Montag, 1. Oktober 2018

Auf Umwegen nach Budapest

Mein Kopf war schwerer, als auch schon, als ich heute früh aus dem Womo ins Freie trat. Andere Camping-Bewohner schienen sich ebenfalls so zu fühlen und winkten beinahe apathisch zu unserem Womo hinüber. So hatten wir auch keine Eile mit dem Frühstück und beschlossen uns, zuerst die Fahrtüchtigkeit des Womos wiederherzustellen. Melanie füllte Wasser, während ich mich um die Toilette kümmerte. Melanie war plötzlich weg und kurz später wurde auch ich gerufen. Der Grund waren zwei kleine Lämmchen, welche in der letzten Nacht das Licht der Welt erblickten. Unglaublich wie süss die Beiden auf ihren wackligen Beinen über die Wiese stolperten. Steffi, Dani und Melanie waren sofort im Innenhof und knuddelten die Lämmchen unter der strengen Beobachtung der Mutter. Die Kleinen wurden auf die Namen Lui und Steffi getauscht. Lui (der Mensch) spazierte auch gerade vorbei und ich rief ihn, dass er sich doch auch Lui (das Schaf) und Steffi (das Schaf) ansehen möchte, welche gerade von Steffi (dem Mensch) geknuddelt wurden. Lui (der Mensch) und ich betrachteten das Ganze eine Weile, ehe wir Lui (das Schaf) und Steffi (das Schaf) wieder der Mutter überliessen. Unglaublich süss die Beiden.




Später frühstückten wir noch, während sich Lui und Steffi (die Menschen) leider schon verabschiedeten. Die Beiden machten sich auf den Weg nach Wien, während unser Weg uns wohl zuerst noch über eine andere Stadt führen wird. Wieder war es toll die zwei Nachbarn von Zuhause zu treffen und wir konnten die Beiden hier wieder ein wenig besser kennenlernen. Das nächste Mal treffen wir uns dann zum ersten Mal in unserer Heimat und nicht tausende Kilometer von dort entfernt. Auch wir verabschiedeten uns kurz später noch von Ralf und Dani, um doch noch bei Zeiten in Budapest anzukommen, welches das Ziel des Tages markieren sollte. Die beiden Berliner machten sich gleichzeitig auf den Weg und fuhren gleich vor uns die Schotterpiste entlang. Wir winkten dem Camping Lazy zu, welcher langsam immer kleiner wurde. Der Bauernhof ist uns in den zwei Tagen echt ans Herz gewachsen und sucht seinesgleichen. Wir würden diesen Ort definitiv als besten Campingplatz aller Zeiten bezeichnen. Wer jemals in der Slowakei unterwegs ist: unbedingt hinfahren. Wenn nicht: selber schuld.

Im Steilhang lief uns dann plötzlich noch Lola entgegen. Diese Ziege ist mehr Mensch als Ziege und fühlt sich in ihrer Herde nicht annähernd so wohl wie in der Nähe von Menschen. Sie wollte sich wohl noch unbedingt von uns verabschieden. Doch leider musste Ralf so sein Womo im Steilhang anhalten und kam danach nicht mehr vom Fleck. Beinahe vier Tonnen, davon wohl 75% auf der Hinterachse und das mit Vorderradantrieb und ohne jegliche Differenzialsperren – da ist eben einfach einmal Schluss. Der Ford war eingebuddelt und wir standen dahinter. Es half alles nichts – der Traktor des Hofes musste her. Dieser stand auch schon bald vor dem Womo und begann dieses den Hügel hochzuziehen. Doch plötzlich ging auch mit zwei Motoren nichts mehr. Genau genommen ging ein Motor nicht mehr. Erst dachten wir, dass der Diesel des Traktors alle war, doch nachdem dieser nachgefüllt war, mussten wir bemerken, dass der Traktor einfach nicht mehr will. Nun stand dieser auch noch im Wege. Irgendwann lief der alte Fiat aber wieder und auch Ralf schaffte es, am nun flacheren Hügel, sein Womo auf der Piste fortzubewegen. Wir erreichten die Teerstrasse dann zwar ebenfalls mit viel Mühe aber zum Glück ohne Hilfe. Nun verabschiedeten wir uns endgültig von dem Hof und reisten in Richtung Ungarn.

Zwei Stunden führte uns die wunderschöne Strasse durch die slowakische Landschaft. Schon bald überquerten wir die Grenze zu Ungarn. Ein Übertritt, welchen wir in der Folge noch zwei Mal wiederholten, da wir irgendwie immer zwischen den Ländern pendelten. Kurz vor dem einprogrammierten Ziel bemerkten wir jedoch leider, dass sich wohl ein Zahlendreher eingeschlichen hatte, als wir die Koordinaten in unser TomTom programmierten. Dieser Umweg kostete uns zwar eine halbe Stunde, aber dafür sahen wir mehr vom ungarischen Hinterland, welches im Übrigen wirklich schön war. Wir erreichten Budapest kurz nach Mittag und fanden trotzdem noch einen freien und vor allem kostenlosen Parkplatz inmitten der Stadt. Unglaublich, dass es solche Dinge noch gibt. Wir zogen unsere Stadtklamotten an und begaben uns ins Gewühl.

Nach zwei Tagen auf einem abgelegenen Bauernhof war die Stadt doch ein kleiner Schock. Stinkender Verkehr, lärmende Strassenbahnen, verstopfte Gehwege und überall lagen Obdachlose auf den Strassen herum. Ein komplett anderes Bild. Doch nach einer kurzen Akklimatisierung fühlten wir uns in der Stadt ziemlich wohl. Wir mussten immer aufpassen, die Stadt nicht zu sehr mit Lviv zu vergleichen, denn sie hätte in allen Punkten nur den zweiten Platz belegt. Wie jede andere Stadt wohl auch. Doch Budapest hatte einige schöne Plätze zu bieten, welche wir vor allem dank den Geocaches auch finden konnten. Vor allem im jüdischen Bezirk gab es einiges zu entdecken. Ein 2014 errichtetes Denkmal an den zweiten Weltkrieg erschien uns relativ schnell ein wenig geschmacklos. Und tatsächlich waren die angebrachten Tafeln und Schriften, welche wir natürlich nicht lesen konnten, sehr abschätzige Parolen des Volkes. Darauf wiesen Infotafel auf der anderen Strassenseite in vielen Sprachen hin. Überall lagen Gegenstände von verschleppten Juden ausgelegt und ein Proteststand war auch heute, wie an jedem Tag seit der Enthüllung im Jahre 2014, von Demonstranten besetzt. Wir hoffen, dass das Volk hier einmal ein Monument erhält, welches die Geschichte des zweiten Weltkrieges gebührender darstellt. Ebenfalls im jüdischen Bezirk betrachteten wir die grosse und wunderschöne Synagoge. Jedoch nur von Aussen. Das Highlight war dann aber wieder ein Ort (oder wäre es nun das Ort?), welcher (/welches) uns comewithus2 empfohlen hatten. Das alternatives Zentrum mit dem Namen Szimpla Kert erwartete uns mit einer heruntergekommenen Fassade und viel bunten Lichtern. Im Innern was das Gebäude dann einfach nur der absolute Hammer. Bars und Lounges füllten den Innenhof und sämtliche Räume des Gebäudes. Überall war Platz für Kunst. Bühnen und Flächen für Kreativität an allen Ecken. Ein absolut einmaliger Ort, welchen wir auch jedem unbedingt empfehlen würden.











Nach einer kurzen, aber nicht ergiebigen, Shoppingtour in der Innenstadt war dann aber der Hunger gross. Wir wollten noch einmal auf dieser Reise zum Italiener und suchten einen solchen auf. Wir hofften bei Vendetta nicht einer solchen zum Opfer zu fallen und bestellten. Schnell bemerkten wir das Fehlen von Melanies Handy. Dieses hatten wir kurz zuvor im Pull&Bear in die abschliessbare Ladebox gelegt. Und dort war es nun noch immer. Da der Pull&Bear bald seine Tore schloss, rannte Melanie kurz durch die Altstadt und holte das geliebte Elektronikteil. Heute war wohl wirklich ein kleiner Pannentag. Doch beim Nachtessen lief dann alles glatt. Das Essen und der Wein waren super lecker und die Rechnung angenehm klein. In der Schweiz werden uns die Preise dann wohl wieder umhauen und dafür sorgen, dass uns der Hunger im Restaurant vergeht.





Wir wanderten gemütlich zurück zum Womo und bemerkten dort angekommen, dass die beiden Berliner mit dem weissen VW Bus, welche wir in Auschwitz und Kosice schon trafen, nun gerade im Szimpla Kert sassen. So weit wollten wir aber nicht mehr zurück und fuhren gut 20 Minuten aus der Stadt hinaus. Dort, am Rande eines Wildparkes, standen wir auf dem menschenleeren Parkplatz und schlugen unser Nachtlager auf.


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