Samstag, 30. Juni 2018

Über den Dalsnibba an die Westküste

Trotz des rauschenden Baches, welcher nur einen oder zwei Meter hinter unserem Bett mit Getöse ins Tal fiel, verbrachten wir eine wundervolle Nacht mit viel Schlaf in unserer Sackgasse. Den Abend vertrieben wir uns noch mit Aufarbeiten von Pendenzen (wie z.B. Geocaches loggen) und duschen. So starteten wir heute ausgeschlafen und sauber in einen neuen Tag.

Wir starteten mit so viel Elan in den Tag, dass wir an der ersten Sehenswürdigkeit vorbeifuhren. Doch wir nahmen uns die Zeit ein wenig weiter vorne zu wenden und uns doch noch zum Pollfoss zu begeben. Der angepriesene Wasserfall war eher eine Kaskade. Doch die Natur war hier wie immer wundervoll und das Wenden hat sich gelohnt. Auch das Hotel, welches wir zwischen Strasse und Wasserfall streiften, war interessant anzusehen. 




Nun ging es aber ein ganzes Stück weiter. Es zog uns wieder in die Berge. Wir fuhren über traumhafte Strassen mit den schönsten Fernsichten. Das Ziel war einer der wohl berühmtesten Aussichtspunkte des Landes. Der Dalsnibba, welcher einen Blick über den Fjord der Fjorde – den Geirangerfjord – bieten soll. So bissen wir uns auf die Zähne und klammerten uns an die Vorfreude als wir die 140NOK (17 Franken) Maut für die Fahrt auf den Berg bezahlen mussten. Die Strecke auf den Dalsnibba ist dann auch bestens ausgebaut und mit seinen Serpentinen wirklich spektakulär. Die Aussicht jedoch immer auf den Bergsee im Süden. Den Fjord im Norden verdeckt der Berg. Mit dem untermotorisierten Wohnmobil vor uns dauerte die Fahrt eine Weile. Doch ganz oben angekommen, erwartete uns eine fantastische Weitsicht. Nur den Geirangerfjord, den mussten wir beinahe suchen. Dieser ist nicht nur weit unten, sondern auch noch weit entfernt. Irgendwie haben wir uns das anders vorgestellt. Leider war auch keines der riesigen Kreuzfahrtschiffen im Fjord, welche für das typische Postkartenmotiv stehen. Die Aussicht von hier oben war wirklich traumhaft und entschädigte ein wenig für die fehlende Aussicht auf dem höchsten Berg Norwegens. Doch ein wirkliches MUSS ist es nicht hier hoch zu fahren. Vor allem nicht zu dem Preis. Dann lieber zwei Stunden auf den Molen wandern und in Ruhe die Aussicht dort geniessen. Auch fanden wir den Geirangerfjord jetzt nicht so speziell. Da sind andere schöner. Zum Beispiel die Aussicht auf den Fjord in Flam würden wir einem Reisenden jetzt mehr empfehlen. 



So machten wir uns schon bald wieder auf den Weg nach unten. Das Stinken der Bremsen blieb überraschenderweise aus (dabei hätten wir nochmals zwei Raddeckel auf der anderen Seite zum verlieren) und wir kamen auch hier heil unten an. Die Aussicht auf den Bergsee gefiel uns hier sogar fast besser. Doch nun waren wir wieder auf der Hauptstrasse und machten uns durch diverse Tunnels auf den Weg vom Berg auf Meeresniveau. Die Ohren verschlossen sich und so legten wir einen Halt zur Angewöhnung und für ein paar Fotos ein. Wiederum ein traumhaftes Tal, welches wir hier durchfuhren. Leider meist in Tunnels. 



Nachdem wir in Stryn eingekauft und unser Womo wieder mit Wasser befüllt hatten, gab es noch einen kurzen Halt am Strynsvatn um zu Mittag zu essen. Danach erwartete uns am Nordfjord ein schönes Badeplätzchen. Das fehlte uns die letzten vier Wandertage. Einfach wieder ein bisschen an den Fjord sitzen, eine Erfrischung nehmen und entspannen. So waren wir wirklich happy als der Badeplatz sich wirklich als schön gelegen entpuppte. Das Wasser war auch hier glasklar wie überall hier in Norwegen. Wir waren noch nicht im Wasser als noch ein zweites Womo auf den Platz fuhr. Gleicher Reiseführer? Na aber sicher doch. Die drei Insassen stellten sich sogar ebenfalls als Cacher vor, was natürlich ordentlich Gesprächsstoff garantierte. Aber auch das Reisen, das Womo und vor allem das wunderschöne Land Norwegen gab viel zu quatschen. Wir machten uns aber doch noch auf den Weg ins Wasser und die Tochter gesellte sich sogar noch zu uns ins kalte Nass. Wir wurden sogar noch mit selbstgemachten Nussecken verwöhnt – wie lecker die waren. Ein rundum gelungener Halt. 



Doch das nächste Ziel wartete schon wieder auf uns. Der Kannestein ist wieder ein sehr berühmter Punkt in Norwegen und vor allem für Fotos beliebt. Jedoch bei Weitem nicht so beliebt wie Trolltunga, Kjeragbolten und Preikestolen. So hielt sich auch der Ansturm hier sehr in Grenzen. Zum Glück – denn ein kreuzen ist auf den letzten Kilometern der Anfahrt nur sehr schwer möglich. Wir kamen aber sogar ohne ein Zurücksetzen am Parkplatz an. Der Kannestein lag gerade daneben und wirkte in echt grösser als erwartet. Dieser Stein wurde über Jahrtausende von den Wellen und dem mitgetragenen Kies abgeschliffen. Die Form welche er dadurch erhielt erinnert irgendwie an eine Flosse eines Wals. Wir schossen Fotos und freuten uns auch darüber endlich wiedereinmal am Meer zu sein.





Den letzten Halt markierte heute der Krakenes Fyr. Der Leuchtturm steht ganz in der Nähe des Kannestein. Nur leider übersahen wir, dass es keine direkte Strasse gibt und wir 45 Minuten wieder um die Halbinsel herumkurven müssen. Die letzten 15 Minuten davon waren wieder abenteuerliche Strasse durch das Niemandsland. Doch am Schluss erwartete uns ein wundervoller, menschenleerer Ort. Ein ebener Platz mit Meersicht für unser Womo wartete auch auf uns und so stellten wir unser mobiles Zuhause dort ab. Die Stühle wurden aufgestellt, der Grill eingeheizt und das Bier geöffnet. Das ergab einen echt gemütlichen Abend, welcher erst endete, als der Wind doch immer mehr auffrischte. Die Sonne steht jedoch auch um 21 Uhr noch brutal hoch am Himmel. In unserem Breitengrad würde ich nach diesem Stand die Uhrzeit so gegen 16 Uhr schätzen. So bleibt uns noch viel Zeit die Aussicht zu geniessen ehe wir wohl wieder die Schlafmasken anziehen müssen.


Freitag, 29. Juni 2018

Wandertag IV - Zu Besuch bei Tante Ju

In der wunderschönen Umgebung im tollen Niemandsland kann man ja nur gut und ungestört schlafen. Müsste man denken. Doch irgendwie konnte ich im Gegensatz zu Melanie einfach nicht schlafen. Immer wieder wachte ich auf und konnte beinahe durch die Schlafmaske die brutale Helligkeit im Wohnmobil erahnen. Hier in den Bergen stand die Sonne um 3 Uhr früh schon wieder am Himmel und auch bis da war es niemals dunkler als wenn tagsüber eine Wolke kurz die Sonne verdeckt. Das war aber wohl nicht der einzige Grund. 



Trotzdem war ich einigermassen fit als wir um 9 Uhr am Frühstückstisch sassen. Noch ein letzter Wandertag sollte heute anstehen und dieser wieder zu einem ganz speziellen Ort. Wir waren bereit, der Rucksack war bereit, das GPS war bereit. Alles. Nur die Wanderschuhe nicht. Trotz Stopfen mit Papier trockneten sie diese Nacht nicht aus. So mussten wir mit unseren leichten Wanderschuhen auf die 20 Kilometer lange Wanderung durch die norwegische Bergwelt.

Wir starteten voller Elan in diese Umgebung, welche sich von der der letzten Tage sehr unterschied. Hier waren wir zwar über der Baumgrenze und im Gebirge. Doch keine hohen Berge, keine steilen Felswände und auch keine Gebirgspfade. Die Gegend könnte man eher als riesige Hochebene bezeichnen. Aber wirklich als riesige. Man blickt auf viele Kilometer in die Ferne und erblickt einfach nichts als die immer selbe Landschaft. In der Nähe wie auch in der Ferne. Traumhaft die Weite und die absolute Leere. Doch trotzdem mussten wir nach einer Stunde zugeben, dass wir die Landschaft hier langsam nicht mehr sehen können. Durch die riesige Entfernung zum Horizont hatte man das Gefühl an Ort und Stelle zu laufen. Dass die Landschaft sich kein wenig änderte unterstützte dieses Gefühl noch. Ja hier war heute einmal nicht der Weg das Ziel. Heute war das Ziel das Ziel.

Dieses Ziel zeigte sich nach anderthalb Stunden Fussmarsch an einem kleinen Hang in einiger Entfernung. Ein kleines Etwas lag da auf dem Hügel. Doch es dauerte nochmals über eine halbe Stunde ehe wir uns endlich in der Nähe befanden. Am Boden entdeckten wir nun langsam immer mehr Müll. Aluminium und Stahl in kleinen Stücken und Fetzen. Die Fetzten wurden immer Grösser ehe sie sogar solche Dimensionen hatten, dass wir eine Hülle mit Fenstern erkannten. Und dann, eine kleine Kuppe später, stand sie vor uns. Die Junker Ju 52, allen wohl eher als Tante Ju bekannt. Der Zustand des Flugzeuges ist jedoch nicht ganz so toll wie jene im Verkehrshaus oder auf dem Flughafen Dübendorf. Dies führt von der Art wie dieses Flugzeug hier in die Pampa gelang ist. Nämlich auf direktestem Weg vom Himmel mit einer sehr unsanften Landung. Am 30. Oktober 1942 wollte die Junker hier kurz nach ihrem Start in Oslo eine Notlandung durchführen, nachdem der Motor wegen Vereisung ausfiel. Diese fiel jedoch sehr unsanft aus und die Maschine verschwand vom Radar. Erst am 3. November 1942 wurde die deutsche Maschine gefunden. Der Pilot verstarb direkt beim Absturz, das einzige andere Besatzungsmitglied konnte jedoch verwundet geborgen werden. Seit diesem tragischen Tag liegt die Junker Ju nun hier. Keiner machte sich die Mühe auch nur ein Teil von ihr zu holen oder zu entsorgen. Hier mitten im Nirgendwo stört sie ja keinen. Und wenn man den einzigen Weg der zu ihr führt sieht, weiss man, dass sie auch nur ganz selten Besuch bekommt. Der Geocache welcher hier liegt wird ungefähr 10 Mal im Jahr geloggt. Liegt eben nicht gerade an der Strasse die Tante Ju. Wir machten viele Fotos und verpflegten uns, ehe wir den Rückweg antraten. 









Der Rückweg war dann genau derselbe wie der Rückweg. Heisst nochmals über 11 Kilometer Ödland. Jetzt ohne das lang ersehnte Ziel vor Augen, war der Weg noch schlimmer für den Kopf. Die Einsamkeit mochte uns nicht mehr zu imponieren und wir legten ein ordentliches Tempo an den Tag. So dauerte es auch keine 2 Stunden ehe wir am Parkplatz waren, welcher uns ein deutscher Cacher empfohlen hatte. Er hatte den Cache letztes Jahr besucht und so konnten wir von seinem Wissen profitieren und überhaupt einen so nahen Parkplatz finden. Geocaching macht eben einiges einfacher.

Am Womo angekommen waren wir zum ersten Mal so richtig fertig. Die vier harten Wandertage hinterliessen ihre Spuren. Die Füsse und Beine schmerzten nun wirklich ein wenig. Doch die vier Tage boten eine wundervolle Abwechslung. Verschiedene Landschaften, verschiedene Ziele, verschiedene Wege. Wir entdeckten wundervolle Täler, traumhafte Aussichten, eine blau schimmernde Gletscherzunge, den höchsten Gipfel Norwegens und ein Wrack eines abgestürzten Flugzeuges. Und das alles in fünf Wanderungen an vier Tagen. Norwegen kann das!

Es war aber noch zu früh um schon auszuruhen. Wir machten uns an den Rückweg zu unserer Route nach Lom. Wir entdeckten auf dem Rückweg eine neue Autobahn, welche durch Tunnels und über gute Strassen bis Otta führte und uns 20 Minuten ersparte. Dafür kostete sie natürlich einiges an Maut, da sie noch nicht abbezahlt ist. Unterwegs entdeckten wir noch einen Womo-Fahrer mit einem platten Reifen. Wir lachten schelmisch aus dem Fenster und rauschten vorbei. Armer Tropf. Nein Scherz. Wir hielten natürlich an und erkundeten uns ob alles okay sei. Das ältere Ehepaar hatte zwar einen Ersatzreifen dabei, doch mit ihrem Wagenheber wäre ihr Wochenende vorbei ehe sie den alten Reifen runter hätten. So gingen wir ihnen mit unserem Werkzeug zur Hand und im Handumdrehen war da ein neues Rad am Wohnmobil und die beiden konnten weiter in die Berge fahren. Kurz später zickte aber plötzlich unser Wohnmobil. Der Lenker wackelte relativ deftig im Takt und die Strasse war frisch geteert. Auch eine Strasse später, bei anderem Belag, wackelte das Steuer in meinen Händen. Für mich war schnell klar: Unwucht an einem Rad. Wohl die kleinen Blei-Gewichte (Papa Jecklin wird jetzt wohl wissen wie die heissen) verloren. Kann man wohl nix machen ausser an der nächsten Garage mal lieb fragen, ob man dies schnell beheben könnte. Abermals kurz später knackte es gleich links von mir am vorderen Rad. Beim Blick aus dem Fenster sah ich den Raddeckel neben mir her rollen ehe er im Gras verschwand. Und weg war die Unwucht. Wenn sich alle Probleme so gut selber lösen würden.

Nun kamen wir aber in Lom an. Zuerst suchten wir uns einen kleinen Parkplatz am Sportplatz um zu kochen und kurz zu verschnaufen. Denn eigentlich wollten wir heute noch kurz den Ort anschauen, welcher uns bei den beiden Durchfahrten sehr gefiel und so nicht Norwegen-typisch erschien. Und so taten wir dies und fuhren zu der Kirche. Dort standen auch wieder an die 10 Reisebusse. Die Kirche und das Gelände waren jedoch fast verlassen und wir konnten uns in Ruhe die Kirche ansehen. Laut Reiseführer und Infoschild handelte es sich dabei um eine Stabkirche, was aber irgendwie nicht sein kann. Die Kirche ist im Vergleich zu der in Heddal nämlich riesig – und diese soll ja die Grösste in Norwegen sein. Die Kirche hier in Lom ist jedoch teilweise auch in diesem typischen Stil erbaut. Aber eben nur teils. Ich fand aber leider nirgendwo eine genauere Erklärung zu dieser Frage. Wir erkundeten dann auch noch den Rest des Dörfchens. Die Häuser hier sind alle in sehr dunklem Braun mit weissen Details gehalten. Alles war fein säuberlich herausgeputzt – ein typisches Touristendorf. Jedoch irgendwie nicht typisch norwegisch. Nach ein paar Fotos machten wir uns auf den weiteren Weg. Der erste Stellplatz war nichts für uns. Doch schon bald fanden wir ein Plätzchen im Walde. Zwei Deutsche schafften es den Platz für vier Womos zu besetzen und so verzogen wir uns in eine Sackgasse im Wald. Dort ganz hinten stehen wir nun, duschen und geniessen den Abend hier im Grünen. Morgen geht es endlich wieder nach Reiseführer und wohl nicht mehr ganz so viele Kilometer zu Fuss wie die Wandertage I – IV. 



Donnerstag, 28. Juni 2018

Wandertag III - Galdhoppigen (Top of Norway)

Und ein Tag mehr an dem der Wecker schon früh erklang. Ja ihr habt es bemerkt: momentan sind die Wandertage dran. So auch heute. Und wer wandern will, der muss früh raus. Vor allem wer so hoch hinaus will wie wir. Unser Ziel heute war es so hoch hinaus zu gehen, dass es kein „höher“ mehr gibt in Norwegen. Der höchste Berg Norwegens. Galdhoppigen sein Name, 2469 Meter über Meer die Höhe seines Gipfels. Ja zugegeben: für uns Schweizer keine Höhe bei der wir an hohe Gipfel denken. Das geht schon beinahe unter Hügel. Man bedenke jedoch, dass die Talsohlen sich hier in Norwegen nur knapp über Meereshöhe befinden. Und auch sonst ist hier alles anders. Während bei uns die Baumgrenze bei 1600 Metern über Meer liegt, findet man hier schon ab 900 Metern höchstens noch ein paar Krüppelkiefern (ich bin nicht gemein zu denen – die heissen wirklich so).

So machten wir uns also auf den Weg zu diesem Abenteuer. Unsere Nachbarn dösten noch gemütlich im Womo, als wir bereits die Passstrasse hinunter bretterten. Doch kaum im Tal angekommen, bogen wir zum Sommerskizentrum Juvass und stiegen wieder in die Höhe. Viele Höhenmeter konnten wir so im Womo zurücklegen. Wirklich gemütlich. 10 Kilometer vor dem Startpunkt stoppte uns wieder eine Schrankenanlage, welche wir für 100 NOK (12 Franken) passieren durften. Wieder gut angelegtes Geld, kann man sich so erneut viele Höhenmeter und Kilometer ersparen.

Nach einer wirklich abenteuerlichen Fahrt erreichten wir die Juvasshytta – den Startpunkt der kurzen Route auf den Galdhoppigen. Der Wind blies hier unglaublich stark und wir hatten schon Angst um unser Wohnmobil. Während wir auf dem Parkplatz so im Wind wankten und die dunkeln Wolken um den Berg wehen sahen, kamen erste Zweifel. Wir konsultierten unseren Reiseführer. Dieser beschrieb die lange Route von einem anderen Startpunkt aus. Die Route von der Juvasshytta kennen die beiden Autoren auch nur vom Hörensagen. Doch sie sei leicht und die Gletscherüberquerung auf dem Weg völlig ungefährlich. Doch:
  1. Hat mir meine Mutter beigebracht, dass man vom Hörensagen das Lügen lernt
  2. Haben wir noch nie eine Gletscherüberquerung gemacht
  3. War das Wetter alles andere als optimal
  4. Kennen wir uns mit dem Wetterverhalten in Norwegen nicht aus

Diese vier Punkte liessen uns mehr als nur zweifeln. Bei dem Wind in die dunkeln Wolken zu steigen: zu riskant und wir möchten ja heil wieder nach Hause kommen. Wir entschlossen uns zur einzigen Variante, welche uns noch blieb. Wir erkundeten uns in der Juvasshytta nach einer Tour mit einem erfahrenen Bergführer. Und man bestätigte uns, dass heute um 10 Uhr so eine starten würde. Es war zu dem Zeitpunkt 09:40 und wir hatten noch nichts gepackt. Doch wir bezahlten die 250 NOK (28 Franken) pro Person und beeilten uns. Ich bemerkte beim hastigen Packen noch das Fehlen meiner Handschuhe (liebe Grüsse an sie nach Frauenfeld) und musste mir noch schnell neue in der Hütte kaufen. Dann aber nichts wie an den Treffpunkt.

Ein Team aus vielen Bergführern hiess uns pünktlich Willkommen und die englisch instruierte Gruppe war auch nur gerade sechs Personen stark. So konnten wir die nette Dame mit Fragen löchern. Diese betrafen vor allem das harte Wetter. Und siehe da: dieses Wetter sei hier normal. Der Wind sei ein wenig stark doch alles andere sei wie immer. An 300 Tagen des Jahres kann man vom höchsten Berg Norwegens nicht in die Ferne blicken. Ein Aussichtsberg erwartet einem hier wohl also nicht. Sympathisch war uns auch, dass wir Klettergurte erhielten, man unsere Ausrüstung (Schuhe, Jacke, Hose, Mütze, Handschuhe) auf Tauglichkeit prüfte und unsere Fragen sehr professionell beantwortete. Wir fühlten uns also rundum sicher als wir auf die ersten Kilometer bis zum Gletscher starteten.

Ja das Wandertempo der Gruppe entsprach in diesem ersten Teil nicht gerade unserem. Trotz Wind hätten wir diesen Teil wohl ohne die Gruppe wesentlich schneller zurückgelegt. Doch das war nicht so ein Problem. Denn als wir am Rande des Gletschers standen, wussten wir sofort: hier hätten wir ohne die Führung umgedreht. In erster Linie wegen dem Wetter. Wir froren, während die Führer die Seile bereitlegten und alles dauerte gefühlte Ewigkeiten. Doch nicht nur deswegen: auch die Dimensionen und die Rauheit des Gletschers hätten wir nicht zu bezwingen gewagt. Der Reiseführer suggerierte uns hier, dass einem natürlich zu einer geführten Tour geraten werde. Jedoch unnötiger Weise. Wie sie zu dieser Einschätzung kommen können ist mir schleierhaft. Der Weg über den Gletscher dauert über eine Stunde. Der Weg ist immer gut sichtbar. Doch auch direkt am Weg tun sich teilweise tiefe Gletscherspalten auf, welche man ohne Bergführer beinahe nicht von tiefen Fussstapfen unterscheiden kann. Auch bei Sonnenschein ist das hier für Wanderer ohne Erfahrung ein wahres Minenfeld.

Zum Glück durften wir dieses als Seilschaft mit unserer kompetenten Führung überqueren. Doch die Stunde war eine Qual. Die unbändige Natur Norwegens zeigte sich mit voller Kraft. Der Wind trieb einem immer wieder aus der Spur und wirbelte der Gruppe kleine Graupelkörner ins Gesicht. Wie tausend Nadelstiche fühlten sich diese mit jeder Böe an. Die Graupel begannen auch unsere Hosen und die darunterliegende Thermowäsche zu durchnässen. Ebenfalls die Schuhe und Handschuhe. Nur die Jacke hielt noch dicht. Doch man darf auch im Nachhinein sagen, dass dieser Teil eine absolute Qual und Grenzerfahrung war. Nach der Überquerung des Gletschers waren dann auch viele Teilnehmer der Expedition total am Ende. Es ging fast nicht mehr vorwärts, sodass wir uns am ersten steinigen Grat zu einer Pause gezwungen fühlten. Wir begannen wieder zu frieren, ehe sich über zwei Drittel der Teilnehmer zur Umkehr entschieden. Sicherlich eine weise Entscheidung, wenn man so am Ende war.

Doch wir waren konditionell noch fit. Von diesem Standpunkt aus war es bisher eine Sonntagswanderung. Nur das raue Wetter setzte uns zu. Die letzten 40 Minuten bis zum Gipfel waren dann reines Durchbeissen. Wir erklommen diverse Geröllfelder, überquerten Schneefelder, stapften steile schneebedeckte und eisige Hänge steil nach oben. Die Sicht betrug knappe 50 Meter. So waren wir überrascht, als wir plötzlich vor einer grossen Hütte standen. Der Gipfel war erreicht. Endlich!!! Nach knapp 4 Stunden standen wir wirklich auf dem höchsten Berg Norwegens. Doch wir konnten nicht an der Hütte vorbei zum Gipfel. Erst wurde eingekehrt. Im Inneren sorgte nur ein kleiner Gasofen für etwas Wärme. Die wenigen Gäste drängten sich um ihn und versuchten wenigstens das eine oder andere Kleidungsstück zu trocknen. Wir gönnten uns einen Tee / einen Kaffee, ein paar trockene Kleider und Haferkekse. Warm war es auch hier nicht – doch es war besser als draussen.

Nach einer halben Stunde machten wir uns noch schnell auf zum wirklich höchsten Punkt des Landes. Der Gipfel befand sich nur 20 Meter hinter der Hütte. Die Aussicht war grandios – wir sahen gerade knapp die Hütte. Doch wir hatten es wirklich nach ganz ganz oben geschafft. Wir waren wirklich stolz auf uns als wir uns wieder ans Seil knüpften und uns auf den Abstieg vorbereiteten. Dieser ging dann viel lockerer als gedacht. Der Wind liess ein wenig nach und die Graupel liess er auch wo sie waren. Ein leichter Schneefall und unten ein wenig Regen – doch ansonsten einigermassen angenehm. Wir waren in dieser Gruppe, dem harten Kern, auch viel schneller unterwegs und der Rückweg über den Gletscher dauerte nicht mehr ganz eine Stunde. Irgendwie zog der Abstieg an mir vorbei und ich war nicht der Einzige, welcher überglücklich an der Juvasshytta ankam. Was für ein verrücktes Abenteuer. Für uns die härteste Wanderung, welche wir je unternahmen. Und dies hätten wir ohne einen Führer nicht gewagt.









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Nun waren wir also zurück. Schnell ins Womo. Schnell die Heizung auf volle Pulle gestellt und uns Wasser für Tee und Kaffee aufgesetzt. Mit trockener Kleidung und warmen Händen sah die Welt schon wieder besser aus. Was uns zudem sehr überraschte, war, dass unsere neuen Jacken den ganzen Tag den Wind und das Wasser komplett von uns fernhielten. Kein Tropfen kam durch und das bei wirklich widrigsten Verhältnissen. Ein guter Kauf.

Nachdem wir nun also wieder aufgetaut waren, machten wir uns auf den Weg runter vom Berg. Das Womo kämpfte sich wacker die Serpentinen nach unten. Der Gestank der Bremsen drang auf den letzten Metern wieder bis ins Innere durch und an der Tankstelle bemerkten wir, dass vorne sogar ein Raddeckel ordentlich an der Stahlfelge angeschmolzen war. Hier im Tal beschlossen wir dann auch noch zwei Stunden weiter zu fahren, zum Startpunkt des morgigen (letzten) Wandertages. Dieser lag beinahe zwei Stunden neben unserer Route und beinahe schon in Lillehammer. Wir befinden uns also auch nach beinahe 4 Wochen noch immer im Süden von Norwegen. Irgendwie kommen wir einfach nicht vom Fleck – wir haben ja aber auch Zeit. Unser Hauptaugenmerk liegt nach wie vor auf dem Land, dessen höchsten Punkt wir gerade bestiegen hatten.

Wir unterbrachen die lange Fahrt nur für das Nachtessen und landeten so gegen 23 Uhr mitten im Nirgendwo an unserem Übernachtungsplatz. Die letzten 20 Minuten trafen wir weder ein Auto, noch Menschen und sahen auch keine Häuser. Wir waren definitiv im Niemandsland angekommen. Wir betrachteten noch ein wenig die Umgebung, lasen und legten uns schlafen.

Mittwoch, 27. Juni 2018

Wandertag II - Molden und Nigardsbreen Gletscher

Nach einer langen und guten Nacht haben wir beide voller Tatendrang am Frühstückstisch gesessen. Das mussten wir heute auch. Am heutigen Wandertag stand nämlich nicht nur eine Wanderung an – nein heute sollten es deren zwei sein.

Die Erste führte uns natürlich auf den Molden. Nachdem wir uns gestern nicht mehr aufraffen konnten, musste der Gipfel dieses kleinen Berges heute dran glauben. Der Weg startete ja wirklich unmittelbar vor der Haustüre. Und so zogen wir auch früh los. Ein Trampelpfad stieg langsam durch den dichten Tannenwald empor. Schon bald wurde der Weg breiter und verlief auch nicht mehr so steil. Ein erster Aussichtspunkt liess unsere Blicke ins Tal schweifen. Ausnahmsweise ein komplettes Tal ohne Wasser. Kein Fjord, kein See, kein Meer. Der Weg wurde wieder schmaler und steiler. Die Baumgrenze war schon bald erreicht und wir waren komplett durchgeschwitzt, als wir eine Hütte erreichten, welche uns zeigte, dass wir schon über die Hälfte der Distanz geschafft hatten. Doch an Höhe mussten wir noch gewinnen. Und dies begann auch gleich nach der Hütte. Im rechten Winkel schnitten wir die Höhenlinien auf unserem Navi. Die Hitze staute sich in uns. Und trotzdem war es wundervoll. Denn immer mehr tauchte der Fjord wieder unter uns auf und verzauberte uns mit seiner Farbe. Türkis wie das Meer auf den Fotos aus der Karibik. Einfach wundervoll. Auch die Ruhe hier oben und eine Wanderung zu unternehmen, welche nicht tausende von Menschen jede Saison unternehmen, war eine willkommene Abwechslung. Oben angekommen, trugen wir uns ins Gipfelbuch ein und schossen Fotos. Der Rückweg ging dann um einiges besser. Viele Wanderer kreuzten unseren Weg und bestätigten, dass die Norweger eben einfach erst sehr spät starten. Nach knappen 2 Stunden 45 Minuten waren wir wieder beim Womo angelangt. Die 9,5 Kilometer mit 750 Höhenmetern waren aber doch knackiger als gedacht. 




Egal. Nach einem herzhaften Mittagessen packten wir unsere sieben Sachen, entfernten den Stromanschluss des Womos und machten uns auf den Weg. Die Fahrt dauerte länger als sie auf der Karte den Anschein machte, führte jedoch durch schöne Landschaften und war daher sehr kurzweilig. Das nächste Ziel, der Nigardsbreen, erwartete uns in einem Tal, dessen Befahrung alleine über 40 Minuten in Anspruch nahm. Wir ersparten uns einen Teil der Wanderung, indem wir an der Mautstation am Besucherzentrum die 60NOK (nicht ganz 8 Franken) bezahlten und 3,5 Kilometer auf einer Privatstrasse uns dem Gletscher näherten.

Auf dem Parkplatz die erste Überraschung. Ein Thurgauer Wohnmobil auf dem Parkplatz. Wir hatten schon allerlei Schweizer aber noch keine Thurgauer. Doch Moment! Das blaue Mobil mit bekannten, aus Frauenfeld stammenden, Aufklebern kennen wir doch. Da standen doch tatsächlich das Gefährt von Lui und Steffi von comewithus2.com. Die beiden Blogger aus unserer Heimat haben es sich zum Ziel gesetzt sämtliche Europäischen Länder zu bereisen und schreiben darüber in ihrem Blog. Auch wir haben bei der Vorbereitung unserer Reise ein paar Mal auf ihrer Homepage herumgestöbert. Die Beiden waren nicht bei ihrem Mobil und wir hinterliessen ihnen einen Gruss mittels Visitenkarte. Nun machten wir uns aber auf den Weg zum grauen Riesen am anderen Ende des Gletschersees. Das Boot, welches uns für ebenfalls 60NOK pro Person über den See und zurück schippern würde, sparten wir uns aber. Ein wenig wandern wollten wir ja doch noch.

Zum Glück sind wir gut zu Fuss. Ansonsten wäre die Variante Boot doch die Bessere gewesen. Über rutschige, vom Gletscher abgeschliffene, Steine wanderten wir und wanderten wir. Der Gletscher schien aber kein bisschen näher zu kommen. Auch als wir das Ende des Sees erreicht hatten, änderte sich daran nichts. Dem rauschenden Bach folgten wir immer weiter bergauf, bis wir endlich am Eis angelangten. Sah dieses von weitem noch blau und schmutzig aus, so strahlte es von hier aus in wunderschönem Blau. Wir hatten das Glück und in einem winzigen Bächlein trieb gerade ein Stück Eis an uns vorbei. Wir packten uns das faustgrosse Stück und begannen das Stück Gletscher zu fühlen und nuckelten sogar daran. Ein wundervolles Erlebnis. Wir schossen viele Fotos von der sehr imposanten Abbruchkante, welche leider immer weiter zurück weicht. Viele grosse Brocken lagen abgebrochen am Boden. Der Vorgang war teilweise auch hörbar, wenn man nahe am Gletscher stand. Zum Glück waren nur ganz wenige Leute am Nigardsbreen und so konnten wir den Gletscher in vollen Zügen geniessen. Ein wirklich besonderes Erlebnis, welches uns sehr faszinierte.






Der Weg zurück war dann wieder mühsam und das Womo, von Beginn an sichtbar, blieb immer in gleicher Entfernung von uns fern. Irgendwann gab es sich jedoch geschlagen und tauchte vor uns auf. Lui und Steffi hatten uns nun ebenfalls einen Gruss hinterlassen und sich auf die Weiterreise begeben. Wir wollten es ihnen gleich tun und programmierten die Koordinaten des Startpunktes der morgigen Wanderung ins Navi. Über 3 Stunden Fahrt? Wie bitte? So weit sah das aber wieder überhaupt nicht aus. Wir erkannten bald, dass eine richtige Passstrasse der Grund für die lange Reisedauer zu sein scheint. Viele Serpentinen quälen wir uns von Meereshöhe auf über 1400 Meter über Meer. Das ist für unsere Verhältnisse nicht viel – doch für Norwegen recht krass. Wir merkten, dass wir es so heute nicht mehr bis Lom schaffen. Vor allem nicht bis das Fussballspiel Schweiz – Costa Rica beginnt und wir eventuell einmal eine Bar gefunden hätten welche das Spiel überträgt. 



Der Zufall wollte es, dass wir kurz vor der Passhöhe wieder auf ein Wohnmobil aus dem Thurgau trafen. Wir kamen mit dem älteren Ehepaar ins Gespräch und waren sehr froh über einige Tipps hier in der Gegend, welche wir noch nicht kannten. Sie sind zudem stolze Besitzer einen Satelliten-TV-Anlage in ihrem Wohnmobil. Wir hatten das Glück und durften so während dem Spiel ein wenig auf ihren Bildschirm schauen. Wir haben während dem Spiel zwar mehr gequatscht als Fussball geschaut – doch die Torszenen konnten wir uns immerhin ansehen. Wir freuten uns natürlich sehr, dass unsere Jungs sich für das Achtelfinal qualifizieren konnten. Zu laut jubeln durften wir jedoch nicht – es hatte noch einige Deutsche auf dem Platz und deren Elf hatte inzwischen wohl schon das Ticket in die Heimat am Schalter gebucht. Ein paar böse Blicke nahmen wir jedoch auf uns und hofften, morgens noch Luft in den Reifen zu haben. Wir machten uns also in dieser traumhaften Bergwelt auf den Weg ins Bett. Mit dem Wissen, dass Morgen der König auf uns wartet. 


Dienstag, 26. Juni 2018

Wandertag I - Flamtal

Ein greller Pfiff scheuchte uns heute aus dem Bett. Die erste Flambahn keuchte schon kurz nach 7 den Berg hinauf und machte auf sich aufmerksam. Wir liessen uns zuerst noch ein Frühstück schmecken, ehe wir unser Womo an den Bahnhof umparkten. Dort warteten wir auf die zweite Bahn des Tages, welche uns an die Endstation Myrdal bringen sollte. Ein Ticketautomat war am winzigen Bahnsteig nicht vorhanden. Laut Reiseführer müssten wir die Tickets im Zug lösen. Pünktlich bestiegen wir diese, fanden aber auch im Inneren keinen Automaten um eine Fahrkarte zu lösen. Wir nahmen also in dem historischen Bahnwagen Platz. Aufwendige Holzverzierungen, Holzdielen, Täferverkleidungen und samtene Sitze liessen den Zug im Glanz der Siebziger erscheinen. Die Koreaner drückten sich auch schon ordentlich die Nasen am Fenster platt – alles ganz normal. Grosse Bildschirme erzählten uns die Geschichte der Flambahn. Aus den Lautsprechern dröhnte eine Erzählstimme. Mal Koreanisch, mal Englisch und danach sogar noch Deutsch. Neben der Geschichte der Flambahn erfuhren wir auch noch von einer Sage im Tal. Eine Frau aus dem Untergrund tanzt hier manchmal durch die Wälder und versucht mit ihrem himmlischen Gesang Menschen unter Tage zu locken.

Der Zug wand sich durch Kehrtunnels und über beachtliche Steigungen durchs Gebirge. Wenn man mit der Rhätischen Bahn aufgewachsen ist, war das jetzt nicht das speziellste. Doch plötzlich hielt der Zug an. Der Grund wurde auch gleich über den Lautsprecher bekanntgegeben: 5 Minuten Fotohalt am Kjosfoss. Wir stiegen aus dem Zug und fanden uns auf einer riesigen Plattform wieder. Mitten im Wassernebel kämpften wir uns nach vorne um auch ein tolles Foto zu schiessen. Da grollte es plötzlich vom Wasserfall her. Auf die tiefen Bässe folgte Geigenspiel und Engelsgesang. Als Tüpfelchen auf dem I erschien uns eine schöne Frau, welche über die Wiesen und die Ruine am Wasserfall tanzte. Eine 3-Minütige Showeinlage welche uns schmunzeln und die Koreaner ausflippen liess. Die Zugfahrt von Flam nach Myrdal ist eine ganz normale norwegische Zugverbindung. Doch ein klein wenig touristische Spielerei konnte man dann eben doch nicht sein lassen. 




In Myrdal lebten früher 110 Menschen. Heute wohnt in dem Ort, welcher nur mit dem Zug erreichbar ist niemand mehr. Wir erreichten den Ort und verliessen den Zug. Dabei fiel uns auf, dass auch kein Zugpersonal die Fahrt begleitete, welches uns ein Ticket verkaufen hätte können. So freuten wir uns über die kostenlose Bergfahrt und betrachteten unsere weitere Optionen. Den Anschlusszug nach Oslo oder Bergen zu nehmen schien uns keine gute Idee. Den Zug nach Flam wieder zu besteigen und es den Koreanern gleichzutun war uns aber zu langweilig. So entschlossen wir uns wie erwartet für die Wanderung zurück zum Startpunkt. Der erste Teil dieser Wanderung führte dabei über 21 Serpentinen die alte Materialstrasse hinunter. Steil und mühsam führten die ersten Meter in den ersten Talboden. Von dort an erwartete uns ein gemütlicher Spaziergang. Über 12 Kilometer wanderten wir durch das wundervolle Tal und begegneten nur einer handvoll Menschen. Schon bald erreichten wir wieder unser Womo und waren froh, dass wir nicht bis ganz nach Flam mussten und unser Womo hier oben geparkt hatten. 







Die Fahrt führte uns also wieder bergab und wir besuchten nochmals den Fjord. Das riesige Kreuzfahrtschiff war einem kleineren gewichen und gab dem Parkplatz ein bisschen mehr Luft. Wir gönnten uns ein leckeres Mittagessen und danach zur Abkühlung nochmals ein Bad im eiskalten Fjord.

Wir verliessen Flam über den kürzesten Weg. Unser Reiseführer konnte uns nicht überzeugen, über das Fjell zu fahren. Lieber besuchten und befuhren wir den längsten Strassentunnel der Welt. Für mehr als 24 Kilometer verschwanden wir unter der Erde. Wir waren überrascht, dass der Tunnel kostenlos befahrbar war. Doch angesichts der schwachen Beleuchtung, Belüftung und fehlen jeglicher Infrastruktur war uns das dann doch auch wieder klar. Der Tunnel ist nicht vielbefahren und auch überholen ist problemlos möglich und erlaubt. Solange nur nichts passiert. Rettungsstollen oder ähnliches gibt es auch hier nicht. Dafür Dunkelheit. Viel Dunkelheit. Nach einer knappen Viertelstunde machte der Körper erste Anstalten, dass ihm die erste Dunkelheit seit über einem Monat doch sehr zu gefallen scheint. Man wird unweigerlich müde. Und so ist man froh, kann man nach knapp über 20 Minuten wieder die Sonne erblicken. Ohne Vorwarnung und direkt an einem Kreisel. Doch es klappte alles bestens.

Wir folgten als nächstes dem historischen Königsweg in Richtung Oslo/Bergen. Wir besuchten einen Gedenkstein für ein grosses Ereignis in der Geschichte Norwegens. Der erste Automobiltourist in Norwegen benutzte auf seinem Weg von Kristiania (heute: Oslo) nach Laerdal am 1. August 1901 diese Route. Das reichte für einen Gedenkstein und einen riesigen Parkplatz. 



Doch nur deswegen hätten wir den Abstecher nicht unternommen. Nur ein paar Minuten weiter erwartete uns die Stabkirche von Borgund. Diese gilt als eine der schönsten Stabkirchen Norwegens und davon wollten wir uns natürlich überzeugen. Und ja: die Stabkirche war wirklich schön anzusehen. Besonders ihr schwarzes Kleid, welche sie einem kompletten Teer-Überzug verdankt, brachte die Konturen so richtig hervor. Doch die 11 Franken Eintritt pro Person für die kleine Kirche sparten wir uns dann doch. Der Vorteil von heute: man kann im Google nachsehen und entscheiden ob es sich lohnt oder nicht. Hier waren unser Fazit, dass sich ein Besuch von Innen nicht lohnt. 



So rollten wir schon bald weiter. Viel hatten wir heute nicht mehr vor. Nach diversen Tunnelfahrten setzten wir mit der Fähre von Fodness nach Manheller über. Dort darf man wieder ca. 100 Meter am Tageslicht fahren, ehe einem wieder ein Tunnel verschluckt. Nach diesem durften wir die Umgebung dafür umso besser begutachten. 25 Minuten standen wir baustellenbedingt in einem Stau. Wir machten einen Fahrerwechsel, Melanie setzte sich hinters Steuer und ich begann mit dem Schreiben des Blogs. Für die letzten 2,5 Kilometer wechselten wir die Posten aber wieder. Eine Schotterstrasse führte uns abermals steil bergan auf einen Wanderparkplatz. Einsamkeit erwarteten wir – eine Blechlawine fanden wir vor. Die Wanderung zum Molden scheint wohl doch beliebter als gedacht. 



Es war erst kurz nach 17 Uhr und wir standen schon am Übernachtungsplatz. Die Sonne stand hoch und wärmte mit ihren Strahlen. Dies nutzten wir gleich aus und legten einen Waschgang ein. Wir füllten unsere Kessel mit Wasser und begannen die vielen Unterhosen, Socken, Shirts und Pullover der letzten Wochen zu waschen. Die Wäscheleine wurde gespannt und alles zum trocknen aufgehängt. Nebenbei wurde gegrillt, gegessen und getrunken. Was für ein Leben. Am WC-Haus entdeckte Melanie vorhin noch eine Aussensteckdose mit Strom – da werden wir wohl noch unser Womo anschliessen, sobald die Autos, welche davor parken, verschwunden sind. Es kommen jedoch immer wieder neue Wanderer und machen sich auf den Weg zum Berggipfel – und das um 20 Uhr. Doch die Sonne steht noch hoch und auf den 1200 Metern, auf welchen sich der Gipfel befindet, wird sie wohl praktisch nicht untergehen. Wir überlegten uns noch kurz uns auch den Wanderern anzuschliessen. Doch wir hatten schon einiges an Fussmarsch heute und hoffen, dass auch morgen früh das Wetter mitspielt um den Berg zu erklimmen. So verbringen wir den Abend an der Sonne und geniessen es einfach nur hier in der Natur zu sein. 






Montag, 25. Juni 2018

Durchs Gebirge nach Flam

Auch diese Nacht freute ich mich über die tolle Schlafmaske – nur als sie mir um 5 Uhr in der Früh vom Gesicht rutschte, bin ich natürlich aufgewacht. Ich schlief aber schnell weiter und wachte erst wieder auf als der Wecker klingelte. Leider hatten wir kein Brot mehr und so wurde mein morgendlicher Hunger erst gestillt, nachdem wir einen nahen Coop aufgesucht hatten. So waren wir aber schon unterwegs und rauschten schon bald wieder nordwärts.

Der Reiseführer machte schon bald einen grossen Abstecher ins Gebirge. Der Abstecher sei zeitaufwändiger als gedacht lasen wir auf den bunten Seiten. Da entschieden wir uns diesen Abstecher bleiben zu lassen und fuhren weiter auf der E16 in Richtung Voss. Landschaften sehen wir ja genug und sind nicht traurig wenn wir eben einmal eine Strecke mit vielen Tunnels fahren. Zwischen den Tunnels sahen wir uns aber an den Seen und Landschaften satt, welche in gewissen Abschnitten beinahe nicht voneinander zu unterscheiden waren. Wie ein Spiegel schob sich der See in das Tal und in allen Buchten standen Autos, deren Insassen mit fotografieren beschäftigt waren. 



In Voss angekommen, stand auch schon unser erster Halt an. Eine kleine aber interessante Schlucht erwartete uns. Unter dem Eispanzer der Eiszeit hat sich ein kleiner Fluss hier tief in die schwarzen Felsen gegraben. Nur ein paar Meter konnten wir über einen Pfad in die Schlucht vorstossen. Doch dies reichte völlig aus um uns zu verzaubern. Das eisblaue Wasser schimmerte an den schwarzen Granitwänden, so dass man dachte jemand hätte einen Scheinwerfer darauf gerichtet. Viele Gletschertöpfe zeugten von der Geschichte dieser Schlucht. Und auch hier waren wir wieder weit weg von der Touristenroute und konnten die Schlucht in Ruhe geniessen. 




Ob der nächste Halt auch so ruhig sein wird? Der Tvinnefoss schien im Reiseführer ein Wasserfall wie viele Andere zu sein. Doch schon von weitem entdeckten wir das weisse Wasser, welches tosend die senkrechte Wand hinunter brauste. Dabei fiel das Wasser über hunderte kleine Kaskaden, was dem Wasserfall einen wundervollen Glanz gab. Viele Leute hatte es hier nicht und so konnten wir in Ruhe ein paar Fotos schiessen. Die vier oder fünf Nasen mochten uns dabei nicht zu stören. Wir wollten noch kurz ein Foto von weiter unten schiessen, als wir plötzlich eine Horde von Menschen bemerkten. Acht (ACHT!!!) Reisecars einer Reisegruppe waren gerade auf den grossen Parkplatz gefahren und hat ihre Insassen auf diesen wundervollen Ort losgelassen. Da gab es für uns nur einen Ausweg: zusammenpacken und so schnell wie möglich verschwinden. 




Gemütlich tuckerten wir auf der E16 nordwärts und genossen die Gegend. Bei Stalheim sollen wir aber abzweigen und einen Ausflug in dieses Dorf unternehmen. Nicht unbedingt wegen dem Dorf selbst. Mehr wegen der Strasse, welche nach dem Dorf wieder hinunter auf die E16 führt. Nur wer sich mit dem Womo traut, sollte diese Piste auch wirklich befahren. Die Anderen sollten Mitfahrende ausladen, wenden, durch den Tunnel und unten auf die Wandernden warten. Kam für mich natürlich nicht in Frage. Wir hielten kurz am höchsten Punkt und sammelten uns für die Abfahrt. Doch da kam doch plötzlich wieder ein Reisecar nach dem Andern der grossen Reisegruppe. Diese nahmen die 18% Gefälle und die 14 sehr engen Serpentinen mit ihren Reisecars in Angriff. Na also dann kommen wir ja locker runter. Wären wir auch, wäre da nicht der Bus vor uns gewesen. Dieser hat sich in einer Serpentine das Heck neu gestaltet und musste unterwegs einen längeren Halt einlegen um die Bremsen abzukühlen. Ja also dafür ist diese Strasse einfach nicht gemacht. Doch es war auch so eine der spektakulärsten Strassen, welche wir mit dem Womo je befahren haben. Die Videos davon sind sicher toll geworden. 



Unterwegs konnten wir unseren Blick immer wieder auf einen tollen Wasserfall richten. Nach der letzten geschafften Serpentine war auch ein Wanderweg zu diesem ausgeschildert, welcher uns mit 30 Minuten Wanderzeit durchaus attraktiv erschien. Wir parkten und wanderten gemütlich die 7 Minuten zum Wasserfall. Für 30 Minuten hätten wir kriechen müssen. Aber schon okay denn die Wanderzeit schien die Touristen wieder davon abzuhalten hierhin zu spazieren. Wir genossen den Wasserfall und vor allem das glasklare Wasser, welches sich in wilden Passagen eisblau färbte. Solch wunderschönes Wasser haben wir echt noch nie gesehen. Wir schossen Fotos und machten uns auf den Rückweg. Am Parkplatz war dann der Pannendienst auch schon mit einem Reisecar beschäftigt. Das Vorderrad war entfernt und der Mechaniker schraubte mir schwerem Werkzeug an dem Fahrzeug herum. Bei unserem Womo war zum Glück noch alles heil geblieben und wir fuhren weiter.




Nun begannen die Tunnelpassagen. Ein 11,8 Kilometer langer Tunnel bildete den Auftakt. Dies ist ganz schön lange. Besonders wenn man norwegische Tunnels kennt. Viele sind nicht einmal beleuchtet. Dieser hier war es immerhin spärlich. Aber spärliche Beleuchtung in Verbindung mit fehlender Belüftung ist eine heftige Mischung für den Fahrer. Auch das totale Fehlen irgendwelcher Sicherheitseinrichtungen oder Fluchtmöglichkeiten (es gibt nirgends einen Fluchtstollen oder Schutzraum) ist man sich als Schweizer so gar nicht gewohnt. Nach dem langen Tunnel folgte eine sehr kurze Passage ehe wir wieder für 5 Kilometer im Berg verschwanden. Schon bald verschwindet die E16 hier im längsten Festland-Strassentunnel der Welt. 24 Kilometer lang ist dieser. Der Gotthard Strassentunnel ist mit seinen 16,9 Kilometern im Vergleich ja schon ein Kurzer (aber trotzdem die Nummer vier der Welt).

Wir bogen aber noch vor diesem Tunnel ab. Unser Ziel für heute war nämlich Flam. Nach ein paar Kurven konnten wir dann auch den Hafen des kleinen Dorfes erblicken. Obwohl man den Hafen eigentlich gar nicht sah. Der Grund dazu kam aus Italien und hiess Costa Favolosa. Dieses riesige Kreuzfahrtschiff stand hier im Hafen, umringt von genau den Bussen, welche wir heute mehrfach sichteten. Das Bild, welches einem so ein Schiff in so einem engen Fjord bietet, kann man gar nicht beschreiben. An einem Meereshafen ist man sich die Dinger ja gewohnt und die kommen eben auch von riesigen Meer. Aber wie dieses Ungetüm durch diesen Fjord passt ist uns schleierhaft. Als wir dabei waren das Schiff zu betrachten kam auch immer mehr die Sonne raus. Über 20 Grad zeigte das Thermometer und wir beschlossen uns dies auszunutzen und uns ins Wasser zu stürzen. Schnell im Womo umgezogen und schnellen Schrittes an den Fjord. Viele Leute vom Schiff waren noch hier und beäugten uns skeptisch. Das ist der Moment in dem man einfach ins Wasser steigen muss. Ohne sich etwas anmerken zu lassen. Doch während das Wasser mit den Füssen noch okay war, war es ab Kniehöhe nur noch extrem kalt. Nicht einfach ein wenig kalt. Arschkalt. Die Atmung klappte nur noch oberflächlich und tausende Nadelstiche verletzten die Haut. Auch andere machten sich jetzt auf den Weg ins Wasser und der Tenor war „wann hat man schon das nächste Mal die Chance in einem Fjord zu schwimmen“. Recht haben sie. Wir konnten das nun von unserer Bucketlist streichen und uns an den Strand zum Trocknen legen. 




Trocken und gewärmt steuerten wir unser Womo die letzten Kilometer bis zum Schlafplatz. Diese führten uns entlang der Flambahn in die Berge. Die Flambahn ist sowas wie die Rhätische Bahn und schwingt sich über Brücken und Tunnels in die Berge. Mit dem Wohnmobil klappte dies ebenfalls – obwohl ein Schild im Tal die Strasse als „not suitable for camping vehicles“ kennzeichnete. Auch mit einem grösseren Mobil als unserem wäre das kein Problem. Nach 20 Minuten spannender Fahrt erreichten wir unser Ziel mitten in den Bergen. Hier werden wir wohl ziemlich alleine und ungestört die Nacht verbringen. Nur ein paar Meter weiter befindet sich ein Bahnhof – für zwei oder drei Ferienhäuser. Hier werden wir morgen früh die Flambahn besteigen und ein kleines Stück mit ihr in die Berge fahren um danach zurück zu unserem Womo zu wandern.