Freitag, 22. Juni 2018

Trolltunga - ein Traum geht in Erfüllung

Früh ging heute der Wecker. Um ganz genau zu sein war es 05:20 als der nervige Piepton ertönte. Doch heute freuten wir uns aufzustehen. Ja heute war es soweit und ein kleiner Traum sollte wahr werden. Wir erwandern die Trolltunga.

Wir trafen uns mit unseren Womo-Nachbarn vom Parkplatz um kurz nach 6 und spazierten gemütlich zum Hafen von Odda. Der Bus wartete schon auf uns und pünktlich um 06:30 startete unsere Reise in Richtung Tyssedal. Als wir diese kleine Ortschaft passiert hatten, ging es über eine schmale Strasse zum für Womos gesperrten Wanderparkplatz. Der gemütliche Teil sollte da enden, wir entstiegen dem Bus und blickten auf einen wahrlich knackigen Anstieg.

Eine Strasse windet sich mittels 16 Serpentinen die ersten 400 Höhenmeter hinauf. Diese vier Kilometer waren vor allem für den Kopf gemein. Die geteerte Strasse bietet einen Zugang zum ganz obersten Parkplatz für die ersten 30 Autos des Tages. 600 NOK (also gegen 65 Franken) muss man aber bereit sein, für 12 Stunden in den Parkscheinautomat zu werfen. Aber man erspart sich die 4 Kilometer und kürzt die Wanderung somit von 28 km auf total 20 km ab. Auch bei den Höhenmetern wird man den Unterschied von 1200 oder 800 merken. Das Einzige was uns überraschte, war, dass der Parkplatz noch immer Platz zu bieten schien. Mit Schamesröte fuhren die Autos nämlich noch immer an uns vorbei. Es waren vier oder fünf Stück während diesen ersten 45 Minuten. Also schien sich der Ansturm noch in Grenzen zu halten. Ob dies am Wetter lag? Es war bewölkt. Aber trocken und angenehm warm. Eigentlich optimales Wanderwetter.

Auf dem ersten Plateau angekommen, änderte sich der Weg dann in einen gut ausgetretenen und unterhaltenen Wanderweg. Wir sahen nicht viele Leute vor uns wandern, was uns positiv stimmte. Die in den Blogs oft erwähnte Menschen-Polonaise blieb anscheinend aus – aber man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben.

Wir hatten auch heute wieder ein ganz ordentliches Tempo drauf und überholten viele Leute. So konnten wir uns doch noch den einen oder anderen Fotohalt erlauben. Denn auf dieser Wanderung ist definitiv nicht nur das Ziel ein wundervoller Punkt. Nein schon der ganze Weg bietet einem viel Abwechslung in der Landschaft und immer wieder einen traumhaften Blick auf den künstlichen Stausee im tiefen Tal.



14 Kilometer, 3 Stunden und viele Höhenmeter später konnte es nicht mehr weit sein. Wir waren voller Vorfreude als wir die vielen bunten Regenjacken sahen, welche hier überall am Boden sassen. Hier muss sie also sein. Die Trolltunga. Ein Felsvorsprung, welcher vor Jahren noch zu den Geheimtipps in Norwegen gehörte. Dies änderte sich jedoch dank Facebook und Instagram, da die Tolltunga ein wundervolles Fotomotiv abgibt. So muss man sich heute schon gerne einmal 45 Minuten bis zu 2 Stunden für ein Foto anstellen. Als wir auf die Schlange blickten, waren da aber gar nicht so viele Leute. Doch jeder benötigt hier locker 5 Minuten ehe er sämtliche Posen durch hat und so warteten auch wir 20 Minuten. Damit wir auch zusammen aufs Foto konnten, suchten wir uns einen Fotografen aus, welcher die Bilder von uns machen sollte. Uns fiel dabei ein Italiener auf, welcher ganz energisch seinen Freund fotografierte. Dieser schien uns geeignet und so vertrauten wir unsere teure Kamera seinen Händen an.

Als wir endlich dran waren, kribbelte es schon ein wenig im Bauch. Das gesamte Felsplateau lag vor uns und war die nächsten Minuten nur für uns reserviert. Nur wir, der Fels, die grandiose Aussicht und der See 1000 Meter unter uns. 1000 Meter direkte Falllinie. Nur Luft und nichts anderes. Was für ein Gefühl von Freiheit. Wir machten Fotos einzeln und zusammen, stellten uns mitten auf die Trolltunga und natürlich setzten wir uns auch an die Kante und liessen die Füsse in die Tiefe baumeln. Dies ist zwar seit Neustem durch ein Schild verboten, jedoch im Gegensatz zum Preikestolen hier gar nicht gefährlich. Dort trauten wir uns vor Wochenfrist nicht, uns auf die gerade Platte zu setzen. Hier ist das Plateau nach hinten geneigt und der Körperschwerpunkt liegt trotz Tiefe sehr weit hinten. Man merkt, dass wenn man kippen würde, dies nach hinten geschehen würde. Die Minuten auf der Plattform vergingen wie Sekunden ehe wir das Feld den Nächsten räumten. 








Unser Fotograf hat super Arbeit geleistet und tolle Fotos von uns geschossen. Wir unterhielten uns noch eine Weile, ehe er und sein Freund sich auf den Abstieg machten. Die beiden hatten die Nacht hier oben im Zelt verbracht und waren durchgefroren. Harte Kerle. Aber Zeit haben die Italiener ja – müssen sie ja keine Fussballspiele der WM anschauen ;)

Wir gönnten uns nun erstmals trockene Kleidung. Der Wind war immer stärker geworden und bissig kalt. Vor allem wenn man durchgeschwitzt ist vom Anstieg. Aber deswegen hatten wir vorgesorgt. Wir suchten uns also ein windgeschütztes Plätzchen, bei welchem wir uns auch gleich unsere Brote gönnten. In der Zeit kamen auch unsere deutschen Nachbarn an und schossen ihre Fotos. Doch auch ihnen war schon bald kalt und so machten wir uns zusammen auf den Abstieg. Auf diesem liessen wir uns mehr Zeit, quatschten ein wenig über Gott und die Welt und schossen noch Fotos und Videos. Unser Bus zurück fuhr erst um 17:00 und so mussten wir uns nicht gross beeilen. 




So war es dann auch erst knapp 16:00 als wir am Parkplatz ankamen. Die letzten vier Kilometer die Serpentinen runter waren wie gedacht schon schlimm. Alles tut einem weh und der öde Weg und die vorbeirauschenden Autos geben einem den Rest. Doch was will man machen. Ich freute mich jedenfalls auf ein Bier im Tal. Leider war dann aber der Kiosk leider geschlossen. Doch ich hatte Glück und kurz nach 16:00 öffneten sie wieder ihre Tore und ich kam an mein wohlverdientes Bier. Das Bier war mein erstes in Norwegen gekauftes Bier. Und trotzdem mit 800 NOK (9.50 Franken) die teuerste 0,5 Liter Carlsberg Dose, die ich mir je gekauft habe. Aber heute war mir das egal. Ich war nur happy diese Wanderung geschafft und diesen wundervollen Ort besucht zu haben.

Der Bus rollte uns zurück und wir machten es uns schon bald in unserem Womo bequem. Die Füsse wurden von den schweren Schuhen befreit und die Mägen wieder aufgefüllt. Jetzt ist 19:00 und wir sind total durch. Heute Abend spielt die Schweiz an der WM noch gegen Serbien und wir überlegten uns gerade, ob wir noch zum Rema 1000 hier ums Eck fahren und uns das Spiel im offenen WLAN dort ansehen. Mal sehen wie die Welt in einer Stunde aussieht. Die letzten Stunden sah sie auf alle Fälle aus wie im Traum.

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