten wir so mit Kaffee und lesen. Doch
um 12:40 ging es dann endlich los. Der Regen liess nach und wir
stürzten uns auf die Wanderung zum Preikestolen. Ja diese
Sehenswürdigkeit muss man sich erarbeiten. 2 Stunden dauert der Weg
zu der Felskanzel und es handelt sich dabei um eine Gebirgswanderung.
Nichts von einer geteerten Fussgängerautobahn oder schönen Treppen.
Über Stock und Stein kämpft man sich über 300 Höhenmeter und 4
Kilometer zum Brocken.
Wir
waren gut dabei und kamen auch sehr gut vorwärts. Wir waren aber
auch gut ausgerüstet. Gebirgswanderschuhe, Regenjacke, Regenhose,
Rucksack. Was wir an Leuten überholten und was uns entgegen kam,
liess uns nur den Kopf schütteln. Touristen in Jeans (sind super
wenn sie nass sind), Regenponchos (die günstigen zum Überwerfen),
Turnschuhen, leichten Stoffschuhen und sogar ohne Jacke. Alles war
hier wieder einmal unterwegs. Auch wie die Leute manchmal über die
kleinsten Felsblöcke auf allen Vieren umher kriechen lässt
vermuten, dass dies der erste Kontakt mit der Natur ist. Wir finden
es jedenfalls super, dass hier noch keine Seilbahn hochfährt und
jeder sich den Preikestolen erkämpfen muss. Genau eine Stunde und
fünf Minuten nach Abmarsch wanderten wir über eine Kuppe und
blieben abrupt stehen. Vor uns ging es ziemlich gerade hinunter bis
zum Lisefjord und ein bisschen weiter rechts erblickten wir unser
Ziel. Und das in der Hälfte der angegebenen Zeit.
Wir
waren überwältigt. Über 600 Meter geht es hier senkrecht hinunter,
bis Wasser der vielen Luft ein Ende setzt. Unbeschreiblich. Plötzlich
wird der Weg immer enger (nur im Kopf) und der Schwerpunkt des
Körpers verlagert sich wieder ungemein. Mein Gefühl hatte mehr
Schräglage als an manchem Sonntagmorgen wenn ich gegen 2 Uhr nach
Hause laufe. Doch wir schafften es auf die Plattform, wo sich diverse
Leute schon aufhielten. Trotz des Wetters fanden auch heute riesige
Menschenmassen zum Preikestolen. Dies spiegelte jedoch auch unsere
Erwartung anhand der Menschenschlange welche sich über den Weg bis
hierhin zog. Trotzdem konnten wir relativ gut und ungestört Fotos
schiessen, den Blick in die unglaubliche Tiefe wagen und gemütlich
unsere Brote verspeisen.
Ja der Preikestolen ist eine grosse Nummer. Wir dachten uns, dass man, hat man wie wir die Cliffs of Moher in Irland schon gesehen, hier in etwa dasselbe erwarten kann. Doch der Preikestolen ist ganz anders. Wirklich wie aus dem Fels gehauen steht die ebene Plattform da und es geht wirklich senkrecht nach unten. Noch nie habe ich so eine Höhe erlebt und gespürt.
Kurz
nach dem Essen und dem Schiessen der Fotos zog Nebel auf und der
Regen, welcher uns bisher nur ganz ganz leicht ab und zu berieselt
hatte, setzte ein. Er sollte die erste Hälfte des Abstiegs unsere
Jacken langsam durchnässen und uns fror es auch ein wenig. Wir waren
auch innen nass – jedoch eher vom Schwitzen beim Aufstieg. Der
Abstieg war dann in derselben Zeit geschafft, sodass wir in den
angegebenen 2 Stunden für den Aufstieg gleich auch noch den Abstieg
schafften. Kurz vor erreichen des Womos schüttete es nochmals
richtig um unsere mittlerweile nur noch feuchten Klamotten nochmals
richtig zu durchnässen. So wurde eben alles ins Bad, unsere
Trockenkammer, gehängt und die Heizung ordentlich aufgedreht.
Wir
nutzten das Wifi am Parkplatz um uns noch ein wenig über die
geplante (oder eben noch nicht geplante, also eher gewünschte) Reise
zum Kjeragbolten zu informieren. Leider wird das Wetter die restliche
Woche nicht besser. Diese 6 Stundenwanderung mit 800 Höhenmetern und
sehr schwierigem Terrain macht dieser Umstand doch zu einem eher
riskanten Unternehmen. Da auch die Fähre hin und zurück (oder der
Bus aus Stavanger) mit ca. 300 Franken zu Buche schlagen würde, ist
es auch noch ein teurer Ausflug. Und wenn wir dann wetterbedingt
nicht zu diesem berühmten Stein vordringen können, wäre dies ein
teurer Flop. Wir haben bereits so viele tolle Dinge gesehen und haben
noch so vieles vor uns, dass wir auch einmal etwas auslassen können.
Alles kann man sowieso nicht besuchen. Wo kämen wir denn hin, würden
wir jeden schönen und speziellen Ort in Norwegen besuchen. Und wer
weiss... vielleicht kommen wir ja wieder und dann brauchen wir ja
auch noch was um uns zu freuen.
Wir
machten uns danach also auf den Weg runter vom Berg. Wir wollten noch
ein wenig in Richtung Norden fahren. Nicht weit aber ein wenig. Denn
hier auf dem Parkplatz darf man auch für 23 Franken nicht
übernachten und der Kiesplatz am Ende der Stichstrasse nennt sich
Camping und nimmt einem pro Nacht wohl ungefähr das Doppelte ab.
Wofür die Leute das bezahlen wo man doch in Norwegen fast überall
übernachten darf? Wir wissen es nicht.
Nur
ein paar Kilometer weiter machten wir nochmals einen kurzen Halt an
der Hauptstrasse. Nur ein paar Schritte entfernt konnte man wieder
antike Felsritzungen betrachten. Melanie bekommt beim Anblick dieser
schon lange kein Herzklopfen mehr. Ja okay – ich auch nicht. Aber
die hier waren so nahe an der Route und versprachen ausnahmsweise ein
paar andere Motive als die bekannten Schiffe und Menschen von weiter
südlich. Naja – so prickelnd waren dann auch die neuen Sujets
nicht und wir machten uns bald auf den weiteren Weg. Dieser endete
nach wiederum 30 Minuten Fahrt an einem wundervollen See. Hier stehen
wir umsonst mit Seesicht auf dem grünen Rasen und geniessen die
Sonne, welche sich heute zum ersten Mal durch ein klitzekleines Loch
in den Wolken zeigt. Unser Nachbar im Westen könnte auch in der
Heimat beinahe unser Nachbar sein. Das Nummernschild ist schwarz und
ist mit dem Wappen des Fürstentums Lichtenstein geschmückt. Hier
bleiben wir nun und hoffen auf eine weniger stürmische Nacht.
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