Früh
ging heute der Wecker. Um ganz genau zu sein war es 05:20 als der
nervige Piepton ertönte. Doch heute freuten wir uns aufzustehen. Ja
heute war es soweit und ein kleiner Traum sollte wahr werden. Wir
erwandern die Trolltunga.
Wir
trafen uns mit unseren Womo-Nachbarn vom Parkplatz um kurz nach 6 und
spazierten gemütlich zum Hafen von Odda. Der Bus wartete schon auf
uns und pünktlich um 06:30 startete unsere Reise in Richtung
Tyssedal. Als wir diese kleine Ortschaft passiert hatten, ging es
über eine schmale Strasse zum für Womos gesperrten Wanderparkplatz.
Der gemütliche Teil sollte da enden, wir entstiegen dem Bus und
blickten auf einen wahrlich knackigen Anstieg.
Eine
Strasse windet sich mittels 16 Serpentinen die ersten 400 Höhenmeter
hinauf. Diese vier Kilometer waren vor allem für den Kopf gemein.
Die geteerte Strasse bietet einen Zugang zum ganz obersten Parkplatz
für die ersten 30 Autos des Tages. 600 NOK (also gegen 65 Franken)
muss man aber bereit sein, für 12 Stunden in den Parkscheinautomat
zu werfen. Aber man erspart sich die 4 Kilometer und kürzt die
Wanderung somit von 28 km auf total 20 km ab. Auch bei den
Höhenmetern wird man den Unterschied von 1200 oder 800 merken. Das
Einzige was uns überraschte, war, dass der Parkplatz noch immer
Platz zu bieten schien. Mit Schamesröte fuhren die Autos nämlich
noch immer an uns vorbei. Es waren vier oder fünf Stück während
diesen ersten 45 Minuten. Also schien sich der Ansturm noch in
Grenzen zu halten. Ob dies am Wetter lag? Es war bewölkt. Aber
trocken und angenehm warm. Eigentlich optimales Wanderwetter.
Auf
dem ersten Plateau angekommen, änderte sich der Weg dann in einen
gut ausgetretenen und unterhaltenen Wanderweg. Wir sahen nicht viele
Leute vor uns wandern, was uns positiv stimmte. Die in den Blogs oft
erwähnte Menschen-Polonaise blieb anscheinend aus – aber man soll
den Tag ja nicht vor dem Abend loben.
Wir
hatten auch heute wieder ein ganz ordentliches Tempo drauf und
überholten viele Leute. So konnten wir uns doch noch den einen oder
anderen Fotohalt erlauben. Denn auf dieser Wanderung ist definitiv
nicht nur das Ziel ein wundervoller Punkt. Nein schon der ganze Weg
bietet einem viel Abwechslung in der Landschaft und immer wieder
einen traumhaften Blick auf den künstlichen Stausee im tiefen Tal.
14
Kilometer, 3 Stunden und viele Höhenmeter später konnte es nicht
mehr weit sein. Wir waren voller Vorfreude als wir die vielen bunten
Regenjacken sahen, welche hier überall am Boden sassen. Hier muss
sie also sein. Die Trolltunga. Ein Felsvorsprung, welcher vor Jahren
noch zu den Geheimtipps in Norwegen gehörte. Dies änderte sich
jedoch dank Facebook und Instagram, da die Tolltunga ein wundervolles
Fotomotiv abgibt. So muss man sich heute schon gerne einmal 45
Minuten bis zu 2 Stunden für ein Foto anstellen. Als wir auf die
Schlange blickten, waren da aber gar nicht so viele Leute. Doch jeder
benötigt hier locker 5 Minuten ehe er sämtliche Posen durch hat und
so warteten auch wir 20 Minuten. Damit wir auch zusammen aufs Foto
konnten, suchten wir uns einen Fotografen aus, welcher die Bilder von
uns machen sollte. Uns fiel dabei ein Italiener auf, welcher ganz
energisch seinen Freund fotografierte. Dieser schien uns geeignet und
so vertrauten wir unsere teure Kamera seinen Händen an.
Als
wir endlich dran waren, kribbelte es schon ein wenig im Bauch. Das
gesamte Felsplateau lag vor uns und war die nächsten Minuten nur für
uns reserviert. Nur wir, der Fels, die grandiose Aussicht und der See
1000 Meter unter uns. 1000 Meter direkte Falllinie. Nur Luft und
nichts anderes. Was für ein Gefühl von Freiheit. Wir machten Fotos
einzeln und zusammen, stellten uns mitten auf die Trolltunga und
natürlich setzten wir uns auch an die Kante und liessen die Füsse
in die Tiefe baumeln. Dies ist zwar seit Neustem durch ein Schild
verboten, jedoch im Gegensatz zum Preikestolen hier gar nicht
gefährlich. Dort trauten wir uns vor Wochenfrist nicht, uns auf die
gerade Platte zu setzen. Hier ist das Plateau nach hinten geneigt und
der Körperschwerpunkt liegt trotz Tiefe sehr weit hinten. Man merkt,
dass wenn man kippen würde, dies nach hinten geschehen würde. Die
Minuten auf der Plattform vergingen wie Sekunden ehe wir das Feld den
Nächsten räumten.
Unser
Fotograf hat super Arbeit geleistet und tolle Fotos von uns
geschossen. Wir unterhielten uns noch eine Weile, ehe er und sein
Freund sich auf den Abstieg machten. Die beiden hatten die Nacht hier
oben im Zelt verbracht und waren durchgefroren. Harte Kerle. Aber
Zeit haben die Italiener ja – müssen sie ja keine Fussballspiele
der WM anschauen ;)
Wir
gönnten uns nun erstmals trockene Kleidung. Der Wind war immer
stärker geworden und bissig kalt. Vor allem wenn man durchgeschwitzt
ist vom Anstieg. Aber deswegen hatten wir vorgesorgt. Wir suchten uns
also ein windgeschütztes Plätzchen, bei welchem wir uns auch gleich
unsere Brote gönnten. In der Zeit kamen auch unsere deutschen
Nachbarn an und schossen ihre Fotos. Doch auch ihnen war schon bald
kalt und so machten wir uns zusammen auf den Abstieg. Auf diesem
liessen wir uns mehr Zeit, quatschten ein wenig über Gott und die
Welt und schossen noch Fotos und Videos. Unser Bus zurück fuhr erst
um 17:00 und so mussten wir uns nicht gross beeilen.
So
war es dann auch erst knapp 16:00 als wir am Parkplatz ankamen. Die
letzten vier Kilometer die Serpentinen runter waren wie gedacht schon
schlimm. Alles tut einem weh und der öde Weg und die
vorbeirauschenden Autos geben einem den Rest. Doch was will man
machen. Ich freute mich jedenfalls auf ein Bier im Tal. Leider war
dann aber der Kiosk leider geschlossen. Doch ich hatte Glück und
kurz nach 16:00 öffneten sie wieder ihre Tore und ich kam an mein
wohlverdientes Bier. Das Bier war mein erstes in Norwegen gekauftes
Bier. Und trotzdem mit 800 NOK (9.50 Franken) die teuerste 0,5 Liter
Carlsberg Dose, die ich mir je gekauft habe. Aber heute war mir das
egal. Ich war nur happy diese Wanderung geschafft und diesen
wundervollen Ort besucht zu haben.
Der
Bus rollte uns zurück und wir machten es uns schon bald in unserem
Womo bequem. Die Füsse wurden von den schweren Schuhen befreit und
die Mägen wieder aufgefüllt. Jetzt ist 19:00 und wir sind total
durch. Heute Abend spielt die Schweiz an der WM noch gegen Serbien
und wir überlegten uns gerade, ob wir noch zum Rema 1000 hier ums
Eck fahren und uns das Spiel im offenen WLAN dort ansehen. Mal sehen
wie die Welt in einer Stunde aussieht. Die letzten Stunden sah sie
auf alle Fälle aus wie im Traum.
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